Photovoltaik-Boom Zu teure Verträge, Leistungen nicht ausgeführt: 800 Kunden von Solaranlagenbauer bleiben offenbar auf Kosten sitzen

19. Januar 2024, 13:49 Uhr

Die Solaranlagenbau-Firma Envoltec hat von Hunderten Kunden Gelder bekommen, aber nicht die vereinbarten Leistungen erbracht. Nun ist die Leipziger Firma zahlungsunfähig. Den Kunden drohen Einbußen im fünfstelligen Bereich. Ehemalige Geschäftspartner geben hier anonym Einblicke in die Geschäftspraktiken.

Prüfung der Insolvenz seit 17. November 2023

Mit einer Insolvenz der Leipziger Solaranlagenbau-Firma Envoltec drohen auch Hunderte Kundinnen und Kunden, auf offenen Forderungen sitzen zu bleiben. Am 17. November 2023 hat das Amtsgericht Leipzig die vorläufige Insovenzverwaltung angeordnet und den Rechtsanwalt Thilo Korn aus Leipzig eingesetzt, um die Vermögensverhältnisse prüfen zu lassen.

"Von der Insolvenz der Envoltec GmbH sind voraussichtlich mindestens ca. 800 Kunden betroffen, deren Verträge in unterschiedlichen Leistungsphasen sind. Derzeit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, den Verbleib von Anzahlungen aufzuklären sowie das Vermögen der Gesellschaft zu sichern", erklärte der Jurist kurz darauf auf der Homepage seiner Kanzlei.

Der Hauptsitz der Solaranlagenbau-Firma ist in Schkeuditz bei Leipzig. Einst waren dort 50 Mitarbeiter beschäftigt. Jetzt sind die Büros verlassen, wie sich auch ein "Umschau"-Reporter vor Ort überzeugen konnte. Die Inhaber reagierten nicht auf schriftliche Anfragen der MDR Wirtschaftsredaktion zum Verfahrensstand. Auch der Insolvenzverwalter wollte sich dazu nicht äußern.

800 Kunden betroffen, Außenstände im fünfstelligen Bereich

Viele der rund 800 betroffenen Kunden haben fünfstellige Beträge verloren. Einer von ihnen ist Bernd Richter, dessen Solaranlage in Hainichen bei Leipzig längst Strom produzieren sollte. Mehr als 30.000 Euro hat er dafür nach eigenen Angaben an die Firma bezahlt. "Die Reaktion nach der zweiten Anzahlung war keine Reaktion", erklärt er dem MDR-Magazin "Umschau". Versuche, jemandem im Unternehmen zu erreichen, seien erfolglos geblieben. Auch ein längst bezahlter Wechselrichter, der im Keller eingebaut werden sollte, sei nie geliefert worden.

Jens Reime
Rechtsanwalt Jens Reime vertritt viele Kunden von Envoltec. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Rechtsanwalt Jens Reime vertritt Dutzende Geschädigte. "Ich befürchte, dass es da gar keine Aussichten gibt. Die Kunden müssen vom Schlimmsten ausgehen. Ich denke, dass es eine Fortführung der Verträge durch Envoltec nicht geben wird", erklärt er. Nach seinem Urteil werfen auch die in den Verträgen festgehaltenen Konditionen Fragen auf: "Wir haben verglichen: Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Kunden Kaufpreise unterschrieben haben, die doppelt so hoch sind, wie sonst üblich am Markt."

Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Kunden Kaufpreise unterschrieben haben, die doppelt so hoch sind, wie sonst üblich am Markt.

Jens Reime, Rechtsanwalt

Mitarbeiter und Geschäftspartner erheben anonym Vorwürfe

Ein ehemaliger Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte, erklärt gegenüber dem MDR-Magazin "Umschau", bereits im Sommer vergangenen Jahres sei zu spüren gewesen, dass das Unternehmen Envoltec in eine Schieflage geraten sei. "Die Auftragslage wurde immer weniger, Material wurde immer weniger", erinnert er sich. "Vermutlich lag es daran, dass der Geldfluss nicht so da war, wie er hätte da sein müssen", erklärt er weiter.

Auch zwei ehemalige Geschäftspartner äußern sich anonym zu den Betriebspraktiken. Einer erklärt, Envoltec habe darauf gesetzt, möglichst viele Verkäufe von Anlagen und damit auch Anzahlungen zu generieren. "Von jeder verkauften Anlage sind knapp 50 Prozent am Gewinn in den Vertrieb reingegangen. Das hat das Ganze natürlich von Anfang an zum Scheitern verurteilt." Das Geld der Kunden sei demzufolge vor allem in Vertrieb, hohe Büromieten, Dienstreisen und Autos geflossen, anstatt in die Installation der Anlagen, so ihr Vorwurf. "Diverse Händler und Bauunternehmen wurden nicht bezahlt", berichtet auch einer der zwei ehemaligen Geschäftspartner.

Diverse Händler und Bauunternehmen wurden nicht bezahlt.

Ehemaliger Geschäftspartner, der anonym bleiben will

Envoltec steht über einer Tür.
Envoltec in Leipzig-Schkeuditz: keiner da, keiner zu erreichen. Bildrechte: MDR/Umschau

Verbraucherschützerin sieht kaum Chancen für Betroffene

Der Insolvenzverwalter muss jetzt klären, ob die rund 800 Geschädigten überhaupt etwas von ihrem Geld wiedersehen. Viele haben sich an die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt gewandt. Diane Rocke ist dort Expertin für Energierechtsfragen und sieht wenig Chancen für Betroffene: "Da mache ich den Verbrauchern jetzt überhaupt keine große Hoffnung. Wenn ein Insolvenzverfahren eingeleitet wird, ist die Firma meist am Ende. Es ist kein Geld mehr da. Es kommt darauf an, was der vorläufige Insolvenzverwalter jetzt zusammen treibt. Er prüft ja, was noch für Forderungen offen stehen, welche Forderungen noch eingezogen werden können", erklärt sie. Da Envoltec wohl keine eigenen Produktionsstätten oder Immobilien hatte, wird kaum etwas zu holen sein. Den Geschädigten droht der Total-Verlust.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 16. Januar 2024 | 20:15 Uhr

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