Angesprochen - Ausgesprochen Thüringer Hebammen fordern Eins-zu-Eins-Betreuung während Geburt

26. November 2022, 05:00 Uhr

Annika Wanierke ist Hebamme in Thüringen und Vorsitzende des Hebammenlandesverbands. Im Podcast "Angesprochen - Ausgesprochen" haben wir mit ihr über den Stand von Hebammen in Deutschland, über Bezahlung, über die Wertschätzung und allgemein über die Versorgung von Schwangeren gesprochen.

Eigentlich sollte die Situation der Hebammen und damit auch die der Frauen rund um die Geburt verbessert werden. So hatte es die neue Bundesregierung versprochen. Entsprechend sorgte vor einigen Tagen eine Nachricht für negative Schlagzeilen - die Ampel hatte die Finanzierung der Hebammen im Pflegebudget gestrichen.

Seit Jahren kämpfen Hebammen in Deutschland um eine angemessene Bezahlung. Das stand nun wieder auf der Kippe. Es ist nicht der einzige Konflikt innerhalb der Berufspolitik von Hebammen, erzählt Annika Wanierke. Sie ist Vorsitzende des Thüringer Hebammenlandesverbandes.

Krankenhäuser sparen an Hebammen

Würde die Neuregelung tatsächlich umgesetzt werden, so sagt Wanierke, würden die Krankenhäuser das Budget für Hebammen auf Wochen- und Schwangerenstationen nicht refinanziert bekommen. Geburten wären rein rechnerisch für die Kliniken unattraktiv - besonders für jene, die sowieso bereits finanzielle Probleme hätten.

Zwar sei Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem öffentlichen Aufschrei umgehend zurückgerudert und habe die Pläne zurückgestellt, doch teilweise hätten Krankenhäuser bereits begonnen umzuplanen, sagt Wanierke: "Wir befürchten einfach, dass ab 2025 Kolleginnen nicht mehr eingestellt oder sogar entlassen werden."

Kreißsäle in Schleiz, Greiz und Hildburghausen geschlossen

Dabei sei die Lage im ländlichen Thüringen bereits jetzt mancherorts angespannt. In der Corona-Zeit seien drei Kreißsäle geschlossen worden - in Schleiz, Greiz und Hildburghausen. Das bedeute, so sagt Annika Wanierke, dass in Süd- und Südostthüringen rund 900 Frauen einen anderen Geburtsort aufsuchen müssten.

Es komme nun darauf an, sagt die Verbandsvorsitzende, neue Versorgungskonzepte für die betroffenen Regionen zu suchen. Dazu habe die Landesregierung eine Zukunftswerkstatt ins Leben gerufen, an der sich der Hebammenverband beteilige.

Annika Wanierke verweist auf Schweden. Auch dort seien viele Kliniken im ländlichen Raum geschlossen worden. Zur Geburt müssten die Frauen weit fahren. Doch für die gesamte Betreuung rund um die Geburt seien Strukturen aufgebaut worden, die die Frauen und Familien weiter vor Ort unterstützten.

Es könne ja auch sein, dass eine Frau gar nicht recht wisse, ob die Geburt tatsächlich losgehe. Dann brauche sie jemanden, der nach ihr und dem Baby schaue.

Eine Hebamme ist ja nicht aus Spaß Hebamme geworden, sondern weil sie einfach Frauen in dieser so wichtigen Phase gut begleiten möchte.

Annika Wanierke

Eine Frau sitzt während der Wehen auf dem Geburtshocker und wird von ihrer Hebamme betreut
Gebärende Frauen brauchen Sicherheit und erfahrene Ärzte und Hebammen um sich. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Vorbild Großbritannien: eine Hebamme - eine Gebärende

Der Blick auf andere Länder in Europa lohne also. Auch zum Beispiel nach Großbritannien, sagt Wanierke. Dort sei in den vergangenen Jahren das umgesetzt worden, wovon Hebammen hierzulande noch träumten: die Eins-zu-Eins-Betreuung zwischen Hebamme und Schwangerer. Das bedeute, dass die Hebamme "eben nicht zwischen drei Gebärenden hin- und herflitzen muss".

Es gebe zwar Zeiten, wo keine Geburt in Sicht sei, aber "wenn eben wirklich viele Babys gleichzeitig kommen, zerreißen sich meine Kolleginnen in den Kreißsälen". Das sei erstens für eine Gebärende ein unmöglicher Zustand, aber er sei auch für eine Hebamme unhaltbar. "Eine Hebamme ist ja nicht aus Spaß Hebamme geworden, sondern weil sie einfach Frauen in dieser so wichtigen Phase gut begleiten möchte."

Auch Männer als Hebammen willkommen

Einfach sei die Umsetzung vermutlich nicht. Denn schon jetzt gebe es einen Mangel an Hebammen in Kliniken, ähnlich wie bei Ärzten oder allgemein beim Pflegepersonal. "Wir schlagen tatsächlich vor, von Hebammen geleitete Kreißsäle einzurichten", sagt Annika Wanierke.

Damit werde das Arbeiten für die Kolleginnen attraktiver. Nur so könne auch die Ausbildung des Nachwuchses gesichert werden. Dieser Nachwuchs muss im übrigen nicht weiblich sein. In Thüringen arbeitet gegenwärtig ein Mann als Hebamme, ein weiterer wird zurzeit ausgebildet.

MDR (dvs)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 26. November 2022 | 06:10 Uhr

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