Durchgestrichenes Polexit-Schild wird hochgehalten.
Demonstration für den Verbleib Polens in der EU am 10. Oktober 2021 in Krakau Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Polen Polens Justizstreit mit der EU: Droht ein Polexit?

19. Oktober 2021, 16:01 Uhr

Unlängst entschied der polnische Verfassungsgerichtshof, dass nationales Recht Vorrang vor europäischem Recht habe. Brüssel droht mit Sanktionen. Polen wirft der EU Erpressung vor. Droht ein Polexit? Ein Gespräch mit unserer Ostbloggerin Olivia Kortas.

Der Rechtsstreit zwischen der EU und Polen um nationales und internationales Recht droht zu eskalieren. Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki warf der Europäischen Union "Erpressung" vor. "Ich bin nicht damit einverstanden, dass Politiker Polen erpressen wollen und Polen drohen", sagte der Ministerpräsident vor dem EU-Parlament in Straßburg. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt dagegen: Die EU werde "es nicht zulassen, dass unsere gemeinsamen Werte aufs Spiel gesetzt werden". Man werde "mit allen Mitteln" gegen Verstöße reagieren.

Anlass für den neuerlichen Konflikt zwischen Warschau und Brüssel war ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofes zum EU-Recht. Darin heißt es: Nationales Recht hat Vorrang vor EU-Recht. Aber laut EU-Verträgen gilt das genaue Gegenteil. Entsprechend setzte es heftige Kritik aus Brüssel. Ursula von der Leyen sagte beispielsweise, sie wolle den Vorrang des EU-Rechts mit allen Mitteln durchsetzen. Steht Polen also vor einem Austritt aus der EU, einem Polexit? Die überwiegende Mehrheit der Polen wolle das nicht, meint unsere Ostbloggerin Olivia Kortas. Ein Gespräch.

Wie wichtig ist dieses Thema den Polinnen und Polen, wie intensiv wird es dikutiert?

Olivia Kortas:

Sehr intensiv und sehr emotional. Man muss sich ja vorstellen, dass dieser Justizstreit seit sechs Jahren andauert. Seit 2015 gtreift die Regierungspartei PiS ständig die Unabhängigkeit der Justiz an. Und trotz der gewissen Ermüdung gingen am 10. Oktober wieder Hunderttausende in ganz Polen auf die Straße, denn dieses Urteil wird als neue Eskalationsstufe verstanden. Und auf der anderen Seite stehen die Anhänger der Regierungspartei, die dieses Urteil begrüßen. Die sehen das aber auch nicht als das Ende Polens in der EU, sondern als einen Sieg Polens im Streit mit der EU. Das Motto lautet: Wir brechen das EU-Recht keineswegs, sondern die EU verstößt gegen die polnische Verfassung.

Pro EU Demonstration In Krakow
Pro-Eu-Demonstration am 10. Oktober 2021 in Krakau Bildrechte: imago images/NurPhoto

Dann wäre die Konsequenz, aus der EU auszutreten. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung?

Die Polinnen und Polen wollen einen Austritt aus der EU auf keinen Fall. Eine jüngste Umfrage ergab, dass nur fünf Prozent der Bevölkerung tatsächlich aus der EU austreten wollen. Also die Polen lieben die EU.

Aber warum sucht dann die Regierungspartei ständig den Streit mit der EU, wenn man doch gar nicht austreten will?

Die Regierung schaut vor allen nach innen. Es geht ihr um den Machterhalt. Die Botschaft lautet: Seht her, unsere Politik ist rechtskonform, wir haben eine starke Stimme in Europa, Europa kann uns nicht verbieten, was wir zu tun und zu lassen haben.

Wird denn die PiS-Regierung ihre Politik ein wenig ändern, um den Konflikt zu entschärfen?

Es gab immer in der Vergangenheit extreme und starke Parolen und Forderungen der PiS-Regierung. Darauf folgte dann aber auch immer ein leichtes Einknicken und das Relativieren der Parolen und Forderungen. Das werden wir auch im aktuellen Streit wieder beobachten können. Man wird wieder näher an die EU heranrücken, um in einem halben Jahr einen erneuten Vorstoß gegen Europa zu wagen.

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Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell Radio | 16. Oktober 2021 | 11:15 Uhr

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