Treuer Begleiter "Der Hund ist mein Augenlicht": Warum es jetzt Ausweise für Assistenzhunde gibt
Hauptinhalt
16. April 2025, 18:00 Uhr
Seit Anfang des Jahres brauchen Assistenzhunde einen Ausweis. Unter anderem soll er für mehr Akzeptanz von Hund und Herrchen sorgen. Nämlich dann, wenn der Hund mal mit in den Supermarkt soll. Doch es knirscht noch bei der Transparenz und der Ausbildung.
- Seit dem 1. Januar 2025 ist ein Ausweisdokument für Assistenzhunde und ihre Halter verpflichtend.
- Eine spezielle Verordnung legt fest, wie die Hunde ausgebildet und geprüft werden.
- Problem: Es fehlt an zertifizierten Prüfern und eine Übergangsfrist ist lange abgelaufen.
"Raus" und "Such Ausgang" - damit startet bei Walter Fischer und seinem Blindenhund Ted jeder Spaziergang. Dann tapst Ted samt Herrchen in den Hausflur. Der ausgebildete Blindenführhund trägt Halsband, Geschirr mit Glöckchen und Hundemarke. Am Griff leuchtet eine Plakette mit der Aufschrift "Assistenzhund".
Blindenhunde lernen mehr als 30 Befehle
Walter Fischer und Ted wohnen in Sonneberg und sind seit 2019 ein Team. Mehr als 30 Befehle kennt Ted: "Zebra" für den Zebrastreifen oder "Schalter", wenn Walter Fischer Geld abheben möchte. Diese Befehle braucht Fischer für seine täglichen Wege.
Schon, bis er aus der Tür raus ist, hat Ted mindestens fünf Befehle absolviert. Dafür darf Ted auch überall mit rein - eigentlich. In den Supermarkt oder zum Amt - zumindest hier im Stadtteil Wolkenrasen und der Stadt Sonneberg sei das kein Problem. "Die kennen Ted und freuen sich, wenn er dabei ist", sagt er.
Aber das sei nicht immer so: Die beiden seien auch schon häufig abgewiesen worden, so Fischer, unter anderem bei einem Ausflug in den Erfurter Egapark. Auch ein Ausweis, der von der Hundeschule ausgestellt wurde, sei damals nicht akzeptiert worden.
Bis Ende vergangenen Jahres war der 70-jährige Leiter der Fachgruppe für Blindenhundeführer in Thüringen. Das langjährige Amt habe er aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Er war Ansprechpartner für alle Blindenhundeführer und immer im Austausch mit anderen Bundesländern. Regelmäßig seien Beschwerden bei ihm gelandet, weil Sehbehinderte mit ihrem Hund beispielsweise nicht in den Bäcker oder in eine Arztpraxis gekommen seien.
Ausweis gilt seit Januar 2025
Das soll sich nun ändern. Seit dem 1. Januar 2025 ist ein Ausweisdokument für Assistenzhunde und ihre Halter verpflichtend. Ausgestellt wird es vom Thüringer Landesverwaltungsamt und gilt bundesweit. "Wir sind froh, dass dieser Ausweis gekommen ist, es kann kein Schindluder mehr betrieben werden", sagt Walter Fischer.
Wir sind froh, dass dieser Ausweis gekommen ist, es kann kein Schindluder mehr betrieben werden.
Damit meint er Menschen, die einfach eine Warndecke an den Hund gebunden hätten, um ihn mit zum Einkaufen nehmen zu dürfen. Es fehlte eben ein verbindliches Dokument, das den Mensch-Hund-Teams den Zutritt in Läden und Institutionen zusicherte. Dass diejenigen, die den Hund wirklich brauchen, etwas in der Hand haben. Der Ausweis stehe auch über dem Hausrecht.
Wie Walter Fischer sagt, hilft der Ausweis auch, die Hunde als wichtigen Begleiter sichtbar zu machen. Beleidigungen oder Kommentare von Passanten, wozu er den Hund hier oder dort brauche, könne er nicht verstehen.
