Wirtschaft Thüringer Brauereien kämpfen mit teurer Energie und niedrigen Preisen
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22. Juli 2023, 14:40 Uhr
Hohe Kosten, Preisdruck vom Einzelhandel und zu wenig Geld, um zu modernisieren: Die deutschen Brauereien kämpfen an mehreren Fronten. Der Chef der Veltins-Brauerei hatte kürzlich vorhergesagt, dass vor allem kleinere Betriebe gefährdet seien. Was ist dran? MDR THÜRINGEN hat mit zwei Thüringer Brauereien ausführlich gesprochen. Auch die haben zu kämpfen. Aber es gibt durchaus Auswege.
Die Thüringer Brauereien sind in Sorge: Wegen anhaltend hoher Energiekosten müssten sie investieren in sparsamere Heizkessel. Teilweise steigt auch der Platzbedarf durch zunehmende Arbeitsschutz-Vorschriften. Doch die wirtschaftliche Lage ist angespannt.
So erwartet der Handel von den Brauereien bereits wieder Preissenkungen. Der Chef der Veltins-Großbrauerei hatte vor einigen Tagen gesagt, er rechne damit, dass vor allem viele kleinere Brauereien in nächster Zeit aufgeben müssten - wegen fehlender Nachfrage aus der Gastronomie nach Corona und wegen eines Investitionsstaus.
Früher viel mehr Gaststätten auf dem Land
Diese Analyse hält Bernd Ehbrecht von der Brauerei Neunspringe aus Leinefelde-Worbis für zutreffend. Allerdings sei das Eichsfelder Unternehmen kaum abhängig von Zulieferungen an die Gastronomie. "Unsere Region ist nicht sehr gastronomielastig", berichtet er. "Vor 30 Jahren gab es in jedem Ort im Eichsfeld zwei Gaststätten, heute gibt es noch in jedem fünften Ort eine. Das hat mit Corona wenig zu tun, das war schon vorher lange so."
Diese Einschätzung teilt sein Kollege Jürgen Kachold, Chef des Bürgerlichen Brauhauses in Saalfeld. "Corona können wir abhaken", sagt er. Auch der Personalmangel in der Gastronomie sei kein neues Problem, das gehe schon länger so. Wichtiger seien für seine Brauerei der Einzelhandel und Festveranstaltungen regionaler Vereine. Deshalb sei man von weniger Nachfrage aus der Gastronomie nicht so betroffen wie andere Brauereien.
Supermärkte verlangen Preissenkungen
Dennoch sei die Lage kritisch, besonders für kleine Brauereien. "Der Handel diktiert uns die Preise. Edeka und Netto verlangen jetzt schon wieder Preissenkungen von uns." Das bestätigt auch der Neunspringe-Chef. Aber "eine Preissenkung kann für uns überhaupt nicht in Frage kommen, weil die letzte Preiserhöhung, die wir gemacht haben, schon nicht ausreichte, um die Defizite abzudecken."
Gerade für kleinere und mittlere Betriebe der Branche sei eine Gefahr, dass sie vom Lebensmitteleinzelhandel genötigt würden, höhere Kosten nicht auf die Preise umzuschlagen: "Ich glaube, dass darunter auf Dauer die Vielfalt der deutschen Getränkelandschaft leiden wird." Die Kosten für Energie und Rohstoffe seien nämlich längst noch nicht wieder auf Vorkrisen-Niveau.
Auch aktuell sei Bier eigentlich zu billig: "Die Faustformel ist, dass ein Kasten 15 Euro kosten müsste", sagt Bernd Ehbrecht von Neunspringe. "Sonst verlieren entweder Landwirte, Mälzer, Brauer, Logistik oder Einzelhandel Geld. Unser Bier kostet aber oft nur 13 Euro im Laden."
Kosten für Malz und Energie deutlich gestiegen
Die Einschätzung teilt der Deutsche Brauer-Bund. Ein Informationszettel der Interessenvertretung listet es minutiös auf, wie sich Kosten im Mai 2023 gegenüber Januar 2022 darstellen: Braumalz bis zu 150 Prozent teurer, Neuglas bis zu 140 Prozent, Energie bis zu 150 Prozent, Frachtkosten bis zu 45 Prozent.
Dabei ist die pro Kopf getrunkene Menge Bier weiter rückläufig. Der Brauer-Bund erwartet nicht, dass das Vor-Corona-Niveau demnächst wieder erreicht wird. Im Jahr 2000 waren es noch 125 Liter pro Kopf und Jahr, inzwischen noch knapp über 90. Zudem verschiebt sich der Biergeschmack, in vielen Brauereien wird inzwischen Helles am stärksten nachgefragt, was viele vor einigen Jahren noch nicht einmal im Programm hatten.
Neue Maschinen brauchen Platz in der Brauerei
Und weil nicht alle diese Kostensteigerungen beim Handel akzeptiert werden, fehlt Geld. "Unsere Füllerei ist nach der Wende neu gemacht worden, die ist jetzt 25 Jahre alt", berichtet der Saalfelder Brauereichef Kachold. Wollte man neue und effizientere Maschinen einbauen, müssten die eingehaust werden, wegen des Arbeitsschutzes. Das aber brauche mehr Platz.
Also werde man dafür wahrscheinlich während des laufenden Betriebs ein neues Gebäude bauen. "Ich kann das ja schlecht eine andere Brauerei machen lassen." Förderung für energetische Sanierungen, etwa einen neuen Dampfkessel, gebe es praktisch nicht mehr. "Aber ohne sind solche Investitionen kaum zu stemmen."
Sonnenenergie soll Kosten um 20 Prozent senken
Nein, bedroht sei man nicht. Energie sei zuletzt zum Glück wieder etwas billiger geworden. Im Eichsfeld will man sich darauf nicht verlassen. "Wir haben eine Solaranlage installiert, die übers Jahr 50 Prozent unseres Strombedarfs decken soll", sagt der Chef. Im Sommer soll fast alles vom Dach kommen. "Wir haben eine Kernarbeitszeit von 6 bis 15 Uhr, im Zwei-Schicht-Betrieb bis 20 Uhr. Und da wir im Sommer auch die höchsten Produktionszahlen haben, passt das."
In acht Jahren soll die Investition bezahlt sein und 20 Prozent der Kosten für Wärme und Strom einsparen. Aber für Erdgas als Prozesswärme gebe es bisher keine überzeugende Alternative. In Saalfeld hat die Brauerei erst kürzlich von Öl auf gemischten Betrieb mit Gas umgestellt. Das ist effizienter. Aber am Gaspreis - und möglichen mehr oder weniger starken Preisbremsen des Staats - hängen die Brauereien trotzdem.
MDR (fg/mm)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 22. Juli 2023 | 19:00 Uhr
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