Ein Schild an einem Betonblock auf dem der Name einer Schule steht, im Hintergrund sieht man das Schulgebäude
Schülerinnen und Schüler der Gerda-Taro-Schule in Leipzig sollen angeblich zu einer Klima-Demo von Fridays for Future gezwungen worden sein. Das sieht die Schulleitung anders. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Teilnahme an Klima-Demo Projekttag bei Fridays for Future: Ist die Taro-Schule Leipzig zu weit gegangen?

18. September 2023, 20:59 Uhr

Im Internet kursiert seit Tagen ein Elternbrief, der den Eindruck erwecken soll, dass Schülerinnen und Schüler der Gerda-Taro-Schule Leipzig zu einer Demonstration der Klimagruppe Fridays for Future verdonnert wurden. Auch wenn dieser Brief offensichtlich manipuliert wurde, habe die Schule klar eine Grenze überschritten, sagt das Kultusministerium. Der Landeselternrat sieht das anders.

Sind Schülerinnen und Schüler der Gerda-Taro-Schule in Leipzig zu einer Klima-Demo von Fridays for Future verpflichtet worden? Diese Annahme soll zumindest ein im Internet verbreiteter Elternbrief bestätigen.

Doch dieser Elternbrief, der seit Tagen online verbreitet wird, ist teilweise geschwärzt worden. Wesentliche Inhalte wurden somit unkenntlich gemacht. Der Nachrichten-Plattform "t-online", die zuerst über den Vorfall berichtete, liegt der komplette Brief vor, der die Situation in ein etwas anderes Licht rückt.

Manipulierter Elternbrief soll falschen Eindruck wecken

Hintergrund war ein Projekttag zum Thema Nachhaltigkeit - etwa die Klimakrise und ihre Folgen - für die 9. und 10. Klassen am vergangenen Freitag. Laut "t-online" standen verschiedene Angebote zur Auswahl. Eine 10. Klasse habe mehrheitlich für eine Teilnahme an der Demo von Fridays for Future in Leipzig gestimmt, bei der vergangenen Freitag rund 2.500 Menschen demonstrierten.

Die zuständige Lehrkraft habe daraufhin einen Elternbrief für die betroffene Klasse verfasst, um den organisatorischen Ablauf zu schildern. Der geschwärzte und im Internet kursierende Brief erwecke dagegen den Eindruck, er richte sich an sämtliche Schüler des Gymnasiums.

Elternabend erhitzt Gemüter

An dem Projekt soll es schon im Vorfeld Kritik gegeben haben, denn die Teilnahme an der Klima-Demo war Teil des Unterrichts und damit verpflichtend. Bei einem Elternabend habe ein Vater Vergleiche zur DDR gezogen, wo Schüler auch zu Demonstrationen verpflichtet worden seien, heißt es weiter im Bericht.

Den Vorwurf, die Schüler seien überrumpelt und gezwungen worden, zu der Demonstration zu gehen, kann der Kreiselternrat (KER) Leipzig nicht nachvollziehen. In einer Mitteilung schreibt der KER, dass die Zehntklässler schon zu Jahresbeginn "frei und demokratisch" abgestimmt und mehrheitlich für die Teilnahme an der Demo gestimmt haben sollen. Zudem habe es alternative Projekte gegeben, auf die die Schüler hätten ausweichen können.

Schüler sollten an Demo mit "kritischer Distanz" teilnehmen

Die Lehrkraft der 10. Klasse habe mit kontroversen Meinungen zu dem Projekt gerechnet und beim Elternabend darüber informiert, dass es keine Verpflichtung gebe, an Sprechchören oder anderen Aktionen während der Demo teilzunehmen. Die Schülerinnen und Schüler sollten zudem eine "kritische Distanz" wahren. Im Anschluss an die Klima-Demo sollte es eine Reflexion zwischen Lehrern und Schülern geben.

Schulleitung: Kein Zwang zur Demo-Teilnahme

Die Schulleitung der Gerda-Taro-Schule betonte am Montag auf Anfrage von MDR SACHSEN, dass kein Schüler und keine Schülerin zu der Demonstration gezwungen worden war. Weiter wollte man sich nicht zu dem Vorfall äußern. Der Plattform "t-online" sagte Schulleiter Uwe Schmidt zuvor: "Wir reden hier auch von Zehntklässlern. Die lassen sich nicht mal eben überrumpeln. Bei Fünftklässlern hätte man das auch noch einmal anders bewerten müssen."

