Presseschau
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Medienschau Kommentare zum Streit im Thüringer Landtag

Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags hat im ganzen Land großes Interesse und in den Medien auch ihr Echo gefunden. Was wurde über das Parlament des Freistaates geschrieben?

Im Kölner Stadt-Anzeiger heißt es: "Es handelt sich hier um einen Präzedenzfall, der die gesamte Republik betrifft. Der Bundestag und alle Landtage sind mehr denn je gehalten, noch einmal in ihre Geschäftsordnungen und Verfassungen zu gucken, um Vorkehrungen für den Ernstfall zu treffen. (…) Viele Regeln im Bund und in den Ländern sind für Sonnenschein gemacht, nicht für Sturm. Sie basieren auf dem guten Glauben der Nachkriegs- und Nachwendezeit, dass alle politischen Akteure sich daran halten. Die AfD hält sich aber entweder nicht an die Regeln oder pervertiert sie, um die Institutionen wahlweise lächerlich oder handlungsunfähig zu machen. Darauf müssen die Demokraten reagieren. Sie müssen wie bei einem Hochwasser Sandsäcke aufschichten – auch wenn sie nicht wissen, ob das Hochwasser tatsächlich kommt."

Die Berliner Morgenpost schreibt: "Wer wie die Höcke-AfD die Freiheit und die offene Gesellschaft verachtet, der verachtet auch den Parlamentarismus und seine Spielregeln. (…) Vollkommen ausgrenzen lässt sich die AfD in Thüringen nicht mehr, dazu ist sie zu stark. Jetzt hat sie gezeigt, dass sie entschlossen ist, ihre Macht nach Kräften einzusetzen, um das demokratische System zu schwächen. (…) In Thüringen scheiterte Ende 2023 ein Antrag der Grünen, das Prozedere zur Wahl des Parlamentspräsidenten klarer zu fassen, am Widerstand der CDU. Deren Chef Mario Voigt, der jetzt Ministerpräsident werden will, verließ sich lieber auf Absprachen zwischen den Parteien inklusive der AfD. Dass Zusagen von Höcke und seinen Leuten im Zweifel nichts wert sind, hätte er damals schon wissen können. Nach dem Eklat von Donnerstag steht der Regierungschef in spe dumm da - und das Parlament gleich mit. Vermutlich kann die AfD ihr Glück kaum fassen.“

In der Leipziger Volkszeitung heißt es: "Leider sind die demokratischen Fraktionen im Thüringer Landtag, mit Ausnahme des damals noch nicht im Parlament vertretenen BSW, selbst schuld. Hätten sie die Geschäftsordnung bereits vor der Landtagswahl am 1. September geändert, dann hätte es diese mutwillige Show zur Demontage der Demokratie in der Form nicht geben können. Nun müssen CDU, BSW, Linke und SPD den Schritt unter Schmerzen und längst eingetretenen Schäden für den Ruf des Parlaments nachholen."

"Mit einem Antrag zur Geschäftsordnung und nun mit der Anrufung des Verfassungsgerichts will die CDU erreichen, dass alle Fraktionen Wahlvorschläge einreichen können – um so einen Landtagspräsidenten aus der AfD-Fraktion des rechtsextremen Björn Höcke zu verhindern" schreibt Die Glocke (Oelde). "Das ist bitter nötig, um einen Machtmissbrauch der AfD in der parlamentarischen Arbeit so weit es geht auszuschließen. Dennoch: Der Umgang mit der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen bleibt eine politische Herausforderung und Gratwanderung. Einen Wahlsieger zu ignorieren und komplett auszugrenzen, der 32,8 Prozent der Wählerstimmen erreicht, kann zu einer gefährlichen Demokratieverdrossenheit führen."

Die Lausitzer Rundschau (Cottbus) findet: "Worüber es keine zwei Meinungen geben darf, ist die Notwendigkeit der Arbeitsfähigkeit eines demokratisch gewählten Parlaments. Höcke hat den politischen Amoklauf des Alterspräsidenten Jürgen Treutler angewiesen. Geschäftsordnungsanträge zu ignorieren, obwohl eben jene Geschäftsordnung, auf die Treutler sich explizit beruft, ihn zur Abstimmung darüber zwingt, mag auf den ersten Blick wie ein taktisches Foul wirken, ist aber in Wahrheit eine Blutgrätsche auf die Rechte der frei gewählten Abgeordneten. Höcke macht damit die beste Werbung für die Brandmauer zur AfD – mit Kalkül. Er will ein fundamental anderes Land und sieht eine Alleinregierung mit sich als starkem Führer als einzigen Weg dorthin. Die Verächtlichmachung des Parlamentarismus ist ein zentraler Baustein dieser Strategie."

