Erfurt Enkeltrick und Schockanrufe: Wie Senioren sich gegen Trickbetrüger wappnen
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29. Dezember 2024, 05:00 Uhr
Ein vorgetäuschter Notfall, ein verlockender Gewinn oder ein falscher Polizist - schlimmstenfalls ist am Ende das gesamte Ersparte weg. Besonders ältere Menschen sind im Visier von Trickbetrügern. Oft bemerken sie den Schwindel erst, wenn es schon zu spät ist. Mit den technischen Möglichkeiten werden auch die Methoden der Täter immer raffinierter. Präventionskurse der Polizei Erfurt sollen Senioren dabei helfen, den Betrügern rechtzeitig die Tour zu vermasseln.
Im Erfurter Ursulinenkloster haben sich an einem Dienstag im Dezember rund 20 Teilnehmerinnen mit Stift und Notizblock eingefunden. Der Verein Thüringer Landfrauen will sich über Trickbetrug aufklären lassen und hat dafür Peter Schütz eingeladen. Um seine Mitbürger zu schützen, hat sich der Rentner bei der Stadt Erfurt als Sicherheitsberater ausbilden lassen.
Wir sprechen über alle Formen von Betrugsversuchen. Über das Internet, am Telefon, im öffentlichen Raum oder auch direkt an der Haustür.
Viele Formen von Betrugsversuchen
In dieser Funktion gibt er Kurse in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen, bei Vereinen oder an Volkshochschulen. "Wir sprechen über alle Formen von Betrugsversuchen. Über das Internet, am Telefon, im öffentlichen Raum oder auch direkt an der Haustür", sagt Peter Schütz.
Weil neue Betrugsmaschen wie Pilze aus der Erde schießen und längst über den klassischen "Enkeltrick" hinausgehen, sei der Bedarf für die Kurse groß. Das unterstreichen auch die Teilnehmerinnen im Ursulinenkloster. Fast alle können von persönlichen Erfahrungen mit Trickbetrügern berichten. Einige hatten auch schon mit sogenannten Schockanrufen zu tun.
Täter täuschen Notsituation vor
Dabei geben sich Betrüger als Verwandte, Polizeibeamte oder Rechtsanwälte aus und täuschen eine Notsituation vor. Die Masche zielt darauf ab, das Opfer in Panik zu versetzen und zu Übersprungshandlungen zu bewegen. Meist sind die Täter dabei in gut eingespielten Gruppen organisiert.
Zur Veranschaulichung spielt Sicherheitsberater Peter Schütz ein aufgezeichnetes Telefonat vor. Eine Frau meldet sich völlig aufgelöst und bitterlich weinend bei ihrer Mutter. Sie sei in einen schlimmen Unfall verwickelt und habe eine junge Frau auf dem Gewissen. Dann übernimmt ein vermeintlicher Polizist den Hörer. Um die Tochter vor einer Untersuchungshaft zu retten, müsse eine Kaution übergeben werden. Das Schauspiel ist perfekt choreografiert und professionell ausgeführt.
In der emotionalen Ausnahmesituation lassen sich die Betrugsopfer immer wieder davon überzeugen, zum Wohle ihrer Angehörigen die hohe Summen aufzubringen, sagt Peter Schütz. Fatal sei dabei, dass viele Menschen das Prinzip der Kaution aus Filmen kennen. Sie wissen nicht, dass es so etwas in Deutschland gar nicht gibt.
Man sollte auf keinen Fall denken, dass die Leute blöd sind.
"Man sollte auf keinen Fall denken, dass die Leute blöd sind", sagt eine Kursteilnehmerin. Wie raffiniert die Täter vorgehen, werde oft unterschätzt, bestätigt auch Olaf Selke von der polizeilichen Beratungsstelle Erfurt. Auch seien längst nicht nur ältere Menschen betroffen. "Das kann den 40-Jährigen genauso treffen wie den 80-Jährigen. Das Problem ist halt, dass die Senioren meist 24 Stunden am Tag erreichbar sind für diese Trickbetrügereien." Besonders gefährdet seien einsame Menschen, die keine Verwandten in der Nähe haben.
In den vergangenen Jahren wurden in Thüringen laut Polizei nahezu täglich Betrugsversuche an älteren Menschen angezeigt - Tendenz steigend. Schockanrufe haben sich innerhalb der letzten zwei Jahre sogar fast verdoppelt. Laut Olaf Selke gehen die größten Gefahren noch immer vom Telefon aus. Aber auch im Internet nehmen die Betrugsmaschen weiter zu. Besonders auf gefälschte E-Mails (sogenannte Phishing-Mails) oder Anlageversprechen mit vermeintlicher Kryptowährung fallen die Menschen immer wieder herein.
Die neueste Masche ist, dass Sie Post vom Finanzamt bekommen mit einer Geldforderung.
Oft finden die Schwindel aber auch den analogen Weg über den Briefkasten ins Haus der Opfer. "Die neueste Masche ist, dass Sie Post vom Finanzamt bekommen mit einer Geldforderung", warnt Peter Schütz die Kursteilnehmerinnen. Alles in dem Dokument wirkt täuschend echt, auch Name und Adresse sind korrekt. Nur an der falschen Steuernummer lasse sich die Fälschung erkennen.
Keine vertraulichen Informationen weitergeben
"Es ist ein Katz- und Maus-Spiel", sagt Schütz. Hat man die neueste Masche entlarvt, haben die Betrüger wahrscheinlich schon wieder die nächste Taktik ausgeklügelt. Die eine allgemeingültige Formel, wie man sich im Verdachtsfall richtig verhält, existiert also nicht. Eine klare Grundregel gibt es aber dennoch: Persönliche Daten, Kontonummern, Passwörter oder andere vertrauliche Informationen sollten niemals am Telefon oder per E-Mail weitergegeben werden. "Seriöse Institutionen fordern solche Daten niemals auf diesem Weg an", sagt der Sicherheitsberater.
Es ist ein Katz- und Maus-Spiel.
Vorfälle anzeigen
Bei einem Schockanruf raten er und Polizist Olaf Selke, sofort aufzulegen und sich über die bekannte Nummer des vermeintlichen Verwandten rückzuversichern, dass kein Notfall vorliegt. Wer dennoch in eine Falle geraten ist, sollte nicht zögern, den Vorfall anzuzeigen. Nur so könne rechtzeitig über die neuesten Maschen informiert und den Betrügern auch langfristig der Strich durch die Rechnung gemacht werden.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 30. Dezember 2024 | 06:50 Uhr