Eine Person informiert sich auf dem Ausdruck einer Bodenanalysekarte des Deutschen Wetterdienstes und einem Satellitenbild auf dem Monitor eines Computers über ein bevorstehendes Unwetterereignis Nordrhein-Westfalen
Die Hochs und Tiefs auf den Bodenanalysekarten (hier im Vordergrund) helfen Meteorologen bei der Wetterprognose genauso wie die Satellitenbilder der Erde (Hintergrund). Bildrechte: IMAGO / Gottfried Czepluch

Wetter Was kann die Wettervorhersage - und was nicht?

10. Juli 2024, 13:22 Uhr

Gefühlt sind wir alle Wetterexperten. Selbst dann, wenn wir gemütlich Zuhause bleiben, scheint ein Blick aus dem Fenster zu reichen und wir erleben das Wetter. Doch war statt Regen nicht Sonne vorhergesagt und wo bitte bleiben die angekündigten Gewitter? Warum sind Prognosen oft unterschiedlich und wie werden sie eigentlich erstellt? Diese einfachen Fragen können nicht so einfach beantwortet werden. Fangen wir zunächst dort an, wo das Wetter geschieht ...

Wo findet das Wetter statt?

Unsere Erde wird von der Atmosphäre umhüllt. Deren unterste Schicht ist die Troposphäre. Sie reicht in den Tropen bis zu einer Höhe von etwa 17 Kilometern. An den Polen endet sie bereits bei einer Höhe von sieben Kilometern. In dieser Schicht findet das gesamte Wettergeschehen statt. Dafür sorgt die Sonne. Sie erwärmt den Erdboden unterschiedlich. Dadurch steigt die warme Luft auf und die kalte Luft sinkt ab.

Das Wettergeschehen findet in der Troposphäre statt.
In der Troposphäre findet das Wetter statt, dort ist fast der gesamte Wasserdampf der Erdatmosphäre enthalten. Bildrechte: PantherMedia / Matthew Cole

Das hat zur Folge, dass sich verschiedene Wirbel bilden, die die Troposphäre kontinuierlich durchmischen. Diesen Vorgang beschreibt auch der Begriff Troposphäre ganz direkt. Denn das altgriechische Wort "trope" bedeutet Wendung und Änderung.

Ohne Messwerte keine Vorhersage

Damit weltweite und regionale Wettervorhersagen gemacht werden können, sind Beobachtungen aus der gesamten Welt notwendig. Denn das Wettergeschehen findet global statt.

Dabei stehen am Anfang einer jeden Prognose die Messdaten des Ist-Zustands. Aufzeichnungen über das Wetter gibt es bereits seit Jahrtausenden. Die systematische Erfassung geht auf die Mannheimer Meteorologische Gesellschaft zurück. Deren Datenreihe begann im Jahr 1781. Sie wird bis heute weitergeführt und nach wie vor für Vergleiche herangezogen. Fällt im Wetterbericht die Einordnung "seit Beginn der Wetteraufzeichnung" ist maximal diese Datenreihe gemeint.

Blick von einem Berg in ein Tal bei blauem Himmel. Im Vordergrund steht ein Hotel, vor dem mehrere Autos parken.
Am 1. Januar 1916 begannen an der Wetterwarte Fichtelberg regelmäßige Wetterbeobachtungen - sie laufen seit dem 1. Januar 2019 vollautomatisch. Bildrechte: MDR/Nora Kilenyi

Die globale Wetterbeobachtung erfolgt heutzutage unter anderem über Wetterstationen, Schiffe, Messbojen, Flugzeuge, Höhenballons, Radar und Satelliten. Der weltweite Datenaustausch sowie die Einhaltung von Messstandards wird durch die Weltorganisation für Meteorologie geregelt.

Beim Sammeln von Daten können sich heutzutage auch Privatpersonen mit ihrem Handy beteiligen. Dafür haben die Technische Hochschule Zürich und das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse bei Wien die App Camaliot entwickelt. Sie sammelt Daten von Navigationssatelliten und stellt sie anonym der Wissenschaft zur Verfügung.

