Der Redakteur | 16.11.2022 Wann Sie Widerspruch gegen Ihren Grundsteuer-Bescheid einlegen müssen
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18. November 2022, 11:50 Uhr
Grundsteuererklärung abgegeben, Bescheid erhalten, Problem gelöst - von wegen: Bei manchen Thüringern fangen die Probleme mit dem Grundsteuer-Bescheid erst richtig an. Unser Redakteur Thomas Becker erklärt, was es mit fehlerhaften Bescheiden auf sich hat und wann Sie dringend Widerspruch einlegen sollten.
Wer zu den Glücklichen gehört, die ihre Grundsteuererklärungen bereits der "Elster" anvertraut haben, könnte immer noch zum großen Pechvogel werden. Denn die wirklichen Tücken des Systems liegen viel tiefer, als die meisten Steuerzahler vermuten. Steuerexperten mahnen, Finanzministerien wiegeln ab und der ratlose Steuerzahler hält zwei Bescheide in der Hand, die vor Fachbegriffen nur so strotzen.
Wie falsch sind die ersten Bescheide zur Grundsteuer?
Hintergrund für die Unruhe im System ist das System selbst. Mit der "Elster"-Abgabe hat der Grundstücksbesitzer zunächst nur erklärt, wie er die Dinge sieht. Mit den Angaben zu Eigentumsverhältnissen, Grundstücksgröße, Baujahr, Wohnfläche, Nutzungsart, Bodenrichtwert, Zustand des Objekts und so weiter wird ein komplexes Rechensystem gefüttert, das mit Hilfe von Liegenschaftszinssatz, Reinertrag, Mietniveaustufe, Rohertrag, Umrechnungskoeffizienten, Bewirtschaftungsfaktor, Abzinsfaktor und so weiter im Ertragswertverfahren einen Grundsteuerwert ermittelt, der aber leider nichts mit dem Verkehrswert des Grundstückes zu tun hat.
Man darf es nicht verwechseln, das ist auch eine Botschaft an die Eigentümer: Wir berechnen hier nicht den Verkehrswert des Grundstückes!
Der Bescheid über den Grundsteuerwert wäre also der erste Bescheid. Der zweite steckt - das sei positiv hervorgehoben - kostengünstig im gleichen Umschlag und kann somit leicht übersehen werden. Er ist kurz und berechnet aus dem umständlich ermittelten Grundsteuerwert durch die Multiplikation mit der Steuermesszahl den Steuermessbetrag. Der wird dann 2025 mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert, den heute noch niemand kennt - nicht einmal die Gemeinde selbst - und dann erst ergeht der Grundsteuerbescheid mit dem Zahlbetrag. Das ist alles so nervig, dass man geneigt ist, die Papiere ungesehen abzuheften. Mit fatalen Folgen, wenn man Pech hat.
2025 - das ist doch noch ewig hin!
Mit dieser Zeitschiene von drei Jahren könnte der entspannte Steuerzahler auf die Idee kommen, wenn dann der "echte" Bescheid kommt und ich endlich weiß, wieviel ich zu zahlen habe, kann ich immer noch Einspruch einlegen. Falsch gedacht! Denn dann sind die beiden Bescheide, die in diesen Tagen bei allen Grundstücksbesitzern eintrudeln, rechtskräftig.
Die Einspruchsfrist beträgt - wie meistens - vier Wochen ab Zustellung. Das bedeutet: Selbst dann, wenn in den Bescheiden aufgrund eigener Fehler oder Fehlern im System völlig utopische Zahlbeträge herauskommen, werden diese Beträge fällig.
Da hilft nicht einmal das Bundesverfassungsgericht, wenn es in geschätzten drei Jahren über die erste Klage in Sachen neuer Grundsteuer entscheidet, weil die Bescheide keine Vorläufigkeitsvermerke enthalten. Dieser Auffassung sind zumindest in großer Zahl die Kammern und Verbände der Steuerberater in Deutschland. Nicht aber die Steuerbehörden selbst. Die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert (SPD) sagte im MDR THÜRINGEN-Interview, dass das Verfassungsgericht ein nicht verfassungsgemäßes Gesetz ja aufheben würde und dann wäre auch niemand benachteiligt.