Die Neue Osnabrücker Zeitung schreibt zum Eklat im Thüringer Landtag: "Im Wahlkampf hat die Thüringer AfD das Bild eines korrupten, manipulativen und autoritären politischen Systems gezeichnet und so die Demokratie und ihre Organe verächtlich gemacht. Nun, nach ihrem deutlichen Wahlsieg, macht sich die Partei daran, dieses System auszuhöhlen. So einfach, so bedrohlich. Wenn man dem Landtagseklat daher wenigstens etwas Positives abgewinnen kann, dann vielleicht den Effekt, dass sich damit die letzten Illusionen über die Entschlossenheit der AfD verflüchtigen dürften. Das ist schließlich die offensichtlichste Lehre von Erfurt: Extremistische Kräfte neigen dazu, ehrlich zu sein."

"Die Lage ist ernst, sehr ernst. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik schicken sich Gegner des parlamentarischen Systems an, dieses von innen auszuhöhlen" heißt es bei den Nürnberger Nachrichten.

"Die zumeist lautstark gegen AfD-Alterspräsident Jürgen Treutler erhobenen Einwände bis hin zur CDU-Einlage 'Machtergreifung', die ihren Weg in alle TV-Nachrichten fand, waren politischer, nicht juristischer Art", schreibt die Junge Welt. "Genauer: Treutler wurde brüllend und mit Geklopfe zum Rechtsbruch aufgefordert, die AfD-Pöbler blieben ruhig. Das Rabaukentum im Plenum ging von denen aus, die in Bla-Bla-Antifaschismus und Demokratie machen. Insbesondere die CDU, deren Neigung zur AfD in Thüringen notorisch ist, hatte sich im alten Landtag geweigert, die Geschäftsordnung an dieser Stelle zu ändern. Nur am Rande, aber bezeichnend: Der 'Machtergreifungs'-Maulheld Andreas Bühl, parlamentarischer CDU-Geschäftsführer, wurde zwar 1987 in der DDR geboren, hat auf seinem Bildungsweg aber womöglich nie gehört, dass Industrie, Banken und Reichswehr 1933 legal eine Machtübergabe an die NSDAP vollzogen. 'Machtergreifung' ist Nazisprech."

"Thüringen hat es mal wieder geschafft, in den Blick der deutschen Öffentlichkeit zu rücken." schreibt die Thüringer Allgemeine. "Leider geschieht das nicht mit geschichtsträchtiger Kultur oder malerischen Landschaften, sondern durch ein politisches Possenspiel im Thüringer Landtag. Eigentlich eine personelle Formalie, wird die Wahl einer Landtagspräsidentin oder eines Landtagspräsidenten zum juristischen, parlamentarischen Schlagabtausch. [...] Es ist ein unwürdiges Schauspiel."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt: "(…) ein Verbot der AfD, das jetzt (…) gefordert wird, lässt manche Probleme gar nicht erst entstehen. (…) Doch womöglich gab es deshalb bisher keine Mehrheiten für einen Verbotsantrag, weil so ein Verfahren (…) ganz andere Schwierigkeiten mit sich bringt (…). Der Auftritt des Alterspräsidenten der AfD war nun nicht gerade (…) wie aus dem Lehrbuch. Andererseits ist auch der Vorwurf der 'Machtergreifung' ein ziemlich großes Kaliber (…). Eine Verfassungskrise ist lösbar, checks and balances sind nicht lahmgelegt. (…) Man kann Geschäftsordnungen und auch Verfassungen ändern (…) das ändert nichts an dem in den Volksvertretungen abgebildeten Wählerwillen und am Anspruch auf Gleichbehandlung aller Parteien. Brandmauern in Verfahren und Verfassung gelten für alle – ersetzen aber keine politische Auseinandersetzung."

Die Nürnberger Nachrichten kommentieren: "Das eigentlich Schlimme: Eine Versöhnung oder ein halbwegs zivilisierter Umgang miteinander sind in Thüringen nicht in Sicht. Bei jedem Streit um die Geschäftsordnung werden die Verfassungsrichter angerufen werden. Und man glaubt der anderen Seite nicht mal mehr, dass der Himmel blau und das Gras grün ist."

Bei t-online.de ist zu lesen: "Das Bittere daran ist: All das wäre vermeidbar gewesen. Die Position der AfD ist in diesem Fall nicht – wie so oft – absurd. Sie nutzt lediglich aus, dass die Geschäftsordnung des Landtags an manchen Stellen nicht deutlich ist [...] Im Zentrum stehen dabei zwei recht dröge Verfahrensfragen [...]. Beide Unklarheiten hätten vorab ausgeräumt werden können. Die Grünen hatten Ende 2023 darauf gedrängt, die Geschäftsordnung [...] klarer zu formulieren. Doch das scheiterte – und zwar ausgerechnet an der CDU, die nun besonders laut gegen das Vorgehen der AfD protestiert."

Zum Abschluss kommentiert der Stern: "Es ist also wieder passiert: Björn Höckes AfD hat das Thüringer Parlament vorgeführt. Die Parallelen des 26. September 2024 zu jenem 5. Februar 2020, an dem die AfD einen FDP-Ministerpräsidenten ins Amt hievte, sind offensichtlich. Am Samstag soll es weitergehen. Bis dahin bleibt der 8. Thüringer Landtag das, was er ist: nicht konstituiert. Und maximal beschädigt."

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 27. September 2024 | 18:00 Uhr

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