Was sind die Visegrád-Staaten?

18. Mai 2022, 19:12 Uhr

Die sogenannte Visegrád-Gruppe ist eine lose Kooperation der mitteleuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn.

1991 hatten sich Polen, Ungarn und die damals noch existierende Tschechoslowakei zusammengeschlossen, um gemeinsam Probleme zu lösen. In der Absichtserklärung von damals stand, dass man in der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformation eng miteinander kooperieren wolle. Nach der Auflösung der Tschechoslowakei Ende 1992 wurde aus der Dreier- eine Vierer-Gruppe. Die Visegrád-Gruppe gibt sich auch gern die Abkürzung V4.

Karte der Visegrad-Staaten
Die vier Mitglieder der Visegrád-Gruppe: Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Periodische gemeinsame Treffen

Durch regelmäßige Treffen, ob auf höchster politischer Ebene sowie auf Arbeitsebene, versuchen die vier Länder ihre Positionen auszuloten und sich durch gemeinsames Agieren mehr Gewicht im Rahmen der EU und in der Nato zu geben. Das Bündnis hat jedoch bis heute keinen formellen Bündnisvertrag. Die Zusammenarbeit ist eher informell und ergibt sich aus den gemeinsamen Interessen der vier Länder. Benannt ist die Gruppe nach der ungarischen Stadt Visegrád, in der sich 1335 die ungarischen, böhmischen und polnischen Könige zu wirtschaftlich-politischen Verhandlungen trafen.

Gemeinsames Projekt: Kultureller Austausch

Im Jahr 2000 wurde der Internationale Visegrád-Fonds von den Mitgliedern gegründet. Er wird von allen vier Ländern finanziert und unterstützt grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Austausch, wie beispielsweise kulturelle Netzwerke. Der Fonds vergibt jährlich Stipendien an Studenten, Promovierende und Wissenschaftler zum akademischen Austausch. Dazu stehen jährlich zehn Millionen Euro zur Verfügung, die zu gleichen Teilen von den V4-Regierungen aufgebracht werden, heißt es auf der Website des Internationalen Visegrád-Fonds.

Gruppe spricht nicht mit einer Stimme

In den letzten Jahren äußerten sich Mitglieder der Visegrád-Staaten zunehmend EU-kritisch. Vor allem deren Migrationspolitik wurde in den vergangenen Jahren abgelehnt. So fand der Vorschlag einer Verteilung der Flüchtlinge auf alle EU-Staaten keine Zustimmung unter den V4.

Polen und Ungarn stehen zudem immer wieder in der Kritik, die Werte der EU zu verletzen. Rein theoretisch könnten ihnen deswegen Stimmrechte in EU-Gremien entzogen werden – vorausgesetzt, der EU-Rat billigt dies einstimmig. Das Verfahren läuft aber leer aus, wenn sich zwei Staaten - etwa Polen und Ungarn - gegenseitig unterstützen und einen einstimmigen Beschluss verhindern.

Die Mitglieder der Visegrád-Gruppe aber sprechen längst nicht immer mit einer Stimme. Ungarns Präsident Viktor Orbán sucht beispielsweise die Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Unabhängig von der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung der EU ließ sich Ungarn beispielsweise während der Corona-Pandemie auch "Sputnik-V"-Impfstoff aus Russland liefern. Auch in der Frage, sich angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen, will Ungarn bislang einen eigenen Weg gehen – sehr zum Unmut zu Polen.

(Stand: Mai 2022)

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR aktuell | 21.06.2018 | 19:30 Uhr

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