Wenn ein Gericht feststellen würde, dass das Bundesmodell verfassungswidrig werden, müsste das Gesetz aufgehoben werden und dann gehen wir qua Amt vor, das heißt: Keiner verliert dann irgendwas.
Das sehen die Steuerberatergremien anders. In einem Rundschreiben des Thüringer Steuerberaterverbandes an die Mitglieder heißt es, dass es schwer einschätzbar sei, ob das BVerfG eine rückwirkende Nichtigkeit der neuen Bewertungsregelungen feststellen würde. Davon würden dann tatsächlich alle profitieren.
In der Praxis war es aber häufig anders. Der Steuerberaterverband verweist hier auf Urteile zur Vermögen-, zur Erbschaft- oder auch zur Grundsteuer, in denen das Gericht vor allem für die Zukunft geurteilt hat. Im Klartext: Was rechtskräftig ist, das bleibt so, alle künftigen Fälle regelt ihr bitte neu. Nur mal so am Rande: Die bisherigen Grundsteuerbescheide wurden mit dem Urteil, dass die ganze Geschichte erst losgetreten hat, ja auch nicht aufgehoben.
Unsicher ist, ob das Bundesverfassungsgericht eine etwaige Nichtigkeit der neuen Rechtsgrundlagen rückwirkend oder aber nur für die Zukunft anordnet.
Auch bezeichnet Thüringens Finanzministerin Taubert den Bodenrichtwert als quasi unantastbar, was Experten bestreiten. Steuerberater verweisen jetzt schon auf Fälle sehr unterschiedlicher Bodenrichtwerte innerhalb einer Straße.
Der Bodenrichtwert geht als Faktor in die Berechnung des Grundsteuerwertes ein. Und da ist es nicht egal, ob der Wert bei 40 Euro pro Quadratmeter liegt, bei 170 oder 450. Hinzu kommt, dass es bei den Werten offenbar regelmäßig Korrekturbedarf gibt. Das Land Berlin hat eine eigene Internetseite geschaffen, auf der die regelmäßigen Fehlerkorrekturen verzeichnet sind. Experten raten dazu, sich bei starken Abweichungen an den Gutachterausschuss zu wenden.
Unterschied Vorbehalt der Nachprüfung und Vorläufigkeit Der Vorbehalt der Nachprüfung: Das Finanzamt kann Steuerbescheide unter dem "Vorbehalt der Nachprüfung" erlassen. Damit ist der Bescheid noch nicht endgültig und kann jederzeit zu Ihren Gunsten aber auch zu Ihren Ungunsten geändert werden. Die Vorläufigkeit bezieht sich hingegen nicht auf die gesamte Steuerfestsetzung, sondern nur auf einen vom Finanzamt genau zu bestimmenden Teil, in der Regel bezogen auf ein anhängiges Verfahren vor Gericht. https://www.finanzamt.nrw.de
Die Steuerberater und die Windmühlen
Wegen dieser Erfahrungen haben die Steuerberatergremien der Länder und auch die Bundesvereinigungen schon während der Gesetzgebungsphase beim Bund vergeblich darauf gedrungen, die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) zu erlassen.
Das hätte den Steuerpflichtigen und deren Beratern die Möglichkeit eröffnet, ohne größeren Aufwand auch nachträglich Daten berichtigen zu können. Angenehmer Nebeneffekt: Es wären keine Einsprüche nötig gewesen. Und Einsprüche lösen bei den Finanzbehörden immer weitere Schriftwechsel aus. Eine klassische Win-Win-Situation inklusive Bürokratievermeidung.
