
Hohe Schrecke Bäume in Naturschutzgebiet abgeholzt: Streit um 130.000 Euro Bußgeld zieht sich hin
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28. Februar 2025, 10:52 Uhr
130.000 Euro Geldbuße für einen Holzeinschlag im Naturschutzgebiet "Hohe Schrecke". Diese Forderung des Landesumweltamtes Thüringen hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Drei Jahre später sind die dicken alten Buchen längst abtransportiert. Und das Verfahren findet kein Ende.
Anfang 2022 sind Einwohner von Burgwenden und Hauteroda, von Garnbach und Langenroda auf ihren Spaziergängen durch die "Hohe Schrecke" ziemlich irritiert gewesen. In den Dörfern westlich und östlich des geschützten Waldes sorgten aufgestapelte Stämme, verwüstete Waldflächen und zerfahrene Forstwege für Aufregung. Auch Touristen wunderten sich über den Anblick.
Die "Naturerbe Hohe Schrecke GmbH", private Waldbesitzerin und Teil des Lindhorst-Firmenverbundes JLW Holding AG, hatte viele alte Buchen und Eichen gefällt - mitten im Naturschutzgebiet. Ein Holzeinschlag, der viele Fragen aufgeworfen hat. Und der ein Bußgeldverfahren nach sich zog: 130.000 Euro Strafe hatte das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz TLUBN nach Informationen von MDR THÜRINGEN gefordert.
Private Waldbesitzerin hat Geldbuße nicht bezahlt
Drei Jahre, nachdem der MDR erstmals über diesen Holzeinschlag berichtet hat, ist das Bußgeld nicht bezahlt worden und in dem Verfahren keine Entscheidung gefallen. Das TLUBN hatte der privaten Waldbesitzerin vorgeworfen, gegen die Paragrafen 4 und 5 der Naturschutzgebietsverordnung für die "Hohe Schrecke" verstoßen zu haben. Holz zu schlagen, ist im geschützten Wald erlaubt. Die Verordnung definiert dafür aber Grenzen.
Eine Prüfung des TLUBN - inklusive Drohnenflug einige Wochen nach den Fällarbeiten - kam zu dem Schluss, der Umfang der Baumfällungen habe diese Grenzen überschritten. Auf dieser Grundlage bekam das Unternehmen den Bußgeldbescheid.
Amtsgericht Jena bekam Verfahren auf den Tisch
Inzwischen liegt die Entscheidung über die Strafzahlung in den Händen des Amtsgerichts Jena. Denn die "Naturerbe Hohe Schrecke GmbH" hatte gegen den Bußgeldbescheid Widerspruch eingelegt. Ein Sprecher des Vorstandes der JLW Holding AG hatte bereits vor zwei Jahren auf Anfrage von MDR THÜRINGEN geschrieben: "Wir und insbesondere auch unsere verantwortlichen Fachleute sind davon überzeugt, dass sämtliche Maßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt wurden und die Beanstandungen unberechtigt sind."
Es verstrich eine für ein Bußgeldverfahren ungewohnt lange Zeit, bis das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) den Fall im Herbst 2023 an die Staatsanwaltschaft übergab.
Wir und insbesondere auch unsere verantwortlichen Fachleute sind davon überzeugt, dass sämtliche Maßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt wurden und die Beanstandungen unberechtigt sind.
Zu den Gründen wollte sich das Amt damals nicht äußern - wegen des laufenden Verfahrens. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN hatte es nach dem Widerspruch der "Naturerbe Hohe Schrecke GmbH" gegen das Bußgeld mehrere Gespräche und Anhörungen gegeben. Erst kürzlich schrieb die Behörde auf wiederholte Anfrage: "Nach Prüfung des Einspruches kam die Obere Naturschutzbehörde zu dem Schluss, dass der Bußgeldbescheid nicht zurückzunehmen ist."
Nach Prüfung des Einspruches kam die Obere Naturschutzbehörde zu dem Schluss, dass der Bußgeldbescheid nicht zurückzunehmen ist.
Richter pochen auf Klärung offener Fragen
Die Staatsanwaltschaft Gera unternahm in dem Fall - wie bei Bußgeldverfahren in der Regel üblich - keine eigenen Ermittlungen. Sie übergab die Akte dem Amtsgericht Jena. Dort kamen die Richter der zuständigen Kammer Ende Februar 2024 zu der Auffassung, dass in dem Verfahren noch zu viele Fragen offen sind.
Das Gericht schickte die Akte Anfang März 2024 zurück an das TLUBN "mit dem Auftrag, den Sachverhalt zunächst weiter aufzuklären", wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage mitteilte.
Kernfragen immer noch nicht geklärt
Fast ein Jahr nach dem Beschluss des Amtsgerichtes Jena liegt die Akte immer noch im TLUBN. Die Richter hatten das Amt einerseits beauftragt, ein unabhängiges Gutachten über die Art des Holzeinschlags vorzulegen.
Dreh- und Angelpunkt in dem Verfahren ist nach Informationen von MDR THÜRINGEN der Vorwurf der Behörde, die "Naturerbe Hohe Schrecke GmbH" habe im Naturschutzgebiet einen Schirmschlag von circa 50 Hektar vorgenommen. Die Naturschutzgebietsverordnung verbietet Schirmschläge von mehr als drei Hektar zusammenhängender Fläche. Bei einem Schirmschlag werden die Kronen der Bäume gelichtet, damit mehr Licht den Waldboden erreicht.
Höhe der Geldbuße als strittiger Punkt
Außerdem verlangt das Gericht Angaben darüber, warum das TLUBN 130.000 Euro Geldbuße fordert. Die Naturschutzgebietsverordnung legt für Ordnungswidrigkeiten eine Obergrenze von 50.000 Euro Geldbuße fest. Allerdings regelt das bundesweit gültige "Gesetz über Ordnungswidrigkeiten" (OWiG) in Paragraf 17, Absatz 4: "Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden."
Dafür muss das TLUBN den wirtschaftlichen Vorteil einschätzen. Das Gericht will jetzt wissen, wie Experten von außerhalb der Behörde diesen wirtschaftlichen Vorteil beziffern. Auch diese Frage soll das geforderte Gutachten beantworten.
Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden.
Sachverständiger erhält Zeit bis Mai 2025
Ein Sprecher des TLUBN teilte Ende Februar auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit, man habe einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragt, so ein Gutachten bis 30. November 2024 vorzulegen. Aus persönlichen Gründen habe der Gutachter um Verlängerung gebeten und diese bis Mitte Mai 2025 gewährt bekommen.
Das Amtsgericht Jena bestätigte, dass Akte und Gutachten dort für das Frühjahr erwartet werden. Ein Verhandlungstermin sei noch nicht anberaumt. Die "Naturerbe Hohe Schrecke GmbH" wollte eine kürzlich gestellte Anfrage nicht beantworten - mit Hinweis auf das laufende Verfahren.
MDR (log/jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 28. Februar 2025 | 18:20 Uhr
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