Nach den Autokorsos Wie die Energiepreis-Krise in Thüringer Betrieben weiter schwelt

01. Mai 2023, 21:18 Uhr

Es ist ziemlich genau ein halbes Jahr her, dass in Thüringen Autokorsos angesagt waren. Zwischen Saalfeld und Rudolstadt oder in Jena waren viele Handwerker unterwegs, um gegen hohe Energiepreise zu protestieren. Dann konkretisierte die Bundesregierung endlich ihre Energiepreisbremsen, die Landesregierung legte sogar einen Härtefallfonds auf. Doch was ist nun, ein reichliches Jahr nach Beginn des Ukraine-Kriegs, aus der Energiekrise geworden?

Als Erstes berichtet Konditormeister Stefan Lobenstein: "In meinem Umfeld haben drei Traditionsbetriebe aufgegeben." Dabei sei es allerdings nicht nur um steigende Energiekosten gegangen, auch andere Gründe hätten eine Rolle gespielt. Lobenstein sagt aber auch, nach Zahlen des Zentralverbands des deutschen Bäckerhandwerks sei der jährliche Anteil der Betriebe, die aufgegeben hätten, nicht höher als sonst auch.

Preisbremsen und Rettungsmaßnahmen als Sicherheitsnetz

Im Herbst sei vor allem die Ungewissheit lähmend gewesen, wie es weitergeht. "Das ist es, was einen umbringt. Wenn die Situation nicht mehr kalkulierbar ist", sagt Lobenstein, der im Ehrenamt auch Präsident der Handwerkskammer in Erfurt ist. Inzwischen seien viele Kosten immerhin wieder kalkulierbar.

Das ist es, was einen umbringt. Wenn die Situation nicht mehr kalkulierbar ist.

Stefan Lobenstein Konditormeister und Präsident der Erfurter Handwerkerkammer

Die Preisbremsen und Rettungsmaßnahmen hätten ein Sicherheitsnetz gebildet - und parallel hätten sich Preise inzwischen wieder beruhigt. Allerdings auf einem deutlich höheren Niveau als vor Krieg, Sanktionen und russischem Lieferstopp. Er zahle heute ein Viertel mehr als vor einem Jahr für das Erdgas, das er über die Stadtwerke Erfurt bezieht.

Porzellanfabrik hatte Glück mit langfristigen Gasverträgen

Glück hatte die Porzellanfabrik Hermsdorf. Geschäftsführerin Sybille Kaiser sagte MDR THÜRINGEN, sie sei über Jahre von anderen Unternehmen belächelt worden, weil sie stets Gas für drei Jahre im Voraus bestellt habe. Anfang 2022, noch vor dem Krieg, seien die Lieferungen für 2025 geordert worden. "Es hat sich herausgestellt, dass die Vorsorge genau richtig war."

Gas ist für den Betrieb ein wichtiger Energieträger, um technische Keramik in riesigen Öfen brennen zu können. Andere Industriekeramiker aus Hermsdorf mussten sogar ihre Produktion zurückfahren, weil ihr kurzfristiger gekauftes Gas sprunghaft teurer wurde.

Es hat sich aber herausgestellt, dass die Vorsorge genau richtig war.

Sybille Kaiser Chefin der Porzellanfabrik Hermsdorf

Einige Hersteller wollten wohl schon vor Energiekrise aufgeben

Die Preisbremsen würden nur 70 Prozent des Bedarfs decken, berichtet Kaiser weiter. Dazu kommt, dass das Bezugsjahr für diese 70 Prozent das Corona-Jahr 2021 war, in dem viele Unternehmen nicht unter Volllast produziert hätten. Andere Unternehmen hätten den Gas-Lieferanten häufig gewechselt und kurzfristig eingekauft, um Geld zu sparen. Das räche sich nun. Aber Kaiser weiß auch: Einige Porzellanhersteller, die aufgegeben haben, hätten das schon länger vorgehabt. In manchen Fälle sei die Energiekrise da eher ein Vorwand gewesen.

Bei Schott in Jena kommt Gas nun auch per Tanklaster

Ein weiterer Großverbraucher von Erdgas ist Schott in Jena. Hier wird Spezialglas hergestellt, zum Beispiel für bruchfeste Bildschirme von Smartphones oder Tablet-Computern, für Sicherheitsglas oder auch medizinische Anwendungen. Temperaturen von bis zu 1.500 Grad Celsius müssen erzeugt werden - und die Glaswannen dürfen nie erkalten. Dann nämlich würden sie kaputtgehen und müssten ersetzt werden.

