Geschichte Welchen Hintergrund hatte das Fußballspiel 1949 im Grenzgebiet bei Sonneberg?
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18. September 2024, 17:30 Uhr
Ein Rückspiel nach 75 Jahren - was ist das denn? Am 31. Juli 1949 spielten die Fußballer der Zentralen Betriebssportgemeinschaft Industrie Sonneberg und der VfL Neustadt gegeneinander. 75 Jahre und ein paar Tage später - am 18. September 2024 - gibt es nun das Rückspiel. Welchen Hintergrund das hat, erklärt Thomas Becker, Redakteur für Hörerfragen.
Wir schreiben den 31. Juli 1949. Die Fußballer der Zentralen Betriebssportgemeinschaft Industrie Sonneberg und der VfL Neustadt treten auf einem grenznahen Acker gegeneinander an. Ein Spiel für die "Deutsche Einheit" mit 25.000 Zuschauern. 75 Jahre später nun: Das Rückspiel.
Sportlich gab es 1949 eine Überraschung, der VfL war eingespielt und klarer Favorit, es gewannen aber die Sonneberger mit 2:0. Der Platz mag seinen Teil dazu beigetragen haben, es war ein Acker im wahrsten Sinne des Wortes, irgendwo an der damaligen Zonengrenze zwischen Bayern und Thüringen.
Das offizielle Rückspiel findet am 18. September 2024 um 18 Uhr im schicken Sonneberger Stadion statt, der Eintritt ist frei, geplant ist ein Abend mit Volksfestcharakter - mit Hüpfburg, Bratwurst und Bier. Es ist aber auch eine gute Gelegenheit, die historischen Hintergründe zu beleuchten. Und da bekommt die Fußballromantik leichte Risse.
Alles nur Ost-Propaganda?
Das Spiel 1949 sollte ein Brückenschlag sein, schrieben die Zeitungen in der Sowjetischen Besatzungszone. Es war eingebettet in eine Veranstaltung, die es häufiger gab in diesen Monaten. Am 23. Mai 1949 wurde die Bundesrepublik gegründet, was die Teilung quasi schon zementierte, obwohl auf beiden Seiten der "Zonengrenze" die Deutsche Einheit durchaus ein Ziel war. Es gab eben nur unterschiedliche Vorstellungen, was die Gesellschaftsordnung betraf.
"Deutsche an einen Tisch" forderte die SED und wollte nicht, dass dort auch die Siegermächte Platz nehmen. Der Plan: Der Sozialismus für ganz Deutschland, Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte nichts gegen Verhandlungen über die Einheit, sah aber eher freie Wahlen als Voraussetzung. Diese waren allerdings nicht im Sinne der SED. Eine klassische Patt-Situation.
Region gehörte schon immer zusammen
Im Ergebnis dieses Spannungsfeldes wurden seitens der Ostzone in den Grenzgebieten sogenannte Grenzlandkundgebungen organisiert, die den Nerv der Menschen auf beiden Seiten der Grenze trafen.
In diesem Kontext fand auch das Fußballspiel von Sonneberg statt, dessen Zuschauerzahl von 25.000 sich eher auf die Gesamtveranstaltung bezog. Es war eine Völkerwanderung mit großen Reden, die die Menschen begeisterten. Denn natürlich gehörte die Region schon immer zusammen, man hatte berufliche Kontakte, Freunde und Familie auf der jeweils anderen Seite.
"Wir wollen die Einheit Deutschlands"
Ein Transparent der Sonneberger Fußballer - mit der Aufschrift "Wir wollen die Einheit Deutschlands" war ganz sicher grenzübergreifend abgesprochen. Anders ist es nicht zu erklären, dass beim Einmarsch der Mannschaften die Neustädter mit einem "Und wir auch!"-Plakat antworteten. Der Jubel der Zuschauer angesichts der Botschaften war im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlos.
Von der Ostseite redeten dann noch Werner Hirschmann, ein Vertreter der Nationalen Front, und Friedrich Florey aus Sonneberg. Dessen Dank ging an die sowjetische Besatzungsmacht, die das große Grenztreffen möglich gemacht habe. Was insofern stimmt, dass die amerikanische Besatzungsmacht von solchen Veranstaltungen immer erst erfuhr, wenn die beiderseits streng bewachte Grenze von tausenden Menschen geflutet wurde.
Nicht ungefährlich
Ein nicht ganz ungefährliches Vorgehen, schließlich waren Waffen im Spiel. Man hat es in Kauf genommen und hätte es sicher auch sehr gut ausgeschlachtet, wenn Schlimmeres passiert wäre. Bei einer ähnlichen Veranstaltung einige Wochen später gab es zum Beispiel Warnschüsse und Festnahmen durch die Amerikaner.
Als Vertreter des Westens redete am Rande des Fußballspiels Max Kuß, Kandidat für die Bundestagswahl der später verbotenen KPD. Er war wie seine Vorredner aus der Ostzone für den Weltfrieden und sorgte, wie das "Thüringer Volk", die dortige Zeitung, am 1. August 1949 schrieb: "Für heiße Ergriffenheit" bei den Anwesenden:
"Schaut auf die Wälder des Frankenlands! Schaut auf die Berge des Thüringer Landes! Unser aller sind diese Naturschönheiten! Wir wollen deshalb geloben: Wir ruhen nicht eher, bis wir mit euch vereint sind, bis keine Schlagbäume mehr stehen. Wir wollen wieder frei sein, wir wollen nach Coburg und nach Sonneberg, wir wollen zusammen nach Deutschland zurück."
Deutschland einig Vaterland?
Die Menschen der Region waren sich damals einig, dass sie zusammengehören. Es gab sehr zeitnah auch noch weitere Fußballspiele zwischen beiden Mannschaften. Der kleine Grenzverkehr mit Passierscheinen und anderen Berechtigungen ermöglichte auch noch einige Jahre Kontakte, obwohl die DDR-Seite mit der Aktion "Ungeziefer" 1952 ganze Dörfer, die direkt im Grenzgebiet lagen, umsiedelte und dem Erdboden gleichmachte. Nach Deutscher Einheit und regionaler Verbundenheit sah das dann nicht mehr aus, da sich die Betroffenen plötzlich in Cottbus oder noch entfernteren Orten wiederfanden.
Der Vater von Dieter Althans floh damals zu den Nachbarn ins Frankenland und holte seine Frau und Sohn Dieter nach. Er spielte im Westen auch weiter Fußball. 1960 gab es dann noch einmal ein Spiel zwischen Sonneberg und Neustadt, ein Jahr später machten Mauer und Grenzzäune solche Spiele für Jahrzehnte unmöglich.
Das Rückspiel 2024 von Sonneberg passt gut in eine Zeit, in der es Menschen gibt, die sich tatsächlich die Mauer zurückwünschen. Die sollten wissen, was das einst mit den Menschen in den Grenzregionen gemacht hat. Und es ist auch das Ansinnen von Initiator Dieter Althans, mit diesem Rückspiel Sonneberg aus den Negativschlagzeilen der letzten Monate herauszuholen. Die Menschen und die Region hätten es verdient.
MDR (thk)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 18. September 2024 | 16:40 Uhr
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