Der Hund ist mein Augenlicht.
Er nehme Ted ja nicht aus Spaß mit in die Kaufhalle: "Dein Hund bleibt draußen, aber du darfst rein. Das ist, als ob jemand seinen Rollstuhl draußen stehen lassen muss." Ted bedeutet für Walter Fischer viel. Er gibt ihm Sicherheit und Selbstständigkeit. "Der Hund ist mein Augenlicht".
Vor etwa einem Jahr konnten die Ausweise erstmalig beantragt werden. In Thüringen sind im vergangenen Jahr 36 Assistenzhunde zugelassen worden - davon 23 Blindenführhunde. Dazu zählt auch Ted. Wie das Landesverwaltungsamt mitteilt, sind im Jahr 2024 alle gestellten Anträge bewilligt worden.
Viele wissen nichts vom Ausweis
13 weitere sind beispielsweise Signalhunde, die Epilepsieanfälle erkennen oder Servicehunde, die ihren Menschen bei psychischen Krankheiten beistehen. Fischer geht davon aus, dass die meisten der Antragsteller jene sind, die bereits eine abgeschlossene Ausbildung nachweisen können und etliche Hundeführer noch gar nicht wissen, dass oder wie sie den Ausweis beantragen können.
Hintergrund für den neuen Ausweis ist das Behindertengleichstellungsgesetz, welches regelt, dass Menschen mit Behinderung der Zutritt zu öffentlichen oder privaten Anlagen nicht wegen ihres Assistenzhundes verweigert werden darf.
Hierzu trat im März 2023 bundesweit eine Assistenzhundeverordnung (AHundV) in Kraft. Sie hält verbindlich fest, wann sich Hunde für die Assistenz eignen, wie sie ausgebildet und geprüft werden. Und sie legt fest, dass Assistenzhunde ihren Halter auch begleiten dürfen.
Ausbildung der Hunde unterscheidet sich
Blindenhunde- und Assistenzhundeausbilder stehen hier vor unterschiedlichen Herausforderungen. Einer der Blindenhundeausbilder ist Thomas Becher aus Arnstadt. Hunde für sehbehinderte Menschen werden laut Thomas Becher wie gehabt ausgebildet. Demnach werden die Hunde eingearbeitet und von sogenannten Gespannprüfern geprüft.
Probleme gibt es hingegen offenbar bei der Ausbildung der Assistenzhunde. Denn mit dem neuen Gesetz dürfen nur zertifizierte Ausbildungsstätten offiziell Assistenzhunde ausbilden. Eine Stelle, die Hundeschulen zertifizieren kann, gibt es bisher nicht, heißt es aus Fachkreisen.
Was muss ein Assistenzhund können und was ein Blindenhund?
- Ein Assistenzhund begleitet einen Menschen rund um die Uhr. Er muss mindestens drei Aufgaben können, die seinem Menschen direkt helfen. Das unterscheidet ihn von den Therapiehunden, die vor allem emotional unterstützen.
- Assistenzhunde dagegen durchlaufen eine mindestens zweijährige Ausbildung. Zum Beispiel dürfen Assistenzhunde auch dorthin, wo Hunde normalerweise nicht erlaubt sind wie im Supermarkt oder in einigen öffentlichen Gebäuden.
- Assistenzhunde sind zu erkennen an einem besonderen Geschirr und oft an einer speziellen Leine.
- Blindenführhunde assistieren sehbehinderten Menschen, indem sie Hindernisse, Ein- und Ausgänge, Schalter oder Treppenstufen erkennen und ihren Menschen sicher durch den Straßenverkehr bringen. Die Ausbildung ist besonders anspruchsvoll, weil Hunde eigentlich besser riechen und hören können als sehen. Ihr räumliches Sehen muss besonders trainiert werden.
