Klassenzimmer
Der Unterrichtsausfall in Sachsen hat einen neuen Höchstwert erreicht. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Kirchner-Media

Lehrermangel Jede zehnte Unterrichtsstunde in Sachsen ausgefallen

26. September 2023, 19:09 Uhr

8,5 Prozent aller geplanten Unterrichtsstunden sind im vergangenen Schuljahr in Sachsen ausgefallen, mehr als zwei Prozent wurden vertretungsweise in einem anderem Fach abgehalten. In einzelnen Schulen fand jede vierte Unterrichtsstunde nicht statt. Das liegt nicht nur am Lehrermangel. Viele der vorhandenen Pädagogen klagen über Mehrarbeit und Überforderung durch unterrichtsferne und neue Aufgaben. Die Folge: Der Krankenstand ist überdurchschnittlich hoch.

Im vergangenen Schuljahr sind in Sachsen mehr als 1,6 Millionen der insgesamt 21 Millionen Unterrichtsstunden ausgefallen. Das entspricht rund acht Prozent des geplanten Unterrichts, wie aus einer Übersicht des Kultusministeriums hervorgeht.

Dazu kommen außerdem fast 550.000 Vertretungsstunden, die in einem anderen Fach abgehalten wurden. Zusammengerechnet fand damit an Sachsens Schulen mehr als jede zehnte Unterrichtsstunde entweder gar nicht oder nicht regulär statt. Mehr als 620.000 Stunden wurden fachgerecht von einem Vertretungslehrer gehalten und zählen damit nicht als Ausfall.

Viele Stunden schon als Ausfall geplant

Einen großen Anteil am Unterrichtsausfall hat der Lehrermangel. Laut Kultusministerium blieben im vergangenen Schuljahr 1.220 Vollzeitstellen unbesetzt. Die Folge: Mehr als 450.000 Unterrichtsstunden fielen "planmäßig" aus, das heißt sie waren wegen Personalmangel oder fehlender Räumlichkeiten von vornherein nicht abgedeckt.

Das war besonders an Förderschulen der Fall, wo durchschnittlich 7,2 Prozent der Stunden planmäßig nicht stattfanden, gefolgt von den Oberschulen mit 3,8 Prozent. Besonders hart traf es eine Förderschule in der Oberlausitz, in der laut Statistik mehr als jede vierte Stunde wegen Lehrermangels planmäßig nicht abgehalten werden konnte. Zusammen mit dem ungeplanten Ausfall fand dort ein Drittel des vorgesehenen Unterrichts nicht statt.

Bis zu einem Viertel außerplanmäßiger Ausfall an einzelnen Schulen

Planmäßig nicht abgehaltene Stunden machten mehr als ein Viertel des gesamten Unterrichtsausfalls aus, der größere Anteil war ungeplant. Dazu zählt Sachsens Kultusministerium unter anderem Havarien, Streiks, Bombendrohungen und Verspätungen von Schulbussen, vor allem aber krankheitsbedingte Ausfälle sowie Kuraufenthalte der landesweit mehr als 34.000 Lehr- und pädagogischen Fachkräfte.

Dies betraf im vergangenen Schuljahr hauptsächlich Ober-, Berufs- und Förderschulen. So fielen an einer Oberschule in Dresden fast jede sechste sowie an einer Förderschule im Erzgebirge knapp jede vierte Stunde außerplanmäßig aus. Doch spielt der Personalmangel auch dabei eine Rolle. Denn eine häufige Folge sind für die vorhandenen Lehrkräfte Überstunden und Stress, wie eine am Dienstag veröffentlichte Studie zeigt.

Jede Menge Überstunden

Der Untersuchung der Universität Göttingen zufolge leisten die Lehrkräfte in Sachsen pro Woche im Durchschnitt etwa drei Überstunden - die sich allerdings ungleich verteilen. In der repräsentativen Umfrage gaben demnach 59 Prozent der Teilnehmer an, länger als vorgesehen zu arbeiten. Betroffen sind sowohl Voll- als auch Teilzeitkräfte.

Ursachen für die Überstunden sind neben Vertretungsunterricht aber auch neue und zusätzliche Aufgaben. Die befragten Lehrer nannten hier an erster Stelle die Lernplattform "Lernsax", das Schulportal und die digitale Unterrichtsgestaltung. Der Göttinger Studienleiter Frank Mußmann warnte bei der Vorstellung der Studie, die Mehrarbeit sei eine gesundheitliche Gefährdung für die Lehrkräfte. Sie erhöhe unter anderem das Risiko für eine Burnout-Erkrankung.

Schulleitung, Lehrer
Sechs von zehn Lehrern in Sachsen machen Überstunden. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Lehrkräfte entlasten - aber wie?

Eine Arbeitserleichterung könnte der Einsatz digitaler Medien sein. Dies geschehe in Sachsen noch zu selten, bemängelten 71 Prozent der befragten Lehrkräfte. Und verwiesen auf eine mangelhafte Netzinfrastruktur.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft forderte bei der Vorstellung der Studie am Dienstag eine Rückkehr zu einer geregelten Arbeitszeit. Dafür sollten in einem ersten Schritt die tatsächlich geleisteten Stunden der Lehrkräfte erfasst werden, etwa mit einer digitalen App.

Die in Sachsen mitregierenden Grünen plädierten für einen Ausbau von Assistenzsystemen, um die Pädagogen von unterrichtsfernen Aufgaben zu entlasten sowie im Unterricht einen gezielten Einsatz digitaler Medien und Teamarbeit, also eine pädagogische Hilfskraft oder einen zweiten Lehrer. Ähnlich äußerte sich die oppositionelle Linke. Sie forderte zudem, dass für mehr digitales Lernen auch alle Kinder mit der entsprechenden Technik ausgestattet werden müssten.

MDR (stt)/dpa/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 26. September 2023 | 14:00 Uhr

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