Wir reden hier von Zehntklässlern. Die lassen sich nicht mal eben überrumpeln. Bei Fünftklässlern hätte man das noch einmal anders bewerten müssen.

Uwe Schmidt Schulleiter der Gerda-Taro-Schule

Zudem habe es nach den im Elternabend geäußerten Bedenken für die Schüler das Angebot gegeben, an alternativen Projekten in anderen Klassen teilzunehmen. Diese Alternative sei möglicherweise auch erst nach der Kritik während des Elternabends ermöglicht worden, heißt es bei "t-online". Denn in dem Elternbrief fehlte das Alternativangebot noch. Ein Elternteil hatte laut Bericht an dem Abend angekündigt, sein Kind krankzumelden.

Kemferts Klima-Podcast 52 min
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Kultusministerium: Schule hat Grenze überschritten

Trotz dieser Alternativen habe die Schule klar eine Grenze überschritten, sagte am Montag die Sprecherin des Kultusministeriums Sachsen, Susanne Meerheim, auf Anfrage von MDR SACHSEN. Das Entscheidende: Die Teilnahme an der Demonstration war verpflichtend - so wie es im Elternbrief steht. Und das sei ein Verstoß gegen den Beutelsbacher Konsens, so Meerheim: "Das ist das Neutralitätsgebot. Schüler dürfen nicht mit einer Meinung überwältigt werden. Eine Demonstration ist aber eine Interessensbekundung."

Was ist der Beutelsbacher Konsens? Der Beutelsbacher Konsens gilt bundesweit seit den 1970er-Jahren als grundlegende Richtlinie für die Politische Bildung. Die Regelungen müssen vor allem Lehrkräfte der gesellschaftlichen Fächer wie Geschichte und Gemeinschaftskunde beachten. Eines der Gebote des Konsens ist das sogenannte Überwältigungsverbot. Nach diesem ist es nicht erlaubt, den Schüler im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit daran zu hindern, ein eigenständiges Urteil zu fällen. Bundeszentrale für Politische Bildung

Das sei mit dem Unterricht nicht vereinbar, betont Meerheim: "Eine verpflichtende Teilnahme an einer Demonstration ist nicht Teil des Unterrichts." Daran ändere auch nichts, das sich die Klasse mehrheitlich für die Teilnahme an der Klima-Demo entschieden hatte. "Das kann man nicht abstimmen lassen", verdeutlicht Meerheim. Der Vorfall müsse jetzt mit der Schulleitung ausgewertet werden.

Schüler dürfen nicht mit einer Meinung überwältigt werden. Eine Demonstration ist aber eine Interessensbekundung.

Susanne Meerheim Sprecherin des Kultusministeriums Sachsen

Landeselternrat: Teil von politischer Bildung, sich eigenes Bild zu machen

Kritisch zu dem Vorfall äußerte sich auch die Vorsitzende des Landeselternrates, Nadine Eichhorn. Grundsätzlich gelte: "Egal, um welche Demo es geht - kein Schüler darf gezwungen werden, da mitzugehen." Aber: Da die Schüler nach bisherigen Kenntnisstand mehrheitlich für eine Demo-Teilnahme stimmten und diese auch kritisch aufgearbeitet werden sollte, "darf das im Rahmen von politischer Bildung auch stattfinden", betont Eichhorn.

Das macht politische Bildung aus - nicht eine Meinung übergestülpt zu bekommen, sondern sich ein eigenes Bild zu machen.

Nadine Eichhorn Vorsitzende des Landeselternrates Sachsen

Wenn die Lehrkraft das Thema gut begleite und etwa über Vor- und Nachteile einer Demonstration mit den Schülern spreche, sei das nicht problematisch, so Eichhorn. "Das macht politische Bildung aus - nicht eine Meinung übergestülpt zu bekommen, sondern sich ein eigenes Bild zu machen."

Auch der KER Leipzig betonte in seiner Stellungnahme: "Es wurde zu keiner Zeit verlangt, dass jemand aktiv mit irgendeiner Meinung teilnehmen muss." Der Vorwurf, dass der Beutelsbacher Konsens missachtet und die Schüler mit der Demonstration überwältigt wurden, ist laut KER unbegründet.

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