Quelle: Malteser
Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hatte es eine Übergangsphase gegeben. Diese endete am 30. Juni 2024. Bis dahin konnten Hunde noch nach den alten Regeln geprüft werden. Eine Hundetrainerin sagte MDR THÜRINGEN, man hänge jetzt in der Luft.
Auf der Website des Bundessozialministerium heißt es (Stand Februar 2025): "Die dafür notwendigen Rechtsänderungen können erst in der nächsten Legislaturperiode verabschiedet werden".
Für den Ausweis werden neben der bestandenen Prüfung die Geburtsdaten und Fotos von Hund und Halter benötigt. Der Ausweis bleibt gültig bis zum zehnten Lebensjahr des Hundes. Danach kann er mit Vorlage eines Attestes vom Tierarzt zweimal um jeweils bis zu zwölf Monate verlängert werden.
Auch Ted liegt mit seinen zehn Jahren bald außerhalb der Frist. Aber er sei noch fit und soll auch nochmal mindestens ein Jahr "arbeiten".
Blindenhunde sind teuer
Mittlerweile nehme Ted es auch nicht mehr so genau. Er laufe auch mal einfach über eine Erhöhung hinweg, obwohl er gelernt hat, stehen zu bleiben. Aber ein Blindenhund sei sehr teuer, sagt Walter Fischer.
Solange Ted noch zum großen Teil seine Aufgaben erfüllen kann und noch nicht im Ruhestand ist, könne er keinen neuen Hund bei der Krankenkasse beantragen. Ein neuer, junger und frisch ausgebildeter Blindenhund werde zwischen 40.000 und 50.000 Euro gehandelt, sagt auch Thomas Becher.
Die Kosten für die Ausbildung trägt der Hundetrainer erst einmal selbst. Erst wenn der Hund erfolgreich beim Versicherten ankommt und nicht vorher ausgemustert wird, erhält er auch Geld für die jahrelange Ausbildung von der Kasse.
Die Ausbildung der Blindenhunde werde anders gehandhabt als die der Assistenzhunde. Derzeit gebe es noch Prüfer für Blindenhunde. Der Ausweis habe in diesem Bereich bisher also nichts geändert.
Ausweis soll die Teams sichtbar machen
Die Akzeptanz und Sichtbarkeit der tierischen Begleiter habe in den vergangenen Jahren bereits deutlich zugelegt, so Becher, "da hat sich schon viel getan". Das habe mit der Öffentlichkeitsarbeit zu tun, die betrieben wurde.
Ted ist ein wichtiges Hilfsmittel für mich, aber er ist auch wie ein Kind für uns.
Dass der Ausweis jetzt nochmal mehr Schwung reinbringt, bezweifelt er. Dazu ist er noch nicht bekannt genug außerhalb der Verbände und Hundeausbildungsbranche. Das sagt auch Walter Fischer. Bisher sei er noch nicht nach dem neuen Ausweis gefragt worden.
Alle paar Tage riefe ihn jemand an, der danach fragt, wie man an den Ausweis kommt. Das geht über einen Antrag des Landesverwaltungsamts. Einen Nachfolger für Walter Fischer in der Thüringer Fachgruppe für die Blindenführhunde gebe es noch nicht, wie er selbst sagt.
Sollte er mal aus seinem Beruf als Blindenführhund entlassen werden, dann möchte Walter Fischer Ted gerne behalten. Dann bekäme er zwar keinen Zuschuss für Futter und Tierarzt mehr, aber abgeben, "das geht nicht". Auch den letzten Hund hatte er noch, als Ted eingezogen ist. "Er ist ein wichtiges Hilfsmittel für mich, aber er ist auch wie ein Kind für uns."
Hinweis: Wir haben den Beitrag nachträglich um Details zur Ausbildung der Assistenzhunde ergänzt.
MDR (lou/sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 16. April 2025 | 18:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/33007b2b-cda5-4e3d-8232-299192a1f465 was not found on this server.