Zur Landtagswahl Bericht aus der Provinz: Ausländische Journalisten in Thüringen
Hauptinhalt
31. August 2024, 13:04 Uhr
Noch nie waren sie so zahlreich in Thüringen wie in diesen Tagen: Journalisten und Fernseh-Teams aus dem Ausland. Was bringt sie her und wie erleben sie das Land vor der Wahl?
Im Thüringer Landtag herrscht gerade die Ruhe vor dem Sturm. Das Parlament bereitet sich auf den Sonntag der Landtagswahl vor - und auf hunderte Reporterinnen und Berichterstatter. Während Sitzungssäle zu Fernsehstudios umgebaut werden, füllt sich die Liste der angemeldeten Zeitungen, Sender und Online-Medien. Auf der Liste stehen neben ARD, ZDF und RTL auch ganz ungewohnte Namen: IHA, VRT, TV2 oder Nikkei. Das sind türkische, belgische, dänische und japanische Medien, die am Sonntag aus Erfurt berichten.
Ungewohnte Aufmerksamkeit für Thüringen
Uffe Dreesen versucht an seinen letzten Besuch in Thüringen zu erinnern. "Ich war vor ein paar Jahren mit meiner Frau in Eisenach. Wir waren wandern auf dem Thüringer Weg … wie heißt er noch? Ja, Rennsteig! Aber als Journalist bin ich nicht so oft hierher gekommen." Dreesen ist Deutschlandkorrespondent für den dänischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender TV2. "Ich reise als Korrespondent hin und her - meistens mit dem Zug, meistens mit Verspätung."
In diesem Sommer bringen ihn die verspäteten Züge oft für Recherchen nach Thüringen. Gerade ist er in einem Erfurter Hotel. Die Thüringer Spitzenkandidaten sprechen hier in einem übervollen Konferenzsaal mit der Auslandspresse. Ministerpräsident Bodo Ramelow genießt die Aufmerksamkeit und spricht betont weltgewandt mit Verweisen auf seine Vietnam-Reise, den amerikanischen Bürgerkrieg oder auch den Zerfall des Osmanischen Reiches. Dagegen wirkt Katja Wolf (BSW) eher überrascht von dem Ansturm und macht kein Geheimnis daraus, dass sie so eine internationale Bühne nicht gewohnt ist.
AfD und BSW im Fokus
Für Katja Wolf und ihre Parteichefin Sahra Wagenknecht interessieren sich viele ausländische Medien besonders. Das gilt auch für Corry Hancké. Sie berichtet für die belgische Tageszeitung De Standaard und hat dort vor Kurzem einen Artikel über das Bündnis Sahra Wagenknecht veröffentlicht, das in Thüringen und Sachsen mit rekordverdächtigen Wahlergebnissen rechnen kann.
Corry Hancké fährt gerade quer durchs Land. "Ich werde nie so wie hier über die anderen Landtagswahlen berichten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine belgische Redaktion sagt: Hier ist ein Mietwagen, fahr' mal zwei Wochen durch Nordrhein-Westfalen." Der Osten steht im Fokus: Das berichten viele ausländische Korrespondenten. Der Grund ist - neben dem BSW - wenig überraschend: Björn Höcke und seine AfD.
Ich werde nie so wie hier über andere Landtagswahlen berichten.
Von Dänemark lernen heißt Siegen lernen
Uffe Dreesen hat wieder Verspätung, als er mit dem Regionalexpress in Nordhausen ankommt. Hier tritt Björn Höcke bei drückender Hitze am Rathaus auf. Der dänische Korrespondent hat schon mehrmals über Höcke berichtet, beispielsweise über die verbotene SA-Parole "Alles für Deutschland", wegen der Höcke dieses Jahr zweimal verurteilt wurde.
Bei uns in Dänemark geht alles etwas ruhiger zu.
Jetzt will Dreesen den rechtsextremen Politiker erstmals live sehen. Er muss schmunzeln, als Höcke ausgerechnet sein Heimatland in den höchsten Tönen lobt. Denn dort verfolgt die Regierung seit Jahren eine strenge Migrations- und Asylpolitik. Höcke ruft den Nordhäuser Zuhörern mehrfach zu: "Von Dänemark lernen heißt Siegen lernen" - eine zweckentfremdete Parole aus der Propaganda der DDR, die bekanntlich von der Sowjetunion lernen wollte.
Dreesen ist beeindruckt von Höckes scharfer Rhetorik. "Bei uns in Dänemark geht alles etwas ruhiger zu." Gleichzeitig sieht er Höckes Vergleiche kritisch. Dänemark ist viel kleiner und geografisch isolierter. Daher sei die Politik nicht einfach übertragbar auf Deutschland, als größtes Land der EU.
Schönes Land, schlechte Stimmung
Auch die belgische Korrespondentin Corry Hancké wundert sich über die politische Stimmung in Thüringen. "Ich habe Hass gefühlt und Wut - nicht angenehm!" Gleichzeitig versucht sie, die ostdeutschen Besonderheiten zu verstehen. Sie hat Steffen Maus Buch "Ungleich vereint" gelesen und hört in Alltagsgesprächen genau hin.
Die Wessis, die verstehen nicht, wie der Osten tickt. Das habe ich täglich gefühlt, täglich.
Abgesehen von der brisanten politischen Lage hat Thüringen einen sehr guten Eindruck bei der Journalistin hinterlassen. Erfurt sei sogar schöner als ihre Heimatstadt Antwerpen, sagt sie halb-ironisch. Auf jeden Fall will sie mit ihrem Mann einmal einen Städtetrip hierher machen. Auch Uffe Dreesen vom dänischen Fernsehen schwärmt von der Landschaft, als er sich an seine Rennsteigwanderung erinnert.
Aber erst einmal steht für beide Journalisten ein arbeitsintensives Wochenende bevor. Dreesen meint: "Thüringen ist im Moment ein interessantes Labor, vielleicht sogar für die Zukunft Deutschlands. Deshalb muss ich unbedingt hier sein."
MDR (lls)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 30. August 2024 | 19:00 Uhr