Landespolitik 120 Millionen Euro mehr Steuern: Land Thüringen sieht trotzdem kaum Spielraum
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01. November 2023, 19:55 Uhr
Der Herbst-Schätzung von Steuerexperten zufolge kann Thüringen 2023 mit rund 120 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen. Das meiste Geld ist aber schon gebunden. Aufgrund geringerer Einnahmen durch die neue Grunderwerbssteuer bereitet die Landesregierung zudem eine Klage am Verfassungsgericht vor.
Thüringen kann in diesem Jahr mit 120 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen. Das geht aus der Schätzung der Steuerexperten von Bund und Ländern hervor. Das Gros der Gelder kommt laut Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) vom Bund und ist gebunden.
Demnach seien 71 Millionen Euro für die gestiegenen Ausgaben für Flüchtlinge bestimmt, zwölf Millionen Euro für den öffentlichen Gesundheitsdienst. Nach Abzug dieser Gelder blieben reine Steuermehreinnahmen von lediglich 37 Millionen Euro übrig, so Taubert.
Tauberts Angaben zufolge muss das Land Thüringen zudem im kommenden Jahr bei den Steuern mit einem Minus von knapp 50 Millionen Euro rechnen. Hauptgrund dafür seien Mindereinnahmen, die auf die abgesenkte Grunderwerbsteuer zurückzuführen seien.
Landesregierung bereitet Klage beim Verfassungsgericht vor
Die Thüringer Landesregierung will zudem noch im November Klage beim Verfassungsgericht einreichen, nachdem CDU und FDP mit Stimmen der AfD die Senkung gegen die Stimmen der regierenden Parteien von Linke, SPD und Grünen beschlossen hatten. Allein im kommenden Jahr sorge die Grunderwerbssteuer für Einnahmeausfälle von 45 Millionen Euro für die Landeskasse, sagte Taubert bei der Vorlage der Ergebnisse der Herbst-Steuerschätzung. Laut Einnahmeprognose werde der finanzielle Spielraum des Landes kaum besser.
Bei der Klage werde sich das Land von Joachim Wieland, einem Finanz- und Steuerrechtler der Universität Speyer, vertreten lassen, so die Ministerin. Offen sei derzeit noch, ob die Klage gegen die Steuersenkung von 6,5 auf 5,0 Prozent, die im Januar 2024 in Kraft treten soll, mit einem Eilantrag verbunden werde.
Dem Land gehe es vor allem darum, vom höchsten Thüringer Gericht grundsätzlich klären zu lassen, ob der Landtag Gesetze beschließen kann, deren Finanzierung nicht geklärt sei, sagte Taubert. Die Regierung vertritt mit Verweis auf einen Passus in der Landesverfassung die Ansicht, dass der Landtag Gesetze, die zu Mindereinnahmen führen, nur dann beschließen kann, "wenn Deckung gewährleistet ist".
Kaum Auswirkung auf Immobilienmarkt
Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, warf der rot-rot-grünen Landesregierung vor, gegen die finanzielle Entlastung der Bürger zu klagen. "Diese Entlastung ist finanzpolitisch leistbar", erklärte Voigt, ohne Details zu nennen.
Nach Einschätzung der Notarkammer hat die Senkung der Grunderwerbssteuer bisher keine Auswirkungen auf den Immobilienmarkt im Freistaat. Höchstens in Einzelfällen komme es vor, dass potenzielle Erwerber von Häusern und Grundstücken ihre Kaufentscheidung zurückstellten.
Schwierige Verhandlungen zum Landeshaushalt
Taubert warnte die Landtagsfraktionen zudem angesichts der Mehreinnahmen vor neuen Ausgabewünschen. Sie rechne mit schwierigen Verhandlungen zum Landeshaushalt 2024, "weil nichts zusätzlich zu verteilen ist". Der Etatentwurf der Regierung mit einem Rekordvolumen von knapp 13,8 Milliarden wird seit Mitte September im Landtag beraten.
Thüringer Kommunen können mit kleinem Plus rechnen
Die Kommunen in Thüringen können laut der Steuerschätzung unabhängig davon in diesem Jahr mit einem kleinen Plus von drei Millionen Euro rechnen. Für 2024 werden für die Städte und Gemeinden Mehreinnahmen von acht Millionen geschätzt.
Regierungsfraktionen kritisieren Senung der Grunderwerbssteuer
Bei den Landtagsfraktionen sind die Ergebnisse der Steuerschätzung auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. Ronald Hande, finanzpolitischer Sprecher der Linken, bezeichnete die zu erwartenden Einnahmen als grundsätzlich solides Finanzfundament für Land und Kommunen. Aufgrund der Senkung der Grunderwerbsteuer gab Hande jedoch der CDU die Schuld daran, dass das Land im nächsten Jahr mit einem Rückgang der Einnahmen rechnen muss. Die Union betreibe unverantwortliche Politik.
Ähnlich äußerte sich die haushaltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Janine Merz. Bei den Haushaltsplanungen werde es notwendig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sagte sie MDR THÜRINGEN. Jeglichen Spielraum habe aber die Opposition durch die Senkung der Grunderwerbsteuer verhindert.
Olaf Müller, finanzpolitischen Sprecher der Grünen, sagte, die Steuerschätzung verursache zwar keine weiteren Einschnitte im Haushaltsentwurf 2024. Sie biete aber auch keine neuen Spielräume.
FDP kritisiert Klage vor Verfassungsgericht
FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich sagte, er stimme der Finanzministerin zu. Es gebe keinen finanziellen Spielraum mehr für rot-rot-grüne Träume. Kemmerich kritisierte allerdings Tauberts Äußerung, die Mindereinnahmen in den nächsten Jahren würden in einem Gesamthaushalt nicht ins Gewicht fallen. Denn gleichzeitig kündige die Landesregierung an, gegen die Senkung der Grunderwerbsteuer vor dem Verfassungsgericht klagen zu wollen, so Kemmerich.
MDR (wh/jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. November 2023 | 19:00 Uhr
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