Wasserstoff- und Batteriespeicher und noch mehr Solarstrom Widerstand gegen weitere Solar-Projekte in Neukieritzsch bei Leipzig
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21. Februar 2024, 04:45 Uhr
Wasserstoff- und Batteriespeicher und noch mehr Solarstrom: Kaum ist der Energiepark Witznitz so weit fertig, denken die Akteure hinter dem Projekt weiter. Sie wollen noch mehr Solarstrom produzieren, außerdem Wasserstoff herstellen und Batteriespeicher bauen. Doch inzwischen treffen sie mit ihren Projekten auf Widerstand. Am 25. Februar wird bei einem Bürgerentscheid über den Fortgang der Projekte entschieden.
Inhalt des Artikels:
- Bürgerinitiative: Gemeinde hat genug Fläche zur Verfügung gestellt
- Investor warnt vor den Folgen der Bürgerentscheide
- 25. Februar: vier Bürgerentscheide, zwei Wahllokale
- Bürgerinitative kündigt Gratis-Busverbindungen an
- Die vier Fragen der Bürgerentscheide
- Welche Solar-Projekte sind jetzt geplant?
- Energiepark Kleinzössen für Solarenergie
- Green Power Park Lobstädt – für Wasserstoff, Speicher und Rechenzentrum
Es ist Donnerstagabend und der Saal im Erdgeschoss der Villa Lobstädt im Neukiertzscher Ortsteil Lobstädt füllt sich. Die Firma PV Backoffice hat zu einem Bürgerforum geladen. Sie will in der Gemeinde Neukieritzsch zwei Solarprojekte verwirklichen, den "Green Power Park Lobstädt" und den "Energiepark Kleinzössen". Hinter beiden Unternehmen gleichen Namens steht jeweils Wolfgang Pielmaier als Geschäftsführer, der auch einer der wesentlichen Akteure hinter dem Energiepark Witznitz ist – dem bald größten Solarpark Deutschlands am Netz.
Während das Megaprojekt Energiepark Witznitz mit einer Fläche von rund 500 Hektar relativ schnell und reibungslos umgesetzt wurde, formiert sich gegen die beiden Folgeprojekte Widerstand. Bürger der Gemeinde Neukieritzsch haben genügend Stimmen für Bürgerentscheide gesammelt, bei dem sie die Beschlüsse der Gemeinde zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für beide Vorhaben wieder aufheben könnten.
Eine Woche vor den Entscheiden ist das Bürgerforum in der Villa noch einmal gut besucht. Die wichtigsten Themen: Hitze oder Erwärmung über den Modulen, Flächenverbrauch, das Wasser, die Blendwirkung und das Geld. Außerdem die Frage, ob die Flächen nicht auch außerdem landwirtschaftlich genutzt werden können und, ob der Investor all seine Versprechen hält und ob die Versprechen freiwillig sind oder nur Ausdruck von mit einem solchen Bau verbundenen Pflichtaufgaben.
Um die 30 bis 40 Menschen sind gekommen, um mit Pielmaier zu sprechen und sich die Pläne zum Vorhaben und der damit verbundenen Eingriffe in die Natur erklären zu lassen. Unter ihnen auch ein Initiator der Bürgerentscheide. Es wird gestritten, ermahnt, geklatscht und sowohl Pielmeier als auch die Bürgerinitiative werden hinterfragt.
Bürgerinitiative: Gemeinde hat genug Fläche zur Verfügung gestellt
"Unser Ziel ist es, die Bürger der Gemeinde Neukieritzsch in Bürgerentscheiden abstimmen zu lassen, ob sie die geplanten Projekte 'Green-Power-Park' und 'Energiepark Kleinzössen' auf ihrem Gemeindegebiet realisiert haben möchten", heißt es auf einer Internetseite der Initiative. Und: "Wir möchten die Natur auf dem Gemeindegebiet Neukieritzsch erhalten." Es wird auf Arten auf dem geplanten Areal des Green Power Parks Lobstädt hingewiesen, deren Lebensraum geschützt werden müsse. Auch die größtenteils landwirtschaftlich genutzten Flächen vom Energiepark Kleinzössen gelte es zu erhalten. Die Gemeinde habe bereits genug Flächen für derartige Projekte zur Verfügung gestellt.
Alles Positionen, auf die die Vertreter der Bürgerinitiative bei dem Treffen noch einmal eingehen. Die Bürgerinnen und Bürger von Neukieritzsch sollten über die Projekte abstimmen können, die das Landschaftsbild für Jahrzehnte beeinflussten, sagt einer ihrer Vertreter. "Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden können und dass es nicht im stillen Kämmerlein entschieden wird." Das Ergebnis des Entscheides akzeptierten sie, egal, wie es ausfalle.
