Evangelische Kirchenpolitik Landesbischof Bilz: Regierung sollte mit Klimaaktivisten reden
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14. November 2022, 18:41 Uhr
Der evangelische sächsische Landesbischof Tobias Bilz appelliert an die Bundesregierung und an seine Landessynode, den Protest, selbst von radikalen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, ernst zu nehmen. Seiner Ansicht nach solle sich die Bundesregierung einem Gespräch mit der Gruppe "Letzte Generation" nicht verweigern. Von seiner Kirche fordert er mehr Verständnis für deren Anliegen und stärkere Stimmen zum Klimaschutz.
Die Bundesregierung sollte sich nach Ansicht des sächsischen Landesbischofs Tobias Bilz einem Gespräch mit Klimaaktivisten der "Letzten Generation" nicht verweigern. "Ich wundere mich, dass das Gesprächsangebot abgelehnt wird - das zu verwehren finde ich sehr bedauerlich", sagte Bilz am Montag vor Journalisten in Dresden. Mit ihren Aktionen hätten die Aktivisten eindeutig auch das Signal gesendet, mit der Politik der Ampelregierung ins Gespräch kommen zu wollen.
Am vergangenen Donnerstag wollten sich Vertreter der "Letzten Generation" mit Mitgliedern der Bundesregierung treffen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte jedoch, solch ein Treffen werde nicht stattfinden, da die Gruppe das Strafrecht verletze.
Ich verstehe den Schmerz der jungen Generation, die sagen: Wir halten das nicht aus.
Sachsens evangelischer Landesbischof, Tobias Bilz, wirbt indes um mehr Verständnis für junge Menschen, die sich um den Klimaschutz sorgen. Bischof Bilz stellte infrage, ob es sinnvoll sei, die Aktivisten als Straftäter abzustempeln: "Wir sollten vielleicht mehr auf die Geschichte des zivilen Ungehorsams schauen und seine Verankerung in der Demokratie." Das Rechtssystem werde durch die Klimaaktivisten nicht außer Kraft gesetzt. Am Sonnabend hatte Bilz in Dresden vor der Landessynode geäußert, dass er "Sympathie für kreative Klimaaktivisten" habe.
"Ich verstehe den Schmerz der jungen Generation, die sagen: Wir halten das nicht aus", sagte der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Das Oberhaupt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens betonte, es sei wichtig, die "Zukunftsängste der jungen Generation ernst zu nehmen", nicht nur beim Klimathema.
Bischof vermisst klare Kirchenstimme beim Klimaschutz
Derzeit fehle es beim Thema Klimaschutz "theologischer Durchdringung", wie Tobias Bilz sagt. Es brauche "Möglichkeiten und Handlungen, die klarmachen, dass diese Welt von Gott geschaffen ist“, erklärt er weiter.
Umstritten diskutiert wurden von den Synodalen die radikalen Methoden der Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" wie das Festkleben auf Fahrbahnen oder an weltbekannten Kunstwerken.
Lob für den Mut, Konsequenzen zu tragen
Einige kritisierten den damit verbundenen Rechtsverstoß. Es handele sich um Straftaten, sagte dazu der Leipziger Rechtsanwalt und Vorsitzende des Finanzausschusses, Till Vosberg. Derzeit seien es noch "leichtere Delikte", aber niemand könne wissen, was noch kommt.
"Es sei an diesem Punkt schwer zu sagen, was geht und was nicht", sagte Bischof Bilz. Immerhin hätten die jungen Leute den Mut, die Konsequenzen zu tragen. Sie wüssten ganz genau, dass sie für das, was sie tun, ins Gefängnis gehen.
Möglicherweise gehe manchen Menschen die "Störung" der Gruppe "auf die Nerven" und dann werde für eine Argumentation das Recht herangezogen, sagte Bilz.
Was ist eine Landessynode?
Synode (griech.: Zusammenkunft) bezeichnet eine Versammlung zur Beratung kirchlicher Angelegenheiten. In der Landeskirche vertritt die Landessynode die Kirchgemeinden.
Zu den Aufgaben der Landessynode gehören unter anderem die landeskirchliche Gesetzgebung, die Beschlussfassung über Gesuche und Eingaben, über die Einführung neuer Gottesdienstordnungen, Agenden und Gesangbücher sowie die Beratung und Bewilligung des Haushaltes der Landeskirche.
Die Landessynode wählt den Landesbischof, den Präsidenten des Landeskirchenamtes und den Synodalpräsidenten.
Zudem wählt die Landessynode Vertreter der Landeskirche in die Synoden der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und in die der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).
Evangelisch-lutherische Landeskirche Sachsen
Ukrainekrieg und sexualisierte Gewalt waren weitere Themen
Weitere Themen während der viertägigen Beratungen der Landeskirche waren der Ukrainekrieg sowie sexualisierte Gewalt in den eigenen Reihen. Die Synode hatte einen Bericht zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Landeskirche entgegengenommen. Bislang sind laut dem Präsidenten des sächsischen Landeskirchenamtes, Hans-Peter Vollbach, 48 Fälle sexuellen Missbrauchs bekannt. Allein 33 Fälle stünden im Zusammenhang mit dem langjährigen Jugendwart und Diakon Kurt Ströer (1921-2013), hieß es. Zudem waren knapp zehn Fälle aus den 1990er-Jahren in einer erzgebirgischen Kirchgemeinde bekannt geworden. In den vergangenen zwei Jahren seien der Landeskirche darüber hinaus weitere Missbrauchsfälle angezeigt worden, sagte Synodalpräsidentin Bettina Westfeld. 2020 hatte die Landeskirche eine unabhängige Kommission sowie eine Meldestelle zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt eingerichtet.
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine regt die Synode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens Friedensgebete in Kirchgemeinden an. Zudem sollen Menschen in Kriegsregionen, Flüchtlinge und Helfende in den Nachbarländern unterstützt werden, heißt es in einem "Wort der Landessynode". Es brauche vielmehr Trost und praktische Hilfe. Kirche werde zudem dafür gebraucht, "Verbindungen zu schaffen und zu halten". Es werde "sehr wohl und zu Recht" von der Kirche erwartet, "die Hoffnung auf Frieden aufrechtzuerhalten", sagt der sächsische Landesbischof vor seiner Landessynode.
2022 mehr Kirchenaustritte als in Vorjahren
Zur Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens gehörten Ende 2021 rund 628.000 Menschen. Laut Bilz verlor sie bis Ende Oktober 2022 rund 8.000 Mitglieder. Zuvor seien es in einem gesamten Jahr zwischen 5.000 und 7.000 Austritte.
MDR (sho) /epd/kna
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 14. November 2022 | 13:00 Uhr