70. Jahrestag der Buchenwald-Befreiung Herz: Jugend muss Menschenrechte und Freiheit verteidigen
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12. April 2015, 05:00 Uhr
In Weimar ist am Sonntag an die Befreiung des NS-Konzentraionslagers Buchenwald vor 70 Jahren erinnert worden. Im Deutschen Nationaltheater in Weimar wurde am Vormittag ein "Europäischer Gedenkakt" abgehalten, bei dem Zeitzeugen von ihren Leiden in Konzentrationslagern und bei der Verfolgung durch das Naziregime berichteten. Mehrere Redner, unter ihnen der Präsident des Buchenwald-Komitees ehemaliger Häftlinge, Bertrand Herz, der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow und der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, appellierten dabei an die Menschen, für Demokratie und Freiheit und gegen den Fremdenhass und Rassismus aufzutreten. Am Nachmittag gab es eine Gedenkveranstaltung in der KZ-Gedenkstätte auf dem Ettersberg bei Weimar, bei der mehrere ehemalige KZ-Häftlinge den "Buchenwald-Schwur" von vor 70 Jahren erneuerten.
Der Präsident des Buchenwald-Komitees überlebender KZ-Häftlinge, Bertrand Herz, hat an die Jugendlichen in der Welt apppelliert, für Menschenrechte und Freiheit einzutreten. Beim "Europäischen Gedenkakt" anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des NS-Konzentrationslagers Buchenwald am Sonntag in Weimar sagte der Franzose, auch 70 Jahre nach dem Schwur der Buchenwald-Häftlinge seien Fremdenhass und die Unterdrückung von Menschen in vielen Teilen der Welt nicht beseitigt. "Ich fordere die Jugendlichen deshalb dazu auf, widerständig zu sein, wenn es darum geht, die Menschenrechte und die Freiheit zu verteidigen", sagte der 85-Jährige. Er bekräftigte zugleich, die Überlebenden der Konzentrationslager würden weiter gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kämpfen.
Ramelow: Demokraten müssen gegen Fremdenhass auftreten
Zum Auftakt des Gedenkaktes hatte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow den Soldaten der Alliierten im Zweiten Weltkrieg dafür gedankt, dass sie "unser Land von der Hitlerbarbarei befreit haben". Sie hätten in den Konzentrationslagern "die Apokalypse gesehen" und angesichts der ausgezehrten, mehr toten als lebendigen Häftlinge begriffen, "wofür sie all die langen Monaten gekämpft haben".
Angesichts der jüngsten fremdenfeindlichen Anschläge wie in der KZ-Gedenkstätte Jonastal oder in Tröglitz müssten die Demokraten heute "noch mehr und überall Gesicht zeigen" und ihre Stimme erheben, "wenn Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass immer offener zutage traten. Wenn Brandstifter von heute dem Geist der Mordbrenner von damals folgen, dann sind wir gefordert", sagte der Linke-Politiker.
Danke, dass Sie vor 70 Jahren da waren und dass Sie heute wieder hier sind.
Schulz: Dämonen erheben immer noch ihre hässliche Fratze
Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), zeigte sich besorgt über Fremdenfeindlichkeit in Europa gezeigt. Antisemitismus, Rassismus, Ultranationalismus und Intoleranz seien "Dämonen, die wir in Europa für überwunden hielten und die doch imemr wieder jeden Tag in dem Europa von heute ihre hässliche Fratze erheben", sagte er. Schulz nannte als Beispiele unter anderem die islamistischen Anschläge auf die französische Zeitschrift "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris vor einigen Monaten.
Schulz betonte, das einige Europa basiere auf den Grundwerten Freiheit, Demokratie und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte. Der Schwur "Niemals wieder" der Buchenwald-Häftlinge und der Glaube der Überlebenden, dass man eine bessere Welt schaffen kann, "sollen uns heute und für alle Zeiten als ethische Richtschnur dienen", sagte er.
Zeitzeugen berichten von ihren Erlebnissen
Neben Herz kamen drei weitere Zeitzeugen zu Wort. Der niederländische Sinto Zoni Weisz erzählte, wie er mit Hilfe eines niederländischen Polizisten vor dem Einsteigen in den Deportationszug nach Auschwitz fliehen und entkommen konnte. Seine Familie sei in Auschwitz oder im KZ Mittelbau-Dora ermordet worden. Weisz richtete seine Worte an die heute Lebenden: "Werden Sie nicht zum Weggucker, werden Sie nicht zum Mitläufer - denn dann werden Sie zum Mittäter." Die ungarische Jüdin Eva Pusztai, die zunächst in Buchenwald und später in einem Außenlager in Hessen inhaftiert war, berichtete: "Ich war in Weimar, der Stadt meiner Träume, in einem stinkenden Häftlingskittel."
Die Rede von Ivan Ivanji aus Belgrad wurde von Volkhard Knigge gelesen, dem Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Ivanji hatte auf die Reise nach Weimar verzichtet, weil seine Frau nach den Worten Knigges im Sterben liegt. Ivanji hat in seiner Rede notiert, wie er der Deportation von Buchenwald nach Auschwitz entging: Er sei auf der Transportliste ausgetauscht worden - von wem und für wen, wisse er nicht. Er habe vergeblich versucht, es herauszufinden.
Werden Sie nicht zum Weggucker, werden Sie nicht zum Mitläufer - denn dann werden Sie zum Mittäter.