Investor warnt vor den Folgen der Bürgerentscheide
Immer wieder kam die Rede im Bürgerforum auf eine Info-Broschüre, die Pielmaier dieser Tage herausgegeben hat. In dieser werden die Projekte beschrieben. Es wird aber auch skizziert, was passiert, wenn die Stimmberechtigten in Neukieritzsch mit "Ja" und nicht mit "Nein" stimmen. Dann müssten die Investitionsvorhaben auf längere Zeit unterbrochen werden. Die LMBV werde stattdessen umfänglich Erde aufschütten, eine "starke Verschmutzung, Vermüllung und Wildwuchs" sei zu befürchten. Zudem entgingen der Gemeinde Neukieritzsch, dem Gemeindehaushalt und dem Gemeindeleben so jährlich Gewerbesteuereinnahmen in Millionenhöhe. Und weil das Geld eben fehle, werde keine Renaturierung möglich sein.
Nachgefragt: Warum erschwert eine Verzögerung die Renaturierung?
Laut Neukieritzschs Bürgermeister Thomas Meckel ist die LMBV bis zur Entlassung aus dem Bergrecht zuständig. Meckel zufolge geschieht die Renaturierung nur zu einem gewissen Teil. Weiterführende Maßnahmen wären Sache des Eigentümers – und damit des Landkreises, der über die Kreisumlage auch von den Gewerbesteuern der Gemeinde Neukieritzsch profitiere. Allerdings ist hier laut Planer Max Hess nicht die Renaturierung im Sinne der LMBV gemeint, sondern die Aufwertung von beispielsweise Flussläufen.
Nachgefragt: Warum kann drei Jahre nicht gebaut werden?
Meckel zufolge kann ein Gemeinderat nach einem Bürgerentscheid drei Jahre lang keine Beschlüsse fassen, die dessen Ergebnis widersprechen. "In unserem Fall heißt das, dass bis dahin kein neuer Aufstellungsbeschluss für Bebauungspläne gefasst werden kann."
Nachgefragt: Was ist gemeint mit umfänglicher Auferdung durch die LMBV?
Die LMBV hat laut Meckel alternativ vor, das Gelände der ehemaligen Brikettfabrik Großzössen großflächig zu modellieren und teilweise aufzuforsten. Dafür würden größere Mengen Erde aufgetragen. Hinzu käme noch eine teilweise Aufforstung. "Diese Maßnahme hat das Oberbergamt zur Realisierung des Abschlussbetriebsplans für die Brikettfabrik initiiert."
Nachgefragt: Warum ist ausgerechnet jetzt mit "starker Verschmutzung, Vermüllung und Wildwuchs" zu rechnen?
"Vermüllung und Wildwuchs würde ich jetzt nicht unbedingt sehen, da das bisher nicht der Fall war und die Fläche auch bewirtschaftet wird, was wahrscheinlich weitergeführt werden würde", schreibt Meckel. Verschmutzung erwartet er schon – infolge der sogenannten "Auferdung" – die für eine Zeit mit einer großen Baustelle verbunden wären.
Die Besucher in der Villa Lobstädt sitzen über zwei Stunden beieinander; stellen Fragen, äußern Zweifel, hören zu, klatschen, diskutieren weiter. Bürgermeister Thomas Meckel (SPD) ist zufrieden mit dem Verlauf, spricht von einem guten Ergebnis. "Man hat sich gegenseitig die Argumente ausgetauscht. Man hat Fragen beantwortet und man konnte Fragen stellen und es ist sicherlich das eine oder andere Missverständnis auch entsprechend ausgeräumt worden. Das ist eine gute Sache." Investor Pielmaier geht zufrieden aus der Veranstaltung. Sehr konstruktiv sei diese verlaufen, die zwei verschiedenen Standpunkte seien noch einmal dargelegt worden, auf sehr hohem Niveau.
25. Februar: vier Bürgerentscheide, zwei Wahllokale
Am 25. Februar ist es so weit. In zwei Wahllokalen, jeweils in Turnhallen in Neukieritzsch und im Ortsteil Lobstädt können die Wahlberechtigten darüber entscheiden, ob sie die entsprechenden zwei Grundsatzbeschlüsse und Aufstellungsbeschlüsse aufheben lassen. Stimmen die Bürger mit "Ja", muss der Investor neu planen. Stimmen sie mit "Nein", kann PV Backoffice seine Vorhaben weiterentwickeln.