"Wir haben vor dem Krieg ausschließlich Erdgas verwendet. Kohle und Öl können wir nicht nutzen", sagt Silvio Scherf, Geschäftsführer der Schott Jenaer Glas GmbH. Im Sommer habe man einen ersten erfolgreichen Langzeittest mit Propangas absolviert. Und dabei ging es nicht vordergründig um den Gaspreis, der im Sommer zeitweise auf das 15-fache des Vorkriegsniveaus gestiegen war. "Es ging und geht ausschließlich um Versorgungssicherheit. Die Preise sind schwankend, je nach Bedarf und Verfügbarkeit. Bei uns war erklärtes Ziel, eine zweite Linie aufzubauen, mit der wir sicher sein können, dass unsere Prozesse nicht gestört werden."

Die Infrastruktur dafür musste aber auch erst gebaut werden. Denn Propangas kommt nicht aus der Leitung, sondern regelmäßig per Tanklaster. Aber so kommen Gaslieferungen aus verschiedenen Quellen. Die Mehrkosten seien zwar in Übersee nur schwer vermittelbar. Einen Teil könne man umlegen, aber dafür gebe es Grenzen. Auch heute zahle man fürs Gas noch bis zu 80 Prozent mehr als vor der Krise. "Und selbst wenn die Preise im Moment etwas gefallen sind. Die können auch wieder steigen." Das Unternehmen sei also gefragt, noch effizienter zu arbeiten.

Immerhin, die Politik - in Thüringen und auf europäischer Ebene - habe manches Problem erkannt und Fördermöglichkeiten verbessert. "Vor allem für den Bereich Energieeinsparung. Und wir brauchen nachhaltige Prozesse mit wenig Energieeinsatz." Ohnehin will der Spezialglashersteller bis 2030 klimaneutral arbeiten.

Konditormeister verkürzt Öffnungszeiten und startet Brotkalender

Praktisch überall muss also mehr für Energie ausgegeben werden. Und dann werden plötzlich auch Zulieferungen teurer. "Lebensmittel, Zulieferprodukte, Wartungen, Inspektionen - alles gestiegen", fasst Konditormeister Lobenstein zusammen. Immerhin, bei den Lebensmitteln werde gerade hier und da etwas billiger. Aber dass er wieder Preise senken kann, glaubt er nicht. Und auch er musste im Betrieb effizienter werden. "Wir haben die Öffnungszeiten verkürzt. Früher hatten wir in der Woche ab sechs Uhr geöffnet, jetzt ab sieben. Samstag hatten wir bis 13 Uhr geöffnet, jetzt schließen wir um 12."

Und es gibt nun einen Brotkalender. "Wir haben immer noch die Vielfalt mit 30 Sorten Brot und 30 Sorten Brötchen. Aber es gibt eben nicht mehr alles zu jeder Zeit." Buchweizenbrot etwa gebe es nur noch einmal pro Woche. "Da machen wir 16 Stück." Nicht viel im Vergleich zu 100 Mischbroten pro Tag. Das sei nur eine Nische, jedoch gebe es eben Allergiker, die andere Sorten nicht vertragen. "Aber es ist eben auch unser Anspruch als Handwerksbetrieb, nicht nur Massenware herzustellen."

Energiekrise ist noch nicht vorbei

Aus anderen Branchen, etwa vom Verband der Autozulieferer Automotive Thüringen, ist zu hören, dass die hohen Energiekosten es schwierig machten, zu investieren. Nicht gut in einer Zeit, in der sich die Autoindustrie im Umbruch befindet.

Im Landtag wurde indes schon debattiert, ob die Millionen des Härtefallfonds nicht anderweitig genutzt werden soll, denn das Interesse hielt sich bisher in sehr engen Grenzen. Doch da gab es bereits mahnende Stimmen: Vorsicht vorm nächsten Winter. Und ob im Porzellanwerk, im Glaswerk oder in der Bäckerei: Es ist stiller geworden um die Energiekrise. Aber vorbei ist sie nicht.

Die Energiekrise und die Folgen in Thüringen

MDR (rom)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. Mai 2023 | 19:00 Uhr

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