Computer berechnen Wettermodelle

Die Messdaten werden in Supercomputer eingespeist. Deren Programme legen ein imaginäres Gitternetz um die Erde. Für die dabei entstehenden Kreuzpunkte werden mithilfe mathematischer Formeln Zustände der Atmosphäre zu einem späteren Zeitpunkt berechnet. Das sind die sogenannten Modellvorhersagen.

Es gibt viele solcher Wettermodelle. Sie unterscheiden sich unter anderem durch die Dichte des Gitternetzes, haben also eine unterschiedliche Auflösung. Weltweite Prognosen liefern zum Beispiel das Modell des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), das US-amerikanische Modell (GFS) und das ICON-Modell des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

ICON Das ICON-Modell wurde gemeinsam vom DWD und dem Max-Planck-Institut für Meteorologie entwickelt. Es ist seit 2015 im Einsatz. Das Computerprogramm legt kein Gitternetz von außen auf die Erde, sondern platziert einen dreidimensionalen Körper in die Erde hinein - das Ikosaeder. Das ICON-EU-Modell erreicht eine Auflösung von 13 Kilometern. Eine noch höhere Auflösung hat das ICON-D2 für Deutschland, Österreich und die Schweiz mit 2,1 Kilometern. DWD

Das ICON-Modell verwendet ein Rechengitter, dem ein in die Erdkugel gedachter Ikosaeder zugrunde liegt.
Das Ikosaeder, bestehend aus zwanzig gleichseitigen Dreiecken, ist ein dreidimensionaler Körper, der sich der Kugelform annähert. Bildrechte: PantherMedia / ColorValley

Mehrere Modelle kombiniert

Regionale Vorhersagen, die auch Deutschland abdecken, bieten unter anderem das Super HD-Modell der Schweizer Firma Kachelmann, das DWD-Modell ICON-D2 und das französische Arome-Modell. "Da jedes dieser Modelle gerade bei kniffligen Wetterlagen mehr oder weniger unterschiedliche Modellösungen generiert, die (…) ähnlich gut sind, benutzt man diese auch in kleinen, heterogenen Ensembles", erklärt Janek Zimmer vom Team Kachelmann den Vorteil von Modell-Zusammenschlüssen. Dadurch seien zum Beispiel bei Gewitter- oder Starkregenwetterlagen Aussagen möglich, die mit nur einem Modell alleine nicht getroffen werden könnten.

Super HD-Modell "Das Super HD-Modell ist seit August 2015 bei der Kachelmann GmbH in Betrieb. Es startete damals auf einem kleineren Ausschnitt, der nur die Alpen abdeckte. Im November 2015 wurde es auf Deutschland und Norditalien ausgedehnt. Das Modell hat eine Gitterweite von ca. 1x1 Kilometer und ist damals das erste operationelle Ein-Kilometer-Modell Europas gewesen. Je kleiner die Gitterweite eines Modells ist, desto höher ist die Auflösung, also die Fähigkeit, kleinräumige Unterschiede direkt im Modell abzubilden, ohne im Nachgang mit statistischen Mitteln nachschärfen zu müssen."
Janek Zimmer / Team Kachelmann

Private Wetterfirmen haben zudem freien Zugang zu den Modellen und Daten der nationalen Wetterdienste, um eigene Folgeprodukte auf den Markt zu bringen. Das ist für sie ein wirtschaftlicher Vorteil. Denn laut DWD gehen die Großrechenzentren, die Wettersatelliten und die qualitativ hochwertigen Wetterbeobachtungen am Boden und in der Atmosphäre mit einem hohen finanziellen Aufwand einher.

Der DWD hat als Bundesbehörde die Aufgabe, die meteorologischen Erfordernisse aller Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche in Deutschland abzudecken. Er wird durch Steuermittel finanziert. Für 2024 ist laut DWD ein Etat von knapp 362 Millionen Euro geplant. Wiederum fließen die erwirtschafteten Einnahmen beispielsweise durch die Flugsicherheitsgebühr direkt in den Bundeshaushalt zurück.

Technische Fortschritte verbessern Vorhersagen

Da sich das Wetter ständig ändert, müssen die Modellvorhersagen immer wieder und schneller als das tatsächliche Wettergeschehen berechnet werden. Darum sind die Wetterprognosen mit jeder technischen Neuerung auch verbessert worden. Mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte bilanziert der DWD, dass eine heutige Prognose für die kommenden sieben Tage so zuverlässig sei wie eine 24-Stunden-Vorhersage vor 50 Jahren.

