Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen
Michael Kretschmer (CDU) will eine handlungssichere Regierung bilden. Aber mit wem? Bildrechte: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Wie weiter in Sachsen? Experte zu Regierungsbildung: "Kretschmer wird sich in sein Schicksal fügen müssen"

07. November 2024, 20:18 Uhr

Die Sondierungen für eine Brombeer-Koalition in Sachsen sind geplatzt. Nun muss sich die CDU überlegen, wie es weitergehen soll. Vor der Landtagswahl hatte Kretschmer Koalitionen mit AfD und den Linken ausgeschlossen und den Grünen auch eine Absage erteilt. Und nun?

Nachdem eine mögliche Koalition aus CDU, dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD in Sachsen geplatzt ist, bleibt die Frage: Wie geht's weiter? Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sieht Stabilität als Priorität. "Ich werde alles dafür tun, um für unseren Freistaat eine handlungsfähige Regierung zu bilden", schrieb er in einem Beitrag beim Kurznachrichtendienst X. Das Land und die Menschen stünden an erster Stelle.

Am Mittwoch scheiterte die Sondierung für eine Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD. Das BSW teilte mit, die Gespräche seien ergebnislos abgebrochen worden, nachdem es keine Einigung bei der Friedensformel, der Migrations- und Finanzpolitik gegeben habe. Kretschmer gab der BSW-Bundesvorsitzenden Sahra Wagenknecht die Schuld am Scheitern. Zum Agieren der BSW-Parteiführung sagte er: "Dass Frau Wagenknecht ihren sächsischen Leuten so die Beine stellt, ist keine gute Entwicklung". Er finde das für Sachsen sehr schade.

Minderheitsregierung: Keine andere Option?

Weil die CDU Koalitionen mit der AfD ausschließt, bleibt als wahrscheinlichste Option nun eine Minderheitsregierung. Tom Thieme, der als Professor an der Hochschule der sächsischen Polizei lehrt, sieht Kretschmer vor keiner anderen Option, wenn er eine Neuwahl verhindern will." Und weiter: "Bisher hat er eine Minderheitsregierung vehement abgelehnt; nun wird er sich in sein Schicksal fügen müssen."

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Blick nach Norden: Koalitionen in Skandinavien

An der Stelle verweisen Experten auf die politische Kultur und Erfahrungen in Dänemark, Norwegen und Schweden. Es hätte sich eigentlich schon vor der Landtagswahl angeboten, in andere europäische Länder zu schauen, wie dort mit heterogen zusammengesetzten Parlamenten regiert wird, etwa in Skandinavien", sagte denn auch der Leipziger Politikwissenschaftler Hendrik Träger. In Skandinavien seien Minderheitsregierungen üblich. "Da hätte man sich Orientierung holen können, was Minderheitsregierung bedeutet, welche Konstellationen und Verfahren es gibt."

Minderheitsregierung aus CDU und SPD?

Eine Tolerierung durch die AfD hält Träger zwar für rechnerisch denkbar, aber politisch schwierig. Die CDU hatte eine Kooperation mit der AfD bislang immer ablehnt. Der Co-Vorsitzende der SPD Sachsen, Henning Homann, bekräftigte am Donnerstag, seine Partei sei "weiter bereit, Verantwortung zu übernehmen". Und: "Gerade jetzt braucht Sachsen eine handlungsfähige Regierung, ohne die Rechtspopulisten", postete Homann auf Facebook.

Laut Experte Hendrik Träger gebe es mehrere Möglichkeiten, eine Minderheitenregierung zu bilden. Am wahrscheinlichsten hält er eine gemeinsame Regierung von CDU und SPD. Die beiden Parteien kämen im Sächsischen Landtag zusammen auf 51 Stimmen - von insgesamt 120 im Sächsischen Landtag.

"Ich halte in Sachsen eine Variante für wahrscheinlich, die es zwischen 2010 und 2012 in Nordrhein-Westfalen gab. Und zwar eine Minderheitsregierung, die themenabhängig mal mit der einen Fraktion, mal mit der anderen Fraktion eine Mehrheit zustande bekommt, wenn auch durch Stimmenenthaltung", erläuterte Träger. Er schloss aber auch nicht aus, dass sich CDU und SPD Stimmen beim BSW holen.

Ob das BSW so eine CDU-geführte Minderheitsregierung unterstützen werde, ließ sie nach den geplatzten Sondierungsgesprächen offen, ebenso, ob man Kretschmer bei der Wahl zum Ministerpräsidenten unterstütze.

Was ist mit den Linken und Grünen?

Das Verhältnis zu den Grünen sei durch den Wahlkampf sehr zerrüttet. Wenn sich CDU und SPD von den Grünen und den Linken tolerieren ließen, würden sie bei 64 Stimmen landen. Linke und Grüne müssten Projekten der Landesregierung nicht zustimmen, sondern könnten sich auch enthalten.

Allerdings hatte Kretschmer eine Kooperation mit den Linken vor der Landtagswahl bereits ausgeschlossen. Auch die Zusammenarbeit mit Sachsens Grünen betrachtete er als "Notlösung".

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen Franziska Schubert räumte ein, dass in ihrer Partei durch den Wahlkampf der CDU viele Verletzungen entstanden seien. "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie sich die Mitglieder positionieren werden", sagte sie mit Blick auf eine mögliche Unterstützung einer CDU-geführten Minderheitsregierung. Kretschmer habe bei jeder Gelegenheit betont, mit den Bündnisgrünen nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen. "Wir warten daher jetzt erstmal ab."

Laut Verfassung muss bis Anfang Februar 2025 in Sachsen ein neuer Ministerpräsident gewählt sein, andernfalls sind Neuwahlen fällig. Die müssten innerhalb von 60 Tagen stattgefunden haben.

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