Belarus und die Folgen von TschernobylTreffen mit einem Liquidator: Unterwegs im weißrussischen Fallout-Gebiet Gomel
Bis 0,40 Mikrosievert pro Stunde sei alles im Normalbereich, sagt Woroneschtsew. Unser Dosimeter zeigt nur 0,31 Mikrosievert pro Stunde an. Weniger als im Wald, aber doppelt so hoch wie in Gomel, so der Physiker. Dennoch wird hier Landwirtschaft betrieben - gefördert von der weißrussischen Regierung.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Gomel, eine 500.000-Einwohner-Metropole am Fluss Sosch, ist die Gebietshauptstadt der gleichnamigen weißrussischen Oblast. Sie ist etwa so groß wie die Schweiz und war vom radioaktiven Fallout von Tschernobyl am schlimmsten betroffen. Bis heute erkranken dort sechs Mal mehr Menschen an Schilddrüsenkrebs als vor der Atomkatastrophe. Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Wir treffen Juri Woroneschtsew bei einem kleinen Stadtfest. Der 63-Jährige hat die Katastrophe von Tschernobyl im weißrussischen Gomel miterlebt. Er wirkt ausgelassen, doch man bemerkt schnell, wie erschöpft er ist, denn auch er leidet an einer Krebserkrankung. Woroneschtsew findet aber, dass sich Gomel nicht von anderen Städten unterscheidet.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
"Die verstrahlte Stadt" - das ist das Image von Gomel in Belarus. Doch es wird gesungen und getanzt, als ob nichts passiert wäre. Eine Überlebensstrategie: Wer kann sich schon tagtäglich mit der Katastrophe, mit Tod und Krankheit befassen? Die Stadt sehnt sich nach Normalität, nach einer Perspektive NACH Tschernobyl. Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Woroneschtsew war maßgeblich am Programm zur Überwindung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe beteiligt und Verfasser des einschlägigen Gesetzesentwurfs für die "Umweltsicherheit der Bürger". Und er zählt zu den sogenannten "Liquidatoren". Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Plötzlich warnt ein Schild am Straßenrand vor der hohen Strahlung. Woroneschtsew erklärt uns: "Im Prinzip dürfen wir hier nicht einmal stehen. Auf dem Schild steht, dass es verboten ist, auf die umliegenden Waldwege zu fahren, Pilze oder Beeren zu sammeln."Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Juri Woroneschtsew zu Hause vor seinem Computer. Der pensionierte Physiker ist eine Berühmtheit: Er war der leitende Sekretär der sowjetischen Kommission, die die Ursachen des Unfalls von Tschernobyl untersucht und das Handeln der Behörden nach der Katastrophe beurteilt und ausgewertet hat.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Dieses Foto zeit ihn damals am Ort der Katastrophe. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren bis zu 800.000 Liquidatoren bei den Aufräumarbeiten in Tschernobyl tätig - zumeist junge Männer: Soldaten, Feuerwehrleute und Hubschrauberpiloten. Sie waren zum Teil extrem hohen Strahlungsdosen ausgesetzt. Nach Schätzungen der Liquidatoren-Verbände sind inzwischen etwa 100.000 von ihnen tot.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Juri Woroneschtsew zeigt uns die nördlichste Sperrzone Weißrusslands, 15 km nördlich von Gomel, etwa 140 km Luftlinie vom Unglücksreaktor entfernt. Obwohl es die Sperrzone Weißrusslands mit der größten Distanz zu Tschernobyl ist, mussten selbst dort die Bewohner in saubere Gebiete umgesiedelt werden.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Wir fahren an einigen Wäldern vorbei, die mit Radioaktivitäts-Schildern ausgewiesen sind. An einem halten wir an und wollen mit unserem Dosimeter selber messen, wie hoch die Strahlung ist.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Unser Dosimeter zeigt 0,88 Mikrosievert pro Stunde an, mehr als das Vierfache der natürlichen durchschnittlichen Strahlung in Deutschland.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Man könne hier zwar spazieren gehen, meint Woroneschtsew, hinlegen würde er sich aber nicht. Und Früchte würde er hier auf gar keinen Fall anbauen. Das Gerät zeige nur die oberflächliche Gamma-Strahlung, über die Alpha- und Beta-Strahlung verrate es nichts.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Nur 20 Meter vom gesperrten Wald treffen wir auf ein Feld, das landwirtschaftlich genutzt wird. Im Radius von 50 Metern könne man sehr unterschiedliche Verschmutzungen finden, erklärt Woroneschtsew. Während eine Parzelle sauber sei, könne der Boden auf einem anderen Feld nur zehn Meter weiter kontaminiert sein.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Bis 0,40 Mikrosievert pro Stunde sei alles im Normalbereich, sagt Woroneschtsew. Unser Dosimeter zeigt nur 0,31 Mikrosievert pro Stunde an. Weniger als im Wald, aber doppelt so hoch wie in Gomel, so der Physiker. Dennoch wird hier Landwirtschaft betrieben - gefördert von der weißrussischen Regierung.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Mit gesundem Menschenverstand sei die Landwirtschaft hier nicht zu erklären, meint Woroneschtsew. Die Nutzung dieser Böden werfe letztlich viel weniger Gewinn ab als die Investition in saubere Böden, von denen es in Belarus mehr als genug gebe. Und auch wenn mit Hilfe spezieller Düngemittel und anderer Stoffe, die Radionuklide binden, Landwirtschaft betrieben werde, …Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
…dürfe man den Traktoristen nicht vergessen, der dieses schmutzige Feld beackert und den Staub einatmet. Ob sich der Traktorist, der hier gerade arbeitet, über die Gefahr, der er sich aussetzt, bewusst ist, weiß auch Juri Woroneschtsew nicht.Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Eines weiß er jedoch ganz genau: Das Programm, das er in der Tschernobylkommission der UdSSR entwickelt hat und das selbst das geringste Risiko für die Bevölkerung ausschließen wollte, hat Landwirtschaft in der kontaminierten Region Weißrusslands niemals auch nur in Betracht gezogen. (Über dieses Thema berichtet MDR AKTUELL auch im TV: 27.04.2018)Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
Plötzlich warnt ein Schild am Straßenrand vor der hohen Strahlung. Woroneschtsew erklärt uns: "Im Prinzip dürfen wir hier nicht einmal stehen. Auf dem Schild steht, dass es verboten ist, auf die umliegenden Waldwege zu fahren, Pilze oder Beeren zu sammeln."Bildrechte: Katrin Molnár / MDR
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