Das wurde von den Finanzministerien von Land und Bund auch diskutiert und abgelehnt. Man sei sich sehr sicher, dass alles in Ordnung ist, das unterstrich auch Thüringens Finanzministerin Taubert. Doch ist es das wirklich? Noch sind die Bescheide über Grundsteuerwert und -messbetrag nur sehr spärlich in den Briefkästen der Grundstückseigentümer eingegangen. Und trotzdem suchen bundesweit bereits viele Mandanten ihre Steuerberater auf und bitten, die für Normalbürger kaum verständlichen Bescheide auf mögliche Fehler zu prüfen.
Das Ergebnis: Doppelte Wohnflächen, falsche Angaben zur Kernsanierung und weitere teure Eingabefehler, die "Elster" klaglos geschluckt hat. Denn das Programm hat zwar einige Plausibilitätsprüfungen, aber nachgerechnet werden die Angaben nicht. Zudem diskutieren Steuerberater bundesweit, ob nicht gar grundsätzliche Eckpunkte des neuen Grundsteuersystems verfassungswidrig sind.
Uns liegen einige Schriftwechsel vor, die sehr fachlich an die Angelegenheit herangehen und zum Beispiel auf die unterschiedlichen Bewertungsmethoden in den Bundesländern abzielen, auf extreme Pauschalierungen zum Beispiel bei der Einstufung in Mietniveaustufen, auf "nicht ausreichend differenzierende Äquivalenzmodelle", die Ermittlung der Bodenrichtwerte und so weiter und so fort. Der gemeine Grundstückseigentümer hat sich an dieser Stelle längst aus der Diskussion verabschiedet. Aber zahlen muss er trotzdem.
Was machen wir denn nun?
Die allgemeine Unsicherheit macht auch vor den Steuerberatern nicht halt. Das zeigt auch das Rundschreiben an die Kollegen. So bestehe die Möglichkeit, durch einen Einspruch zu versuchen, den Bescheid offen zu halten und sich dann an ein Klageverfahren im Rahmen eines Vorläufigkeitsvermerks anzuhängen.
"Schwer einschätzbar sei, wie schnell die Finanzverwaltung über einen Einspruch entscheidet", so der Verband. Würde der Einspruch abgelehnt, bevor eine Klage zur Verfassungsmäßigkeit vor einem Finanzgericht anhängig ist, müsste selbst Klage erhoben werden. Aber wer will das schon auf sich nehmen? Einige Steuerberater schon, sie haben MDR THÜRINGEN diese Klagebereitschaft bereits signalisiert. Aus Thüringen und anderen Bundesländern.
Dabei geht es nicht darum, die Zahlung der Grundsteuer zu verhindern, die ja die Gemeinden ertüchtigt, Kindergärten und so weiter zu bauen. Auch wenn diese "Vermeidungs-Vorwürfe" seitens der Politik gern erhoben werden. Aber wenn schon ein neues Gesetz geschaffen wird, argumentieren die Steuerberater, wäre es doch gut, wenn alles auf rechtlich sicherem Grund stünde bei der Grundsteuer.
So bleibt dem "Elster"-geplagten Grundsteuerzahler nur der Weg, sich noch einmal in die Materie einzuarbeiten und die beiden eingegangenen Bescheide zu prüfen. Die Kollegen des Portals T-Online.de haben eine Übersicht erstellt, die sich als Vorlage eignet.
Grundsteuererklärung kann auch Mietern auf die Füße fallen
Wenn bei der Überprüfung Fehler entdeckt worden sind - auch eigene Fehler - dann unbedingt innerhalb der Vier-Wochen-Frist schriftlich Einspruch einlegen oder eben doch einen Steuerberater um Unterstützung bitten.
Und wer jetzt glaubt: Zum Glück bin ich als Mieter raus aus der Nummer - Irrtum! Wenn sich der Vermieter so richtig vertan hat bei seiner Grundsteuererklärung, dann haben alle was davon. Die Grundsteuer wird nämlich auf alle Mieter umgelegt.
Quelle: MDR THÜRINGEN (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 16. November 2022 | 15:50 Uhr
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