Neue Debatte Kennzeichnungspflicht von Polizisten in Sachsen wieder Thema
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08. Mai 2019, 12:39 Uhr
In Sachsen-Anhalt hat das Landesverfassungsgericht gerade bestätigt, dass eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten rechtens ist. Auch Thüringen hat eine solche Pflicht. In Sachsen dagegen gibt es dafür keine politische Mehrheit. Linke und Grüne fordern diese, doch auch die SPD konnte sich gegen ihren Koalitionspartner CDU im neuen Polizeigesetz bei der Kennzeichnungspflicht nicht durchsetzen. Doch wie oft werden Polizisten angezeigt und warum?
Die Auflösung einer Sitzblockade von LEGIDA-Gegnern vor vier Jahren in Leipzig. Die Stimmung ist aufgeheizt. Eine Polizistin sprüht einigen Blockierern Pfefferspray ins Gesicht. Sie wird angezeigt. Ein Fall, der auch Cathleen Martin, Chefin der Polizeigewerkschaft in Sachsen, beschäftigt hat. Es sei ein Ermittlungsverfahren geworden und wie bei jeder normalen Anzeige gehe das Ermittlungsverfahren zum Staatsanwalt.
"In diesem konkreten Fall hat es die Staatsanwaltschaft bis zum Amtsgericht verfolgt und ist dann sogar noch in den Einspruch gegangen gegen das Urteil. Aber das Urteil wurde mit einem Freispruch bestätigt," sagt Cathleen Martin. Die Polizistin habe das mildeste Mittel gewählt, der unmittelbare Zwang sei den Blockierern angekündigt worden, heißt es in der Urteilsbegründung.
Linke will einzelne Beamte identifizieren können
2018 sind in Sachsen 760 Verfahren gegen Polizistinnen und Polizisten eingeleitet worden. Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linken im sächsischen Landtag fragt die Zahlen regelmäßig beim Innenministerium ab. Ein Drittel der Anzeigen werden wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt erstattet, so Stange. Im Jahr 2018 habe es 251 Verfahren wegen Körperverletzung im Amt gegeben, davon habe in 104 Fällen die Schuld nicht nachgewiesen werden können.
Zumindest zum Teil ist davon auszugehen, dass die Schuld dem einzelnen Beamten nicht nachgewiesen werden konnte. Deswegen fordern wir die Kennzeichnungspflicht für Beamtinnen und Beamte in geschlossenen Einheiten. Das ist wichtig, um das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Polizisten zu stärken.
Anklage nur in zwei Prozent der Verfahren
Bundesweit münden nur rund zwei Prozent aller Verfahren wegen Polizeigewalt in einem Strafbefehlsantrag oder einer Anklage, so Kriminologen der Ruhr Universität Bochum. Woran das liegt – dazu gibt es je nach Interessenslage unterschiedliche Erklärungen. Viele Anzeigen seien unberechtigt, heißt es von der Polizei. Opferverbände halten es für wirkungslos, wenn Polizisten in den eigenen Reihen ermitteln würden.
Wir brauchen generell eine neue Polizeikultur in Sachsen, zu der eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibedienstete und eine wirklich unabhängige Beschwerdestelle zweifelsohne gehören. Wir brauchen mehr Fehlerkultur in der Polizei, die Fähigkeit Fehler einzugestehen, wenn etwas schief gelaufen ist.
Keine Mehrkeit für Kennzeichnungspflicht in Sachsen
Doch für die Kennzeichnungspflicht gibt es derzeit in Sachsen keine politische Mehrheit. Die SPD hat sich in den Verhandlungen um das neue Polizeigesetz damit nicht durchsetzen können. Mit der CDU war lediglich eines zu machen: die seit drei Jahren beim Innenministerium angesiedelte Beschwerdestelle der Polizei ab 1. Juni unter neue Aufsicht zu stellen. Sachsens Innenminister Roland Wöller sagt, es sei gut, dass es die Beschwerdestelle gebe. Die Aufsicht werde die Staatskanzlei haben und nicht mehr das Innenministerium
Es ist ein Signal, dass wir selbstkritisch mit Fehlern umgehen, die ja passieren.
Das sende vor allem das Signal ins Land aus, dass nicht nur jeder Bürger die Möglichkeit habe, sich an die Beschwerdestelle zu wenden, sondern natürlich auch die Polizistinnen und Polizisten selbst.
Im vergangenen Jahr waren dort rund 230 Beschwerden eingegangen. Mehr als die Hälfte wurden als unbegründet zurückgewiesen. Ein Kritikpunkt der begründeten Beschwerden ist übrigens, dass Beamte ihren Dienstausweis nicht vorgezeigt hatten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. Mai 2019 | 05:11 Uhr