Offener Brief Streit um EU-Pläne zum Schutz von Frauen gegen Gewalt
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31. Januar 2024, 18:09 Uhr
Die EU will die Regeln zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt verschärfen. Doch im Bundesjustizministerium gibt es Bedenken, beim Tatbestand der Vergewaltigung das "Ja-Ist-Ja"-Prinzip einzuführen. 100 Frauen fordern in einem offenen Brief, Deutschland dürfe die Pläne nicht blockieren. Worum geht es genau?
Die EU-Kommission hat einen Entwurf für eine Richtlinie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt und häuslichen Übergriffen vorgelegt. Demnach sollen Delikte wie Vergewaltigung einheitlich schärfer verfolgt werden.
Dazu gehört neben sexualisierter Gewalt auch Cyberstalking, Einschüchterung im Internet oder das ungefragte Zusenden intimer Bilder. Der Tatbestand der Vergewaltigung soll ausgeweitet werden: Jede sexuelle Handlung an einer Frau, die nicht einvernehmlich geschieht, soll als Vergewaltigung eingestuft werden – nach dem Prinzip: Nur ein Ja ist ein Ja.
Doch im Bundesjustizministerium gibt es Bedenken, dass die EU ihre Kompetenzen überschreiten könnte. Aus Sicht von Minister Marco Buschmann (FDP) könnte der Europäische Gerichtshof eine solche Regelung wieder einkassieren. Er bezweifelt, dass die EU die notwendige Rechtsgrundlage hat, den Tatbestand der Vergewaltigung anders zu definieren, als das in Deutschland und anderen Staaten der Fall ist. Auch Frankreich etwa sperrt sich gegen ein schärferes EU-Recht.
"Nein ist Nein" reicht vielen nicht mehr
Im Kern geht es auch darum, dass der Entwurf der EU-Richtlinie sich am "Ja-Ist-Ja"-Prinzip orientiert, während etwa im deutschen Strafrecht der "Nein-Ist-Nein"-Grundsatz gilt. Danach handelt es sich um eine Vergewaltigung, wenn die Frau Nein gesagt hat. Nach der schärferen Ja-Ist-Ja-Regel kann der Vergewaltigungstatbestand erfüllt sein, wenn kein ausdrückliches Einvernehmen vorhanden ist.
In 13 Staaten gibt es bislang Gesetze, die Vergewaltigung definieren als Sex ohne Zustimmung. In Deutschland wurde 2016 das Sexualstrafrecht entsprechend verschärft. Nach dem "Nein-Heißt-Nein"-Prinzip fällt jede sexuelle Handlung gegen "erkennbaren Willen" eines Dritten unter Strafe.
In 14 EU-Ländern gilt sogar noch das Nötigungsmodell: Frauen müssen nachweisen, dass es zu Gewalt oder Gewaltandrohung kam, damit man von Vergewaltigung sprechen kann.
Frauenministerium und Offener Brief unterstützen schärfere EU-Richtlinie
Dagegen warnte Frauenministerin Lisa Paus (Grüne), die EU-Richtlinie dürfe nicht scheitern. Das wäre ein großer gleichstellungspolitischer Rückschritt. Die geplanten Verbesserungen schützten Frauen konkret und wirksam. Zu den laufenden Verhandlungen sagte Paus, aufgrund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Positionen und Rechtsauffassungen sei noch kein Durchbruch gelungen.
100 Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft haben die Bundesregierung nun in einem offenen Brief aufgerufen, den geplanten EU-Schutzmaßnahmen für Frauen zuzustimmen. Die Initiatorin Kristina Lunz vom Centre for Feminist Foreign Policy sagte dem WDR: "Sexualisierte Gewalt hat online ein Ausmaß angenommen, wodurch Frauen eingeschüchtert oder zum Schweigen gebracht werden." Die Direktive würde zum ersten Mal EU-weit Cybergewalt regulieren. Zu den Erst-Unterzeichnerinnen gehören auch die deutsche Journalistin und Filmemacherin Düzen Tekkal und Luisa Neubauer von Fridays for Future oder die Schauspielerin Natalia Wörner.
Am 1. Februar 2018 trat die internationale Istanbul-Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt in Kraft. Sie verpflichtet alle staatlichen Stellen zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.
dpa/epd(ans)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | BRISANT | 31. Januar 2024 | 18:10 Uhr
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