EU-Gipfel in Brüssel EU-Regierungschefs fordern Feuerpausen und geschützte Korridore für Gaza

26. Oktober 2023, 21:58 Uhr

Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel auf eine gemeinsame Erklärung zum Nahost-Krieg geeinigt. Darin sprechen sie sich für Feuerpausen und geschützte Korridore aus. Vorausgegangen waren stundenlange Verhandlungen, in denen einige EU-Staaten einen Aufruf zu einem sofortigen humanitären Waffenstillstand forderten. Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn sprachen sich dagegen aus.

Die EU-Staaten fordern Feuerpausen und "geschützte Korridore" für sichere Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Die sich verschlechternde humanitäre Lage in Gaza gebe Anlass zu größter Besorgnis, heißt es in einer am Donnerstagabend in Brüssel verabschiedeten Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs. Man rufe im Konflikt zwischen der islamistischen Hamas und Israel zu einem kontinuierlichen, schnellen, sicheren und ungehinderten Zugang für Hilfslieferungen auf. Zu notwendigen Maßnahmen gehörten auch "humanitäre Korridore und Pausen für humanitäre Zwecke".

Die Europäische Union werde eng mit den Partnern in der Region zusammenarbeiten, um Zivilisten zu schützen, Hilfe zu leisten und den Zugang zu Nahrung, Wasser, medizinischer Versorgung, Treibstoff und Unterkünften zu erleichtern, heißt es in der Erklärung weiter. Dabei wolle man sicherstellen, dass diese Hilfe nicht von terroristischen Organisationen missbraucht werde.

Die US-Regierung hatte sich am Donnerstag auch dafür ausgesprochen, eine Feuerpause im Gazastreifen in Betracht zu ziehen. "Dabei handelt es sich um örtlich begrenzte, zeitlich begrenzte, spezifische Pausen auf dem Schlachtfeld, damit humanitäre Hilfe zu den Bedürftigen gelangen kann oder die Menschen das Gebiet in relativer Sicherheit verlassen können", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.

Humanitärer Waffenstillstand oder Feuerpausen

Zuvor hatten sich einige EU-Staaten für einen sofortigen "humanitären Waffenstillstand" für den Gazastreifen eingesetzt. Länder wie Deutschland, Österreich und Ungarn sprachen sich jedoch klar dagegen aus, dass sich die EU solchen Aufrufen öffentlich anschließt. Sie argumentieren, ein solcher Vorstoß sei angesichts des anhaltenden Terrors der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas unangemessen.

Dem gegenüber argumentierten Länder wie Spanien oder Irland, dass die von Israel ausgehende Abriegelung des Gazastreifens klar gegen Völkerrecht verstoße. Als Gefahr wird von Ländern, die das Anliegen der Palästinenser stärker unterstützen, gesehen, dass sich die EU auf internationaler Ebene unglaubwürdig macht, wenn sie mögliche Völkerrechtsbrüche von Israel nicht adressiert. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Bemühungen der EU, Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu einer stärkeren Zusammenarbeit gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu bewegen.

Die Verwendung von Wörtern wie "humanitäre Korridore" und "Pausen" im Plural in der Erklärung ist ein Kompromiss und soll deutlich machen, dass die EU Israel nicht auffordert, den Kampf gegen die Hamas mit sofortiger Wirkung einzustellen. Diesen Eindruck wollen Länder wie Deutschland unbedingt vermeiden.

Scholz vertraut Israel: Achtung des Völkerrechts

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte erneut vor einer Ausweitung des Konflikts, richtete sich aber dabei vor allem an die Nachbarn Israels: "Das sollte nicht passieren, dass im Norden etwa Hisbollah in den Krieg auch noch mit eigenen Aktivitäten eintritt oder der Iran und seine Proxies versuchen, hier gewissermaßen zu intervenieren."

Befürchtungen, dass Israel bei seinem Vorgehen gegen die Hamas das Völkerrecht aushebeln könnte, trat Scholz mit den Worten entgegen: "Israel ist ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien, die ihn leiten. Und deshalb kann man sicher sein, dass die israelische Armee auch bei dem, was sie macht, die Regeln beachten wird, die sich aus dem Völkerrecht ergeben. Da habe ich keinen Zweifel."

Selbstverteidigungsrecht für Israel - im Rahmen der Völkerrechtskonventionen

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán betonte, dass Israel alle notwendigen Maßnahmen ergreifen dürfe, damit sich das, was passiert sei, nicht wiederhole. Auch in der Abschlusserklärung wird Israels Recht zur Selbstverteidigung festgehalten, allerdings mit der Einschränkung, dass dies "im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht" geschieht.

Im Entwurf der Abschlusserklärung heißt es darüber hinaus, der Einsatz von Zivilisten als menschliche Schutzschilde sei zwar eine "besonders beklagenswerte Grausamkeit", aber keine Entschuldigung, die Strom- und Wasserversorgung des Gazastreifens zu kappen. Die EU sagte Partnern in der Region zu gemeinsam daran zu arbeiten, den Zugang zu Treibstoff zu erleichtern.

Damit stellt sich die EU klar gegen die israelische Regierung, die aus Angst vor Missbrauch bislang nicht zulassen will, dass der Gazastreifen weiter mit Treibstoff beliefert wird. In der geplanten EU-Erklärung heißt es dazu, die EU werde sicherstellen, dass diese Hilfe nicht von terroristischen Organisationen missbraucht werde.

Hamas meldet 50 getötete Geiseln bei israelischem Luftangriff

Die Hamas meldete unterdessen, dass bei den bisherigen israelischen Luftangriffen etwa 50 von den 220 Geiseln, die von der Terrororganisation verschleppt worden waren, getötet worden seien. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Zuletzt hatte die Hamas von 22 getöteten Geiseln gesprochen.

Trotz internationaler Appelle hat die Terrororganisation bislang erst vier der Entführten freigegeben. In ihrer Hand befinden sich neben Israelis auch zahlreiche Staatsbürger anderer Länder, darunter auch etwa ein Dutzend Deutsche.

(dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 26. Oktober 2023 | 18:30 Uhr

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