Diese historische Aufnahme aus dem Januar 1978 zeigt das damalige Rechenzentrum des Deutschen Wetterdienstes.
Im Januar 1978 war der Deutsche Wetterdienst mit diesem Rechenzentrum technisch auf dem neusten Stand. Bildrechte: Deutscher Wetterdienst (DWD)

Diese Einschätzung teilt auch Dennis Schulze, Geschäftsführer der deutschen Firma MeteoIQ: "Die verbesserten Rechnerkapazitäten ermöglichen, nicht nur eine Vorhersage zu rechnen, sondern fünfzig Berechnungen mit leicht geänderten Startbedingungen vorzunehmen. Damit kann man für viele Tage im Voraus sehen, ob es sich um eine stabile Wetterlage handelt oder kleine Änderungen zu großen Vorhersageunsicherheiten führen." 

DWD will KI einsetzen

Die Zukunft der Wettervorhersage hat längst begonnen: Im Juni 2024 stellte der DWD eigenen Angaben zufolge eine weltweit erstmals gelungene Prognose vor, bei der ausschließlich mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) Daten aus der Wetterbeobachtung in Vorhersagemodelle und Analyseprozesse eingespeist wurden.

Dies könne in Zukunft traditionelle Methoden ersetzen, reduziere Rechnerkosten und beschleunige Prozesse. Der DWD erwartet, dass Vorhersagen, die bisher 30 Minuten dauern, mithilfe von KI in wenigen Sekunden zur Verfügung stehen werden. Das soll vor allem in Extremwettersituationen eine Bedeutung haben.

Momentan befinden sich die KI-Modelle beim DWD aber noch in der Testphase. Sobald sie die operative Reife und Qualität hätten, kämen sie regulär zum Einsatz. Das soll voraussichtlich in den nächsten Monaten passieren. Ein konkretes Datum gebe es aber nicht.

Hausnummern- und minutengenaue Vorhersagen über mehrere Wochen hinweg wird sich die Natur nicht entlocken lassen.

Dennis Schulze Geschäftsführer MeteoIQ

Was eine Prognose nicht kann

Trotz aller Neuerungen ist eine hundertprozentige Vorhersage nicht möglich. Denn die Atmosphäre ist ein chaotisches System. Das bedeutet, dass eine kleine Veränderung der atmosphärischen Bedingungen an einem Ort eine große Auswirkung auf das Wetter an einem anderen Ort haben kann. Zudem sind manche Wetterlagen, wie beispielsweise Gewitter, auch kurze Zeit vorher nur schwer vorhersagbar. Damit wir uns trotzdem darauf vorbereiten können, gibt es offiziell durch den DWD entsprechende Vorabinformationen über mögliche Unwetter und zeitnah dann die entsprechenden, amtlichen Warnungen oder auch Entwarnungen.

Zu guter Letzt ist bei der Vielzahl der Wettervorhersagen auch entscheidend, von welcher Region und welchem Zeitraum jeweils die Rede ist. Eine Vorhersage, die sich auf ganz Deutschland bezieht, muss notgedrungen anders sein als eine Prognose für Mitteldeutschland oder ein Blick auf das zukünftige Wettergeschehen nur in Sachsen.

Zieht zum Beispiel eine Front von Westen heran, ist das für den Deutschland-Wetterbericht wichtig. Die Front kann auch Mitteldeutschland noch erreichen. Es ist aber möglich, dass sie Sachsen vermutlich erst in der Nacht überquert oder sich vorab schon aufgelöst hat. Aus diesem Grund müssen die Prognosen je nach Geltungsbereich anders formuliert werden.

Kommt hinzu, dass in den Wettervorhersagen mitunter so viele Informationen auftauchen, dass uns der eigene Kopf einen Strich durch die Rechnung macht: Wir hören und sehen manchmal nur, was wir hören und sehen wollen. Außerdem gilt nach wie vor, dass schönes Wetter für jeden etwas anderes ist.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 12. Juli 2024 | 19:00 Uhr

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