Jede zweite Spielhalle betroffen Rot-Rot-Grün überstimmt: Umstrittenes Spielhallengesetz in Thüringen verabschiedet
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02. Februar 2023, 19:36 Uhr
CDU, FDP und AfD haben die Thüringer Minderheitsregierung beim Spielhallengesetz überstimmt. Rot-Rot-Grün ist empört. Laut Ministerium könnte fast jede zweite Spielhalle treffen. Doch der Verband gibt sich entspannt.
Im Thüringer Landtag haben Abgeordnete von AfD, CDU und FDP zusammen eine Änderung des Spielhallengesetzes verabschiedet - und damit Empörung in der rot-rot-grünen Koalition ausgelöst. Doch der Spielhallenverband sieht keine neuen Unsicherheiten.
Linke-Fraktionschef Steffen Dittes sagte am Mittwoch, es sei das erste Gesetz in dieser Legislatur, dessen Verabschiedung von Stimmen der AfD abhängig gewesen sei. FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich erklärte stattdessen in Richtung der Regierungsfraktionen: "Vielleicht machen wir das, was unserer Überzeugung entspricht und nicht Ihrem Willen."
Tiefensee warnt vor Gesetz
Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hatte vor der Abstimmung am Dienstag auch aus inhaltlichen Gründen eindringlich vor einer Verabschiedung gewarnt. Wann das Gesetz in Kraft tritt, steht noch nicht fest.
Hintergrund ist der seit 2021 bundesweit geltende Glücksspielstaatsvertrag. Dieser sieht seitdem strengere Regeln für das Betreiben von Spielhallen in Thüringen vor. Daher konnten die Glücksspiel-Betreiber Ausnahmeregelungen beantragen. Doch diese konnten bisher nicht entschieden werden, weil eine Prüfstelle diese zunächst zertifizieren musste. Allerdings hat diese Prüfstelle die Bundesregierung bisher nicht eingerichtet.
Zudem endet im April 2023 eine Duldungsfrist für Thüringer Spielhallen, die noch nach den weniger strengen Regeln aus der Zeit vor dem Glücksspielstaatsvertrag betrieben werden. Dabei geht es unter anderem um den Mindestabstand, den die einzelnen Spielhallen voneinander entfernt sein müssen.
Ministerium: Fast jede zweite Thüringer Spielhalle betroffen
Wenn das geänderte Gesetz in der nun beschlossenen Form im Kraft tritt, kann die Duldungsfrist nicht mehr geändert werden. Grund ist, dass diese Frist in einer Verordnung festgelegt ist. Doch der Verweis auf die Verordnung wurde in dem Gesetz, das die parlamentarische Gruppe der FDP eingereicht hatte und das mit den Stimmen von CDU und AfD dann entschieden wurde, gestrichen.
"Unsere Rechtsauffassung ist, dass ab dem 1. Mai 2023 sämtliche Spielhallen zu schließen wären, für die derzeit keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann", sagte Tiefensee im Landtag. Ohne eine Übergangsregelung ist laut dem Thüringer Wirtschaftsminister jede Spielhalle, die ohne eine Erlaubnis betrieben wird, illegal und fällt unter den Straftatbestand des unerlaubten Glücksspiels. Mit 144 könnte das fast jede zweite der 279 Thüringer Spielhallen betreffen, erklärte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage von MDR THÜRINGEN.
Spielhallenverband: Neues Gesetz bringt nicht mehr Unsicherheiten
Nach Ansicht des Spielhallenverbands sind durch das geänderte Gesetz nicht mehr Unsicherheiten als bisher. "Die Kollegen, die ich hier in Thüringen kenne, die haben meines Wissens nach mit der Zertifizierung alle schon begonnen", sagte Tobias Schneegans, Mitglied im Vorstand des Spielhallenverbands, der "Deutschen Presse-Agentur". Es sei möglich, die Anforderungen der derzeit gültigen Rechtsverordnung zu erfüllen. "Und damit ist mir im Prinzip eine weitere Duldung garantiert."
FDP spricht von mehr Rechtssicherheit für Spielhallen
Ein Sprecher der parlamentarischen Gruppe der FDP argumentierte am Mittwoch ähnlich, dass nicht das Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung entscheidend sei, sondern dass diese Genehmigung bis zum 30. April lediglich beantragt werden müsse. "Der Nachweis der Beantragung berechtigt zum weiteren Betrieb", sagte der Sprecher. Dafür schaffe das geänderte Gesetz nun Rechtssicherheit.
Die nunmehr geltende Rechtssicherheit war für die FDP ein Grund für, den Gesetzentwurf einzubringen. Durch ihn sollen "Interpretationsspielräume geschlossen, die Anwendung der Abstandsprivilegierung sichergestellt und Rechtsklarheit bei der Anwendung des Gesetzes gewährleistet werden", hieß es daher zur Begründung.
Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums wies die Begründung der FDP jedoch zurück: "Die FDP unterliegt hier einem Irrtum." Nur einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung zu stellen, reiche nicht aus, weil ohne eine Prüfstelle gar keine Ausnahmegenehmigung beantragt werden könne.
Selbst wenn man diese Rechtsauffassung, wie es die FDP tut, nicht teile, sei klar, dass es Rechtsunsicherheiten gebe, erklärte der Ministeriumsprecher weiter. "Allein deshalb wäre es wichtig gewesen, die Möglichkeit zu haben, in der Spielhallenverordnung die Duldungsfrist über den 30. April hinaus verlängern zu können", sagte der Sprecher. Dies sei nun aber nicht mehr möglich. "Das nunmehr geänderte Gesetz schafft also gerade keine Rechtssicherheit, sondern - und das völlig unnötig - Rechtsunsicherheit."
Linken-Politiker Dittes: "Miserables Gesetz" führt zu Rechtsstreit
Linken-Politiker Dittes erklärte außerdem, CDU, FDP und AfD hätten den Spielhallen-Bereich "vollkommen deregulieren" wollen. "Sie haben jetzt ein Gesetz auf den Weg gebracht, was ab dem 1. Mai zu erheblichen Rechtsstreitereien führen wird."
Nach Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörden würden die erteilten Ausnahmegenehmigungen dann auslaufen. Man habe "entgegen aller Warnungen ein miserables Gesetz" beschlossen, das zu mehr Rechtsunsicherheit führe.
MDR (co/rom)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 01. Februar 2023 | 12:00 Uhr
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