Nach Durchsuchungen Verdacht auf Kinderpornografie: Linke-Politiker lässt offenbar Ämter ruhen
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07. August 2024, 21:24 Uhr
Polizei und Staatsanwaltschaft Erfurt haben am Dienstag im Thüringer Landtag das Büro eines Linke-Abgeordneten durchsucht. Gegen den Politiker wird nach Informationen von MDR THÜRINGEN wegen des Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie ermittelt. Am Mittwoch folgten Reaktionen von Staatsanwaltschaft und aus der Politik.
Nach Kinderpornografie-Vorwürfen gegen einen Landtagsabgeordneten der Thüringer Linken hat sich der betroffene Politiker nach Angaben der Partei nun selbst zu Wort gemeldet. In einer schriftlichen Mitteilung habe er am Mittwoch bekannt gegeben, alle Ämter in der Partei und alle Wahlkampfaktivitäten ruhen zu lassen.
Zuvor hatten der Spitzenkandidat der Linken, Bodo Ramelow, und die beiden Parteivorsitzenden, Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft, ihn dazu aufgefordert. Auch der Linken-Fraktionsvorsitzende Steffen Dittes zeigte sich angesichts der Vorwürfe entsetzt und sicherte Unterstützung der Fraktion bei der Ermittlungsarbeit zu.
Angesichts der schweren und erschütternden Vorwürfe werde auf schnellstmöglichen Abschluss der Ermittlungen von Polizei und Justiz gesetzt, heißt es weiter in der Mitteilung der beiden Landesvorsitzenden. Der Sachverhalt müsse lückenlos und konsequent aufgeklärt werden.
Abgeordneter muss zur Wahl antreten
Laut Linke-Pressesprecher Paul Wellsow gebe es für ihn oder die Fraktion keine Handhabe bezüglich des Landtagsmandates. Es sei rein rechtlich schlicht unmöglich, ihm das bestehende Mandat zu entziehen.
Der betroffene Abgeordnete tritt bei der bevorstehenden Landtagswahl erneut an - als Direktkandidat in seinem Wahlkreis. Auch hier könne man zurzeit nicht handeln, so Wellsow. Die Wahlzettel seien gedruckt, die Unterlagen verschickt. Falls der Linke-Politiker wiedergewählt werde, könne er aber auf sein Mandat verzichten.
Immunität des Abgeordneten aufgehoben
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab es fünf gerichtliche Durchsuchungsbeschlüsse gegen den in Verdacht stehenden Abgeordneten. Am Dienstag seien zwei Räume im Landtag, seine Wohnung sowie zwei Wahlkreisbüros von der Polizei durchsucht und Beweismittel sichergestellt worden. Der Politiker soll sich nach Informationen von MDR THÜRINGEN auch über eine IP-Adresse des Landtags in einschlägige Foren eingewählt haben.
Kurz vor der Durchsuchung hatte der Justizausschuss des Landtags die Immunität des Abgeordneten aufgehoben. Bei der nicht öffentlichen Ausschusssitzung anwesend war auch die Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne).
Die Staatsanwaltschaft hat darauf verwiesen, dass erst die Ermittlungen abgeschlossen sein mussten, bevor eine Aufhebung der Immunität beantragt werden konnte.
Staatsanwaltschaft stellt Beweismittel sicher
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Erfurt wurden bei den Durchsuchungen im Landtagsbüro als auch in Räumen im Saale-Holzland-Kreis Beweismittel sichergestellt. Dabei handele es sich um Computer und andere Datenträger.
Diese würden nun ausgewertet, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Wie lange das dauern werde, sei jedoch unklar. Erfahrungsgemäß beanspruche das eine längere Zeit, so der Sprecher.
Der unter Verdacht stehende Abgeordnete wollte trotz mehrfacher Anfragen von MDR THÜRINGEN zunächst keine Stellungname abgeben.
Linke-Fraktionschef Dittes "entsetzt"
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Steffen Dittes zeigte sich angesichts der Vorwürfe entsetzt. Er habe nach der Sitzung des Justizausschusses von der aufgehobenen Immunität und dem Tatvorwurf erfahren.
Die Schwere des Straftatvorwurfes entsetze ihn. Es sei jetzt Aufgabe der Staatsanwaltschaft, das Ermittlungsverfahren fortzuführen und den Straftatsvorwurf konsequent und lückenlos aufzuklären, so Dittes.
Ramelow fordert: Verdächtiger Politiker soll Ämter ruhen lassen
Auch die beiden Parteivorsitzenden der Thüringer Linken, Ulrike Grosse-Röthig und Christian Schaft, zeigten sich "erschüttert". Der Sachverhalt müsse lückenlos aufgeklärt werden. Im öffentlichen Umgang mit den Vorwürfen baten sie "ausdrücklich um Rücksichtnahme auf die Familie des Abgeordneten".
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußerte sich ebenso "erschüttert über die schweren Vorwürfe" in einer Reaktion bei Facebook. Er forderte, dass bis zur Klärung der Vorwürfe der Abgeordnete alle Ämter und Aufgaben ruhen lassen sollte. "Und falls die Vorwürfe zutreffen, dann erwarten ich harte Konsequenzen!"
Anmerkung der Redaktion: Wir nennen den Namen des unter Verdacht stehenden Politikers derzeit in Abwägung der aktuellen Sachlage nicht. Dem öffentlichen Interesse an einer Namensnennung des Abgeordneten steht der Persönlichkeitsschutz des Verdächtigen und seiner Familie entgegen, insbesondere mit Blick auf die Schwere der Vorwürfe und die weiterhin geltende Unschuldsvermutung. Zudem sind bisher nur wenige Ermittlungsergebnisse bekannt geworden, um eine abschließende Abwägung der Rechtsgüter zugunsten einer Namensnennung zu treffen.
MDR (ahem/lke/kk/jhi/dr/caf)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. August 2024 | 19:00 Uhr