Nahost-Krieg Grenze geöffnet: Erste Hilfslieferungen erreichen Gazastreifen

21. Oktober 2023, 21:40 Uhr

Zwei Wochen nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sind erste Hilfslieferungen aus Ägypten im Gazastreifen angekommen. Zuvor war der Grenzübergang Rafah für die Durchfahrt geöffnet worden. 20 Lastwagen des Ägyptischen Roten Halbmonds passierten die Grenze. Kanzler Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßten die Öffnung.

Der Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen ist für erste Hilfslieferungen geöffnet worden. Einige Lastwagen fuhren von Ägypten in den palästinensischen Bereich des Grenzübergangs, wie auf Bildern im ägyptischen Fernsehen zu sehen war. Demnach sollen Güter von 20 Lastwagen mit Arzneimitteln in den Gazastreifen geliefert werden. Nach Angaben der israelischen Armee ist kein Treibstoff in das Palästinensergebiet gebracht worden. Es handele sich lediglich um Wasser, Nahrungsmittel und Medikamente. Nach der Durchfahrt der Lastwagen des Ägyptischen Roten Halbmonds wurde der Grenzübergang wieder geschlossen.

Es sind die ersten Lieferungen über Rafah seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas vor zwei Wochen. Rafah ist der einzige Zugang zum Gazastreifen außerhalb Israels.

Etliche Lkw warten noch

Zuletzt hatten sich etwa 170 Lastwagen mit humanitären Versorgungsgütern auf ägyptischer Seite vor dem Übergang gestaut. Die Lkws seien bereit und auf "Stand-by", sagte eine Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Kairo.

In der Nacht zum Samstag sollten bereits zwei Lastwagen die Grenze überqueren, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. Die Lkws hatten demnach Medizin geladen und Medienberichten zufolge auch Leichentücher. Ein Team aus Medizinern sollte mit den Lastwagen ebenfalls in den Gazastreifen einfahren. Die Vorbereitungen zur Einfahrt seien dann aber gestoppt worden wegen neuer Luftangriffe Israels am frühen Morgen, hieß es.

Übersichtskarte vom Gazastreifen
Hilfslieferungen erreichen die Bewohner des Gazastreifens nun von Süden her. Bildrechte: MDR.DE

Um die Öffnung des Grenzübergangs war seit Tagen gerungen worden. Israel, das den Gazastreifen nach dem Großangriff der Hamas komplett abgeriegelt hatte, stimmte unter der Bedingung zu, dass zunächst 20 Lastwagen in den Gazastreifen fahren dürfen. Die Hilfsgüter dürfen demnach nur im Süden des Palästinensergebiets an Zivilisten verteilt werden und nicht in die Hände der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas fallen.

UN zuversichtlich über Zulassung weiterer Konvois

Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths geht davon aus, dass dem ersten humanitären Konvoi mit 20 Lastwagen nun zügig weitere folgen. "Ich bin zuversichtlich, dass diese Lieferung der Beginn einer nachhaltigen Anstrengung sein wird, die Menschen im Gazastreifen sicher, zuverlässig, bedingungslos und ungehindert mit lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff zu versorgen", teilte Griffiths in Kairo mit.

Scholz begrüßt erste Lieferungen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Anlaufen von Hilfslieferungen in den Gazastreifen begrüßt. Es sei gut und wichtig, dass jetzt erste humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza komme. Sie bräuchten Wasser, Nahrung und Medikamente, schrieb Scholz auf der Plattform X, früher Twitter. Die Bundesregierung setze sich weiter über alle Kanäle dafür ein, das Leid in diesem Konflikt zu lindern.

Von der Leyen: Grenzöffnung lindert Leid

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich erfreut darüber gezeigt, dass Ägypten Hilfslieferungen in den Gazastreifen ermöglicht. Dies sei ein wichtiger erster Schritt, der das Leid unschuldiger Menschen lindern werde, betonte sie. Ihr Dank gelte allen, die die Öffnung des Grenzübergangs Rafah zum Gazastreifen für humanitäre Hilfe ermöglicht hätten.

