Sommerinterview Der Ehrgeizige: Georg Maier von der Thüringer SPD im Portrait

06. Juli 2023, 15:00 Uhr

Georg Maier ist omnipräsent. Der frühere Banker ist Landesvorsitzender der SPD, Thüringens Innenminister und stellvertretender Ministerpräsident. Und dennoch: Davon profitieren kann seine Partei offenbar nicht. In den Umfragen treten die SPD und ihr Spitzenkandidat Maier auf der Stelle.

Georg Maier hofft irgendwie auf den Kanzler-Effekt. Denn im Grunde geht es dem 56-Jährigen wie dem jetzigen Regierungschef in Berlin: Vor der Bundestagswahl 2021 hatten nur die Wenigsten Olaf Scholz ernsthaft auf der Rechnung. Zu schlecht waren die persönlichen Beliebtheitswerte und die Zustimmung zur SPD. Jetzt sind Scholz Kanzler und die Sozialdemokraten an der Macht.

Weil es durchaus Parallelen zwischen den Ausgangslagen gibt, will Maier in Thüringen eine ähnliche Geschichte schreiben. In den Umfragen liegt der Thüringer Landesverband zwar gerade mal so im zweistelligen Bereich. Aber der Siegeszug der Genossen im Bund soll, wenn es nach dem amtierenden Innenminister geht, eine Blaupause für ihn und seinen Thüringer Landesverband werden.

Maiers Spekulationen

Georg Maiers Stärke könnte dabei vor allem die Schwäche der Mitbewerber werden. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow befindet sich im Sinkflug, genau wie die Zufriedenheit mit der Arbeit des Amtsinhabers. CDU-Herausforderer Mario Voigt kämpft persönlich gegen Korruptionsvorwürfe und innerparteilich gegen einen Richtungsstreit an.

Die Grünen haben nach ihrer Ministerrochade kein nennenswert bekanntes Spitzenpersonal mehr. Und die führenden Köpfe von AfD und FDP, Björn Höcke und Thomas Kemmerich, polarisieren derart und sind erklärt ausgegrenzt, dass sie keine ernsthafte Option für den begehrten Chef-Posten in der Staatskanzlei darstellen.

Mario Voigt, CDU-Fraktionschef, spricht im Plenarsaal des Thüringer Landtags, dahinter Heike Taubert (SPD), Finanzministerin von Thüringen, und Georg Maier (SPD), Minister für Inneres und Kommunales von Thüringen
Georg Maier im Erfurter Landtag. Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Maier dagegen kommt skandalfrei daher und hat seine Vita über die Jahre mit reichlich politischen Meriten angereichert: Seit 2017 ist er Innenminister, seit 2020 Landesvorsitzender seiner Partei und seit 2021 auch Vize-Ministerpräsident des Landes.

Wenn da nicht…

Maiers Verhängnis könnte die Lage in der eigenen Partei werden. Dabei ist der Grund nicht mal das Dauertief in den Umfragen, in denen die Thüringer SPD zuletzt kontinuierlich in den einstelligen Bereich abzurutschen droht. Vielmehr ist es die innerparteiliche Atmosphäre, die alles andere als Harmonie und Zusammenhalt vermuten lassen und Maiers Karriereplänen einen Strich durch die Rechnung zu machen drohen.

Denn anders als seinem Vorgänger, Wolfgang Tiefensee, gelingt es dem früheren Banken-Manager nicht, die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Seit inzwischen fast einem Jahr trägt die Thüringer SPD unter den Augen ihres Landesvorsitzenden einen internen Streit aus, der - so berichten es gut vernetzte Genossen - seinen Ursprung in persönlichen Aversionen und Verlustängsten hat. Zu befrieden vermochte Maier die Zustände bislang nicht.

