"Wir waren Freunde" Wie ein Erfurter Richter einem mutmaßlichen Mafioso half
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21. November 2023, 19:28 Uhr
Ein ehemaliger Richter vom Amtsgericht Erfurt hat am Dienstag im Thüringer Landtag fast vier Stunden zu seinem Verhältnis zu italienischen Gastronomen berichtet, die von den Sicherheitsbehörden der italienischen Mafia - der 'Ndrangheta aus Kalabrien - zugerechnet werden. Er habe damals nichts davon gewusst oder etwas von Verstrickungen mit der Mafia geahnt, erklärte der Pensionär. Allerdings gab es damals doch zumindest Hinweise.
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"Es war ein kleines Zuhause." Der Zeuge kommt ins Schwärmen, als er den Abgeordneten des Thüringer Untersuchungsausschusses von den italienischen Restaurants berichten soll. Zweimal pro Woche sei er dort gewesen. Egal wann, egal was - sein Stammlokal erfüllte dem Richter alle Wünsche. Der Wirt war über die Jahre zum Freund geworden. Zum guten Freund. Man sprach über Sport, über die Familie - und über juristische Probleme. Denn der Wirt hatte ein Problem: Die Staatsanwaltschaft Gera, zuständig für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, hatte Anklage gegen ihn 2001 erhoben. Der Verdacht: Er soll mit Drogen gehandelt haben, unter anderem mit Heroin.
Juristische Hilfe für einen Freund
Das Schreiben mit der Anklage präsentierte der Italiener dem Richter, dem Stammgast, dem Freund. Und der Richter half. Wie man eben Freunden hilft - so beschrieb er es am Dienstag im Zeugenstand. Er vermittelte ihn noch vom Restaurant aus an einen Anwalt - und verwies auf die Problematik rund um die Anklage, die Zeugen, die offenbar ausgesagt hatten, und worauf sonst zu achten sei.
Das alles hört das Bundeskriminalamt mit. Der Richter hatte das Handy des Italieners benutzt und geriet so in die Telefonüberwachung. Im Protokoll steht dann auch eine Passage, die als Geheimnisverrat interpretiert werden könnte: Richter und Anwalt tauschten sich über die Überwachung der italienischen Restaurants aus. Der Richter bestätigte offenbar. Heute erklärt er, dass seien nur "hypothetische Möglichkeiten" gewesen, die diskutiert wurden. Mehr wolle er nicht zum Inhalt des Anrufs sagen, da es sich um ein Mandanten-Anbahnungsgespräch gehandelt habe. Solche Telefonate stehen unter besonderem Schutz.
Richter suchte Anwalt
Überhaupt sehe er bei der juristischen Beratung überhaupt kein Problem, erklärte der 78-Jährige den Abgeordneten - obwohl das Verfahren damals am Amtsgericht verhandelt wurde, an dem auch der Richter damals tätig war. Sein Ziel sei gewesen, dass das Verfahren für seinen Freund, den Wirt, günstig ausgeht, sagte er am Dienstag. Darum sollte es ein guter Anwalt sein. Darum trat er auch als Richter bei der Vermittlung auf - und nicht als Privatmann, wie er es heute verstanden wissen will. Im Wortprotokoll der Telefonüberwachung weist er zumindest nicht darauf hin, dass er ausdrücklich privat tätig ist. Er sei nur das "Sprachrohr" des Italieners gewesen - sagte er im Zeugenstand.
Das Verfahren verlief damals tatsächlich "günstig" für den italienischen Gastronomen. Gegen Zahlung einer Geldbuße von 14.000 D-Mark wurde es schließlich im Oktober 2001 eingestellt. Die juristische Unterstützung hatte für den Amtsrichter keine Folgen. Warum auch, fragte er am Dienstag im Ausschuss. Die Abgeordneten gaben sich ob solcher Aussagen erstaunt und fragten beispielsweise nach, ob sich der Richter keine Gedanken über die Integrität der Justiz in einem solch heiklen Fall gemacht habe. Der Befragte reagierte regelmäßig mit Verweis auf das rein freundschafltiche Verhältnis.
Wirt unter Mafiaverdacht
Der Wirt selbst galt im Bundeskriminalamt als Handlanger der kalabrischen Mafia 'Ndrangheta. Für einzelne Mitglieder soll er bis zu seinem Tod als Strohmann gedient haben. Seine Aufgabe soll die Präsentation gewesen sein. Der Wirt war das freundliche Gesicht des Drogenkartells. Er half der 'Ndrangheta, in die Erfurter, später in die Weimarer Stadtgesellschaft einzudringen. Er pflegte die Kontakte, eben zu Menschen wie den damaligen Richter. Und er war nicht der einzige Italiener. Auch zu einem anderen Wirt pflegte der Zeuge eine solche Freundschaft. Die Mafia spielte in ihren Gesprächen aber nie eine Rolle, das waren ja nur Gerüchte, die sich hartnäckig in Erfurt hielten - so der Zeuge.
MDR (ahem/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 21. November 2023 | 19:00 Uhr
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