Nachwuchsgewinnung Wie der Mädchenfußball in Thüringen gestärkt werden kann
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01. April 2022, 21:02 Uhr
Während die meisten Mädchen- und Frauenfußballvereine in Thüringen um Nachwuchs ringen, sind die Zahlen beim ESV Lok Meiningen stabil. Wie gelingt das? Ein Treffen mit dem langjährigen Trainer Jürgen Herbst.
Beim Training der U15-Mädchenmannschaft sind beim ESV Lok Meiningen heute drei neue Mädchen dabei. Die 13-jährige Leni ist eine davon. "Früher war ich nicht so der Fußballfan", erzählt sie, durch Freunde sei sie dann mit dem Sport in Kontakt gekommen. Ihre Großeltern hätten sie dazu ermuntert, einem Verein beizutreten.
Jürgen Herbst freut sich über jeden Neuzugang. Seit 17 Jahren trainiert der heute 67-jährige die Mädchenmannschaften in Meiningen. Unter seiner Leitung hat sich der Standort neben Erfurt und Jena zu einer der wichtigsten Nachwuchsschmieden für den Thüringer Frauenfußball entwickelt. Angefangen hat Herbst im Jahr 2005, der ersten Einladung zu einem Schnuppertraining seien damals acht Mädchen gefolgt: "Heute haben wir fast 80 Spielerinnen", berichtet Herbst, auf diese Zahl sei er sehr stolz. Insgesamt gibt es beim ESV Lok Meiningen in der Frauenabteilung vier Mannschaften: eine U13, eine U15, eine U17 und eine Frauenmannschaft. Bei Wettkämpfen kann Trainer Jürgen Herbst aus den Vollen schöpfen. Eine luxuriöse Situation, von der die meisten anderen Thüringer Frauen- und Mädchenvereine nur träumen können.
Ballsport-AG als Einstiegsangebot
Herbst erklärt sich den Erfolg durch seine "langjährige geordnete Nachwuchsarbeit". Mädchen, die für Fußball zu begeistern sind, gebe es genug. Die Vereine müssten aber aktiv auf sie zu gehen. Herbst hat dafür Kooperationen mit mehreren Schulen in Meiningen geschlossen: "Wer wartet, hat verloren", so der Trainer. Einmal die Woche bietet Herbst in den Schulen Ballsport-AGs für Mädchen an. Dabei werde nicht nur Fußball, sondern auch Basketball und Volleyball gespielt: "Ich versuche ganz grundsätzlich ein Interesse für Teamsport mit Ball zu wecken", sagt Herbst. Auf diese Weise habe er in den letzten Jahren immer wieder Mädchen für seine Mannschaften dazu gewinnen können.
Die meisten Trainer bevorzugen Jungs
Jürgen Herbst sieht ein Grundproblem in Bezug auf den fehlenden Frauennachwuchs im Fußball darin, dass die meisten Trainer eher mit Jungs arbeiten wollen. Verstehen kann er das nicht: "Mädchen zu trainieren, ist eine dankbare Arbeit", das Training sei mit ihnen sehr konzentriert und es herrsche ein wahnsinniger Zusammenhalt. Um den Mädchenfußball wieder stark zu machen, brauche es engagierte Menschen "die sich dafür vor den Karren spannen".
Mädchen zu trainieren, ist eine dankbare Arbeit.
Ein Blick ins Trainerzimmer von Jürgen Herbst, in dem ein Pokal neben dem anderen steht, lässt vermuten, wie viel Lebenszeit Herbst selbst für den Frauenfußball gegeben hat. Seinen Angaben nach bekommt er für die Arbeitsstunden beim ESV Lok Meiningen eine Aufwandsentschädigung. Die Einnahmen deckten in etwa seine Fahrtkosten ab.
Schädliche Konkurrenz zwischen den Vereinen?
Horcht man in die Thüringer Frauenfußballszene ein, hört man auch Stimmen, die sagen, die kleinen Vereine litten unter den großen Platzhirschen aus Meiningen, Jena oder Erfurt. Weil alle Mädels dort spielten, fehlten die Spielerinnen anderswo. Auch bei Jürgen Herbst spielen Mädchen, die nicht aus Meiningen oder der Umgebung kommen. Teilweise kämen sie sogar aus den Nachbarlandkreisen, berichtet der Meininger Trainer.
Ich würde es doch begrüßen, wenn sich mehr reine Mädchenvereine gründen.
Jedoch nur, so Herbst, weil es bei Ihnen vor Ort keine Mädchenmannschaften gebe. "Ich würde es doch begrüßen, wenn sich mehr reine Mädchenvereine gründen", sagt er. Mädchen, die in Jungsmannschaften spielen, weil es keine Mädchenteams vor Ort gibt, bietet Herbst an, zusätzlich als Gast in einer seiner Mannschaften zu spielen. Nach Thüringer Fußballgesetz ist das erlaubt. "Natürlich nur, wenn die Mädchen Lust und die Vereine einverstanden sind", so der 67-Jährige. Ein Tabu dagegen sei, Spielerinnen aus anderen Mädchenvereinen anzuwerben - "So etwas mache ich nicht, das wäre sehr unsportlich."
Mehr Unterstützung vom DFB gewünscht
Auch wenn die Zahlen in Meiningen stabil sind, sorgt sich Jürgen Herbst sehr, um die Gesamtsituation des Frauenfußballs. In Thüringen kommen gar keine Spiele mehr auf Kreis- nur noch auf Landesebene zustande - und auch da teilweise nur mit Mühe und Not. Die Zahlen des Landesfußballverbands Thüringen bestätigen den immensen Rückgang von Mannschaften im Frauenbereich. Auf Landesebene hat sich die Zahl der Teams in den vergangenen zwanzig Jahren von ehemals 36 auf 18 halbiert. Auf Kreisebene liegt die Anzahl derzeit bei 30 Teams, vor knapp zehn Jahren waren es noch 66.
Jürgen Herbst wünscht sich grundsätzlich mehr Unterstützung vom Deutschen Fußball-Bund. "Warum kann er die Gründung von Mädchenvereinen nicht durch eine finanzielle Honorierung forcieren?" Zum Beispiel könnte der Verband doch neu gegründeten Vereinen ein Startkapital zahlen. Auch die neu gewählte Vize-Präsidentin des DFB, Silke Sinnig, hatte zuletzt ihre großen Sorgen um den fehlenden Nachwuchs im Frauenfußball geäußert und gleichzeitig angekündigt ihr Ohr näher an der Basis haben zu wollen. Vielleicht wäre mehr finanzielle Unterstützung für den Nachwuchs ohne viel Bürokratie, wie Jürgen Herbst es vorschlägt, ein erster Schritt in die richtige Richtung?
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 03. April 2022 | 19:00 Uhr
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