Bürgerinitative kündigt Gratis-Busverbindungen an
Auf ihrer Webseite kündigt die Bürgerinitiative Gratis-Busverbindungen zu den beiden Wahllokalen in Neukieritzsch an: Unter anderem ab 9:30 Uhr pendeln demnach zwei Kleinbusse zwischen Kahnsdorf, Großzössen, Lobstädt und Deutzen zum Wahllokal hin und zurück. Gratis. Ab 13:30 Uhr pendle im 20-Minuten-Takt ein Kleinbus zwischen Lippendorf, Kieritzsch und Neukieritzsch.
Die vier Fragen der Bürgerentscheide
Mit den vier Bürgerentscheiden könnten die wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner der gesamten Gemeinde Neukieritzsch jene vier Ratsbeschlüsse kippen, mit denen der Gemeinderat den Weg für die beiden Vorhaben im Juni dieses Jahres freigemacht hatte.
Die Fragen der Bürgerentscheide
* "Sind Sie für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 06.06.2023 mit der Vorlagennummer GR/065/2023?“ (Grundsatzbeschluss Green Power Park – Beschluss GR/143- 2023)
* "Sind Sie für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 06.06.2023 mit der Vorlagennummer GR/066/2023?“ (Grundsatzbeschluss EP Kleinzössen – Beschluss GR/146-2023)
* "Sind Sie für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 27.06.23 mit der Vorlagennummer GR/083-2023?" (Aufstellungsbeschluss Green Power Park – Beschluss GR/147- 2023)
* "Sind Sie für die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses vom 27.06.23 mit der Vorlagennummer GR/084-2023?"
Welche Solar-Projekte sind jetzt geplant?
Nach dem Energiepark Witznitz (500 Hektar) geht es jetzt um weitere insgesamt 114 Hektar, 85 Hektar für den "Energiepark Kleinzössen" und 29 Hektar für den "Green Power Park Lobstädt".
Energiepark Kleinzössen für Solarenergie
Die Energiepark Kleinzössen GmbH ist ein weiterer Solarpark in der Region – er soll auf Flächen der Orte Kleinzössen, Großzössen, Kahnsdorf, Hain und Haubitz errichtet werden, auf der sogenannten Innenkippe Kleinzössen, wie "Green Power Park Lobstädt" und die "Energiepark Kleinzössen" auf einer Einladung zum Bürgerforum schreiben; sei Kippenfläche mit Böden minderer Qualität. Und während die Bürgerinitiative von größtenteils landwirtschaftlich genutzten Flächen spricht, verweisen die beiden Unternehmen auf eine Nachnutzung brachliegender ehemaliger Industrieflächen und werben mit Gewerbesteuereinnahmen, Arbeitsplätzen und einer geplanten Parkanlage.
Green Power Park Lobstädt – für Wasserstoff, Speicher und Rechenzentrum
Grundsätzlich Neues indes ist auf dem Gelände des Green Power Parks Lobstädt geplant. Auf dem einstigen Gelände von Brikettfabrik / Kraftwerk Großzössen sollen laut Grundsatzbeschluss der Gemeinde Neukieritzsch "eine Wasserstoffproduktionsanlage, ein Pufferspeicher aus Kombination von Wasserstoff- und Batteriespeicher zur Bereitstellung von Regelleistungen für das 380 kV Übertragungsnetz der 50 Hertz Transmission GmbH sowie ein Hochleistungsdatenspeicherzentrum" errichtet werden. Beim Wasserstoff, das wurde beim Bürgerforum deutlich, geht es nicht darum, Wasserstoff für den Verkauf zu produzieren, sondern um die Energie zu speichern, die im benachbarten geplanten Solarpark erzeugt wird.
Über ein Hochleistungsdatenspeicherzentrum hatte jüngst auch die "Leipziger Volkszeitung" berichtet. Demnach plant dort Microsoft unbestätigten Informationen zufolge ein solches Zentrum. Microsoft bezieht bereits Strom aus der Region, MDR AKTUELL berichtete.
Gleich wer der Nutzer sein wird, Neukieritzsch wird so, mit einem Schlag, auf der weltweiten digitalen Landkarte zu finden sein.
In der Info-Broschüre jetzt jedenfalls berichtet der Investor stolz, dass schon mit Betreibern bzw. Nutzern gesprochen wird: "Gleich wer der Nutzer sein wird, Neukieritzsch wird so, mit einem Schlag, auf der weltweiten digitalen Landkarte zu finden sein."
Beide Projekte sollen im Prinzip Hand in Hand gehen: Die Investoren wollen nach eigenen Angaben über Speicher und voraussichtlich auch mit Wasserstoff den Strom, der in Neukieritzsch produziert wird speichern und so unabhängig von Uhrzeit und Jahreszeit dauerhaft verfügbar machen. Sie versprechen zugleich zukunftssichere Arbeitsplätze für die Region.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 23. Februar 2024 | 19:00 Uhr