Die EU hatte bereits am Wochenende zuvor mitgeteilt, dass sie ihre humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen kurzfristig auf mehr als 75 Millionen Euro verdreifacht. Zur Lieferung von Hilfsgütern wurde zudem eine Luftbrücke nach Ägypten eingerichtet.

700.000 Menschen in den Süden Gazas geflohen

Nach den Evakuierungsaufrufen an die Zivilbevölkerung im nördlichen Gazastreifen sind nach israelischen Militärangaben rund 700.000 Palästinenser in den Süden des Küstenstreifens geflohen. Ein Armeesprecher sagte, man rufe auch die in der Stadt Gaza und im Norden des Palästinensergebiets verbliebenen Zivilisten dazu auf, sich zu ihrem eigenen Schutz ebenfalls in das Gebiet südlich von Wadi Gaza zu bewegen. Israel werde die Angriffe auf Hamas-Ziele im nördlichen Abschnitt des Gazastreifens noch verstärken. Die Angriffe richteten sich gegen militärische Ziele und Regierungseinrichtungen der Hamas.

Israel ruft Staatsbürger zu sofortiger Ausreise aus Jordanien und Ägypten auf

Aufgrund zunehmender regionaler Spannungen hat Israel seine Staatsbürger zu einer sofortigen Ausreise aus Ägypten und Jordanien aufgerufen. Das Land habe die Reisewarnungen für Ägypten, inklusive der Halbinsel Sinai, und Jordanien "auf die höchste Stufe 4" angehoben, erklärte der Nationale Sicherheitsrat. Israelis, die sich in den Ländern befänden, sollten diese "sofort verlassen". Die Reisewarnungen seien aufgrund "einer deutlichen Verschärfung der Proteste gegen Israel in den vergangenen Tagen" und der "Demonstrationen von Feindseligkeit und Gewalt gegen israelische und jüdische Symbole" angehoben worden, hieß es weiter.

Vor wenigen Tagen hatte Israel seine Reisewarnungen für die Türkei bereits auf die höchste Stufe angehoben und Diplomaten und Bürger zu einem raschen Verlassen des Landes aufgefordert.

Friedensgipfel endet ergebnislos

Außenministerin Annalena Baerbock hat die internationale Gemeinschaft zu mehr Unterstützung für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen aufgerufen. Die Grünen-Politikerin sagte bei einem Nahost-Gipfel in der ägyptischen Hauptstadt Kairo, die Täter dieses Terrors sprächen nicht für das palästinensische Volk. Man müsse jederzeit zwischen Terroristen und der Zivilbevölkerung unterscheiden.

An dem Gipfeltreffen in Kairo nahmen mehrere Staats- und Regierungschefs der Nahostregion sowie Vertreter der UN und westlichen Staaten teil. Vertreter Israels waren nicht vor Ort. Der Gipfel endete ergebnislos.

Verhandlungen um Freilassung weiterer Geiseln

Katar will als Vermittler weitere Freilassungen von Geiseln erreichen. Ein Sprecher des katarischen Außenministeriums sagte der "Welt am Sonntag", derzeit werde an einer Vereinbarung gearbeitet. Diese sehe die Freilassung aller zivilen Geiseln vor. Katar ist als Vermittler gefragt, weil es Beziehungen zu islamistischen Gruppierungen und zu westlichen Staaten hat.

Israel hatte am Freitagabend die Freilassung zweier Geiseln mit US-Staatsbürgerschaft im Gazastreifen bestätigt. Zuvor hatten die Kassam-Brigaden, der militärische Arm der Hamas, mitgeteilt, man habe die beiden Geiseln dem Roten Kreuz in Gaza übergeben. Als "Reaktion auf die Bemühungen Katars" seien eine Frau und ihre 17-jährige Tochter "aus humanitären Gründen" freigelassen worden.

Reuters/AFP/dpa(das)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 21. Oktober 2023 | 10:00 Uhr

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