Analyse Von Thüringer Hack bis nach Europa - Ein Kommentar zum TV-Duell zwischen Höcke und Voigt
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12. April 2024, 11:45 Uhr
Selten hat ein TV-Duell zu einer Landtagswahl so polarisiert. Beim Schlagabtausch zur Landtagswahl macht Björn Höcke das, was man von ihm erwartet, während Mario Voigt allen Fans einer AfD-CDU-Koalition eine klare Absage erteilt.
Ups - das hätte ich nie gedacht. Dass mich, den gebürtigen Westfalen, ausgerechnet Björn Höcke vor einem schweren Fehler bewahrt. Da spricht der AfD-Chef im TV-Duell doch tatsächlich von "Mettbrötchen" und wird dafür von seinem Kontrahenten Mario Voigt, CDU-Chef und anders als Höcke in Thüringen zur Welt gekommen, ordentlich hochgenommen - "Sie verstehen nichts von Thüringen."
Alles Rausreden nutzt Höcke nichts und ich weiß jetzt, dass Gehacktes als Mett zu bezeichnen hierzulande ein mächtig großer Fehler ist. In der Bundespolitik kann man stolpern, wenn man als Kanzlerkandidat brutto nicht von netto unterscheiden kann. In Thüringen lauert die Gefahr im Zweifelsfall im Hackepeter.
Streitfall Europa
Dabei sollte es eigentlich um Europa gehen. Wohlstandsmaschine für Deutschland oder Geldvernichtungsorganisation? Von Höcke kommt die übliche AfD-Erzählung vom bürokratischen Monster in Brüssel, das den gemeinen Thüringer am Gängelband führt und ihm das Geld aus der Tasche saugt - also die übliche steile These in einem Bundesland, das seit der Wende in Größenordnungen von Zahlungen aus Brüssel profitiert. Was man auch gar nicht übersehen kann, wenn man offenen Auges durchs Land geht.
CDU-Chef Voigt wirkt trotzdem am Anfang ein bisschen verdutzt, fängt sich dann aber und kontert mit dem Bild vom europäischen Haus, das schützt und birgt und wo bestenfalls mal der Wasserhahn tropft oder ein Fenster kaputt ist.
Opposition light gegen Opposition pur
Aber wer ist jetzt die bessere Opposition, und wenn ja, wogegen? Das Duell hat deutlich gezeigt, wie tückisch ein Wettlauf in dieser Disziplin für die CDU ist - wer als Populist kein Problem hat, unabhängig von Fakten zu argumentieren, ist dabei klar im Vorteil - etwa wenn die Streichung der deutschen Entwicklungshilfe als Lösung für sämtliche Finanzprobleme bezeichnet wird. Oder wenn beide Kontrahenten Ausländerkriminalität durch umfassende Abschiebungen lösen wollen.
Wer so etwas befürwortet, wem glaubt der wohl? Opposition light ist im Wettbewerb mit Fundamentalopposition nur mäßig sexy.
Für das Duell hatte sich Mario Voigt vorgenommen, zwei Botschaften bei der AfD-Anhängerschaft zu platzieren: Die CDU versteht eure Sorgen und Nöte, aber hat anders als eure Parteiführung auch Lösungsvorschläge parat. Nach dem Genuss des ganzen Schlagabtauschs darf man vermuten, dass ihm das nur bedingt gelungen ist.
Die zweite Botschaft konnte er dagegen besser platzieren. Ganz am Schluss des Duells erneuerte er seine Absage an jedwede Koalition mit der AfD nach den Landtagswahlen und suggerierte damit: Wer AfD wählt, verschenkt seine Stimme, weil der Partei die Koalitionspartner fehlen.
Mario Voigt: "Sie sind nicht bürgerlich, sie sind völkisch“
Tatsächlich hat Björn Höcke in den vergangenen Jahren viel dafür getan, um mögliche Sympathisanten in den bürgerlichen Parteien zu vergraulen. Seine öffentlich vorgetragenen extremistischen Äußerungen wirken toxisch für jede CDU-AfD-Koalitionsüberlegung.
Im TV-Duell machte der AfD-Führer das, was er in solchen Fällen immer tut: Konfrontiert mit seinen Äußerungen deutete er sie um ("Denkmal der Schande"), berief sich auf Unwissenheit (Verwendung von SA-Parolen) oder konnte sich nicht mehr erinnern, als es um Passagen aus einem von ihm verfassten programmatischen Buch ging. Glaubwürdig wirkte das nicht.
Was bleibt? Wer hat gewonnen?
Björn Höcke hat in den "Mainstream-Medien" viel Material gesammelt, das seine Getreuen jetzt zu Propaganda-Schnipseln für AfD-Social-Media-Kanäle zusammenschneiden werden. Aber noch mehr aufgegangen ist das Kalkül von Mario Voigt.
In der von ihm bewusst gesuchten und medial hochgejazzten TV-Debatte ist er nicht untergegangen. Er ist ruhig geblieben, obwohl sich der Gottseibeiuns des deutschen Parteiensystems nur einen Meter neben ihm zeitweise wie Rumpelstilzchen aufgeführt hat. Und der Thüringer CDU-Chef hat erreicht, wovon Wahlkämpfer wie er in der Herausforderer-Position träumen – Bekanntheit. Medienecho. Thema von Kommentaren und Expertenrunden sein.
Mehr Hintergründe zum TV-Duell
Wie Experten das TV-Duell zwischen Voigt und Höcke einschätzen, erfahren Sie hier. Die Pressestimmen haben wir hier zusammengefasst. Nachgelesen werden kann das Duell hier. Eine kurze Zusammenfassung lesen Sie hier. Einen Angriff auf einen Reporter von Welt TV gab es nach der Debatte bei einer Liveübertragung in Erfurt.
Anmerkung der Redaktion: Das TV-Duell zwischen Mario Voigt und Björn Höcke am Donnerstagabend ist unter dem Hauptartikel "Was ist gut für Thüringen? - Höcke und Voigt liefern sich Schlagabtausch" kommentierbar, um die Diskussion zu bündeln.
MDR (nir)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. April 2024 | 19:00 Uhr