Ränkespiele und Richtungsstreit

Ihren Lauf nahmen die Grabenkämpfe in der Thüringen SPD im September 2022. Auf dem Landesparteitag in Suhl, also ausgerechnet beim Heimspiel im eigenen Wahlkreis, war die bis dahin amtierende Vize-Landesvorsitzende Diana Lehmann überraschend nicht wiedergewählt worden. Vor allem die großen Kreisverbände Erfurt und Jena sollen gegen die aufstrebende Lehmann opponiert und Mehrheiten gegen sie organisiert haben.

Anlass: Lehmann gilt dem konservativem Lager in der Partei als zu links und unbequem. Als Landes-Vize wäre der 40-Jährigen zudem ein aussichtsreicher Listenplatz bei der anstehenden Landtagswahl 2024 nicht zu verwehren gewiesen. Die Konsequenz: Intern ebenfalls gut vernetzte SPD-Frauen wie Janine Merz oder Cornelia Kliesch hätten nur noch Chancen auf weniger aussichtsreiche Listenplätze hinter Lehmann gehabt. Angesichts des sich abzeichnenden Wahlergebnisse 2024 wäre damit ihr Einzug ins Parlament mehr als ungewiss.

Doch damit noch nicht genug der innerparteilichen Spannung und Spielchen. Kurz nach dem Landesparteitag gab überraschend Landesgeschäftsführerin Anja Zachow ihren Rückzug bekannt. Zachow gilt als Vertraute Lehmanns und ebenfalls als Lager-Linke der SPD. Sie schweigt bis heute zu den Gründen ihres Abgangs.

Bei aller Loyalität der Betroffenen: Im politischen Erfurt ist beharrlich die Rede davon, Zachow sei durch gezielt lancierte, böse Gerüchte quasi aus der Parteizentrale gemobbt worden. Landeschef Maier dagegen spricht von einer "freiwilligen Entscheidung".

Ihren Höhepunkt erreichen die Ränkespielchen vorerst Ende Mai: Da verkünden die Thüringer Genossen scheinbar harmonisch, Diana Lehmann sei ab sofort auch nicht mehr parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion, sondern künftig Landtags-Vizepräsidentin. Dass Lehmann und SPD-Grande Dorothea Marx die Posten tauschen, versuchten die Genossen als strategische Ausrichtung zu verkaufen.

Als wahrscheinlicher gilt unter Beobachtern der Partei, dass ein Großteil der Landtagsfraktion Lehmann das Vertrauen entzogen hat und am Ende zumindest der Versuch einer gesichtswahrenden Lösung stand. So oder so: Zustände, die der Landesvorsitzende entweder gewollt, zumindest aber geduldet und nicht von der Tagesordnung bekommen hat.

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD)
Thüringens Innenminister Georg Maier. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Quo vadis, SPD Thüringen?

"Ich weigere mich, das Narrativ zu kaufen, dass die SPD nach dem Landesparteitag gespalten ist", erklärt Maier. Seiner Ansicht nach vertritt die Partei einen Kurs "deutlich links der Mitte". Dass genau das aber Positionen sind, die schon und auch von Linken und Grünen besetzt und obendrein immer weniger anschlussfähig an weite Teile der Bevölkerung sind, diskutieren vor allem die SPD-Kreisverbände in den ländlichen Regionen. Nicht wenige Genossen werfen Maier vor, der Partei zu wenig Profil und kaum Alleinstellungsmerkmale zu verpassen.

Tatsächlich stagnieren die Thüringer Sozialdemokraten seit der Übernahme des Landesvorsitzes durch Georg Maier. Nach einem Zwischenhoch im Sog der letzten Bundestagswahl ist die Thüringer SPD inzwischen wieder da angekommen, wo sie auch bei Amtsantritt Maiers in den Umfragen stand: An der 10-Prozent-Marke.

Damit führt an den Sozialdemokraten nach der Wahl 2024 vermutlich bei der Regierungsbildung kein Weg vorbei. Ob ein solcher Wert jedoch den Anspruch auf den Ministerpräsidenten-Posten rechtfertigt, wird selbst parteiintern heftig diskutiert.

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. August 2023 | 19:00 Uhr

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