Arbeitskampf ÖPNV-Warnstreik in Sachsen: Beschäftigte fest entschlossen
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02. Februar 2024, 13:53 Uhr
In weiten Teilen Sachsens steht seit dem frühen Freitagmorgen der öffentliche Personennahverkehr still. Grund ist ein bundesweiter Warnstreik der Gewerkschaft Verdi im aktuellen Tarifkonflikt. Die meisten Pendler nehmen die Ausfälle gelassen hin, wie Beispiele aus Meißen und Chemnitz zeigen. Die Streikenden zeigen sich fest entschlossen.
"Mist, das hab' ich nicht gewusst", sagt Gabriel, als ihn eine MDR-Reporterin am Freitag 6:30 Uhr am Busbahnhof in Meißen auf den Warnstreik anspricht. Er sei gerade mit der S1 aus Dresden gekommen und davon ausgegangen, dass der Bus dann auch fährt, der ihn zu seinem Arbeitsplatz nach Okrilla bringen sollte. "Dann muss ich jetzt wohl laufen oder per Anhalter fahren", sagt der 27-Jährige. Verständnis für den Streik hat er trotzdem. "Busfahrer ist schon ein krasser Job, die Arbeit muss ordentlich bezahlt sein!", sagt Gabriel.
Subunternehmer fährt, Busfahrer hofft auf Effekte
Das sieht auch der Fahrer eines Busses ähnlich, der am frühen Morgen von Döbeln nach Meißen gefahren ist. Er ist bei einem Subunternehmen angestellt und deshalb nicht beim Ausstand dabei. Subunternehmer decken 40 Prozent des Liniennetzes im Landkreis Meißen ab. Im Gespräch mit MDR SACHSEN zeigt er Verständnis für den möglichen Unmut der Pendlerinnen und Pendler, sagt aber: "Alles hat zwei Seiten. Und wenn beim Streik die Interessen der Busfahrer durchgesetzt werde, profitiere ich letztendlich auch davon." Er hatte am Morgen nur zwei Fahrgäste ab Lommatzsch im Bus.
Unterdessen haben sich im Betriebshof der Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM) die Busfahrerinnen und Busfahrer versammelt, die 60 Prozent das Nahverkehrs im Kreis Meißen abdecken. Das Depot nebenan bleibt am Freitag geschossen. Das gilt auch für den Betriebshof in Riesa.
Rund 300 Mitarbeiter inklusive der Azubis beteiligten sich am ganztägigen Warnstreik, sagt der Streikleiter Harry Kalk. Er beschreibt die Stimmung unter den Streikenden als "gut". Die Mitarbeiter hätten schon Ende 2023 für mehr Lohn streiken wollen. Das bislang unterbreitete Angebot der Arbeitgeberseite mit elf Prozent Lohnplus innerhalb von 28 Monaten nennt Harry Kalk "ein sehr schwaches Angebot". Nächster Verhandlungstag sei der 23. Feburar. "Bis dahin kann viel passieren."
Die Menschen, die trotz des Warnstreiks unterwegs sein müssen, zeigen sich kreativ. Bryan, ein Azubi, steht mit seiner kleinen Schwester vor der Anzeigetafel am Busbahnhof in Meißen und sagt, er findet den Streik okay. "Unsere Mutter hat uns jetzt in die Stadt gefahren. Und heute Abend gehe ich dann eben zu Fuß nach Hause."
Elterntaxis vor Schulen in Chemnitz
Auch in Chemnitz ruht der Bahn- und Busverkehr auf den städtischen Nahverkehrslinien komplett. Kurz nach 7 Uhr, eine halbe Stunde vor Schulbeginn, werden viele der Schülerinnen und Schüler via Elterntaxi ins Chemnitzer Kepler-Gymnasium gebracht. Die meisten Kinder sind zu Fuß unterwegs und passieren das Haltestellenschild mit dem Streikhinweis vor der Schule.
Auch Erwachsene sind zu Fuß unterwegs in Richtung Innenstadt. "Ich habe einen Arzttermin", verrät ein älterer Mann einem MDR-Reporter. "Was will ich machen? Ich muss ja irgendwie dort hinkommen, also laufe ich eben." Ein Taxi sei ihm zu teuer. Ein anderer Mann erzählt, dass er normalerweise von einem Kollegen mit dem Auto mitgenommen werde, aber der sei krank. Mit einem "Ich hab es eilig" verabschiedet er sich und läuft weiter.
Streiks sind Gewöhnungssache
An der Zentralhaltestelle in der Chemnitzer Innenstadt, an der sich normalerweise im Minutentakt Busse und Bahnen begegnen, herrscht am Freitag fast sonntägliche Ruhe. Nur wenige Passanten sind unterwegs. "Wir sind das ja schon gewohnt", sagt eine Frau. "Irgendwo wird ja im Moment immer gestreikt", lacht sie. "Da laufe ich eben und tue etwas für meine Gesundheit." Sie wolle ein paar Sachen einkaufen und dann zu einer Freundin zu Besuch. "Ich muss heute nicht zur Arbeit, da habe ich Glück." Sie habe kein Auto und hätte sonst das Fahrrad nehmen müssen. "Das wäre heute ganz schön kalt."
Leipziger Beschäftigte sprechen von angespannter Situation
Busfahrer und Verdi-Mitglied Patrick Günter beteiligt sich in Leipzig am Streik. Bei den Verkehrsbetrieben hier ist der Verkehr am Freitag fast vollständig zum Erliegen gekommen. "Die Situation ist angespannt bei uns", sagt er. Es herrsche Personalmangel. "Wir können das nicht mehr alles stemmen, müssen längere Dienste fahren und das wirkt sich auf Gesundheit der Kollegen aus."
250 Streikteilnehmer bei Regionalbus Oberlausitz
Bei der Regionalbus Oberlausitz GmbH beteiligen sich heute nach Gewerkschaftsangaben rund 250 Busfahrerinnen und Busfahrer am Warnstreik für höhere Löhne. Sie fordern pro Monat 750 Euro mehr. Er habe auch seine Unkosten, sagt ein Mitarbeitender MDR SACHSEN. "Ich muss meinen Lebensunterhalt für mich allein bestreiten. Da ist keiner der mich bestärkt und sagt, wir schaffen das gemeinsam."
Busse und Bahnen in ganz Sachsen betroffen
Insgesamt sollen am Freitag in sieben der zehn sächsischen Landkreise Straßenbahnen und Busse den ganzen Tag bestreikt werden. In Dresden und im Kreis Meißen fahren auch keine Elbfähren. Lediglich auf von Subunternehmen betriebenen Linien sollen Busse unterwegs sein. Vom Streik ausgenommen sind die Regionalbusse in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und im Vogtland sowie landesweit S-Bahnen und Regionalzüge.
Mit dem Streik will Verdi für die Angestellten bei den Stadtverkehren vor allem mehr Urlaub sowie Zeit- und Überstundenzuschläge durchsetzen. Bei den Regionalbus-Unternehmen geht es auch um deutliche Lohnerhöhungen.
MDR (ben/kk)/dpa/tnn
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 02. Februar 2024 | 08:00 Uhr