Sicherheitskonferenz zu sexualisierter Gewalt
Bei Leipzigs 45. Sicherheitskonferenz trafen sich Expertinnen und Experten im Neuen Rathaus, um über das Thema sexualisierte Gewalt in Leipzig zu sprechen. Bildrechte: MDR/Leven Wortmann

45. Sicherheitskonferenz Leipzig plant mehr Prävention gegen sexualisierte Gewalt

19. Oktober 2024, 15:38 Uhr

Opfer sexualisierter Gewalt haben in Leipzig drei Beratungsstellen, an die sie sich wenden können. Viel zu wenig, beklagen Betroffenenverbände. Das sieht die Stadtverwaltung auch so und will nun gegensteuern. Auf der Leipziger Sicherheitskonferenz kündigte Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal an, eine Arbeitsgruppe einsetzen zu wollen.

Die Stadt Leipzig möchte die Präventionsarbeit im Bereich sexualisierter Gewalt weiter ausbauen. Wie der zuständige Bürgermeister Heiko Rosenthal auf der 45. Sicherheitskonferenz bekanntgab, soll dazu eine Arbeitsgruppe aus kommunalen Beratungsstellen und der Stadtverwaltung ins Leben gerufen werden.

Ordnungsbürgermeister Rosenthal: Opfern besser helfen

Im Laufe des kommenden Jahres, so der Plan, sollen erste Konzepte zu dem Thema erarbeitet werden. "Wir müssen in Leipzig die Diskussion führen, wie wir Opfern von sexualisierter Gewalt helfen können", so Rosenthal. "Wie können wir Opfer von Vergewaltigungen zu einer Strafanzeige bewegen und wie können wir diesen Opfern bessere Beratung anbieten?"

Wir müssen in Leipzig die Diskussion führen, wie wir Opfern von sexualisierter Gewalt helfen können. Wie können wir Opfer von Vergewaltigungen zu einer Strafanzeige bewegen und wie können wir diesen Opfern bessere Beratung anbieten?

Heiko Rosenthal Ordnungsbürgermeister Leipzig

Eine Finanzierung von mehr Beratungsstellen über das Budget der Stadt, so Rosenthal, sei aber frühestens ab dem Doppelhaushalt 2027/28 möglich.

Heiko Rosenthal 1 min
Bildrechte: IMAGO / Eibner

Drei Fachberatungsstellen, nötig wären 40

Für Susanne Hampe vom Opferschutzverein Bellis e. V. kommen zwei Probleme zusammen: eine hohe Dunkelziffer in dem Bereich und der Mangel an Fachberatungsstellen in der Stadt. Es gebe nur drei dieser Fachberatungsstellen, es bräuchte allerdings 40, erklärt sie.

Opferschutz-Vertreter: Thema am Laufen halten

"Ich sag es mal so: Im sächsischen Vergleich ist das vermutlich ganz gut, im Bundesvergleich ziemlich schlecht," so Hampes Einschätzung. Sie sei seit 25 Jahren in dem Bereich tätig und dies sei die erste Konferenz in Leipzig dieser Art gewesen. "Wir müssen das Thema jetzt am Laufen halten und schauen, dass es nicht wieder in der Versenkung verschwindet. Der sächsische Fokus lag in den letzten Jahrzehnten auf der Prävention von häuslicher Gewalt. Nur leider waren dadurch andere Bereiche nicht im Fokus."

Susanne Hampe, Bellis eV
Susanne Hampe ist Geschäftsführerin beim Bellis e. V. für Opferschutz und Gewaltprävention. Hampe war bei der 45. Sicherheitskonferenz dabei. Bildrechte: MDR/Leven Wortmann

"Leipzig macht da auch schon einiges richtig, gerade bei der Zusammenarbeit der bestehenden Beratungsstellen und der Kommunikation mit der Stadtverwaltung." Die nun durch die Stadtverwaltung angekündigte Arbeitsgruppe und die versprochenen Fachberatungsstellen sind aus Hampes Sicht ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

"Wir müssen auf die Dunkelziffer schauen"

Ein Blick auf die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: Die erfasste Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Demnach wurden 2023 in Leipzig insgesamt 47 Strafanzeigen wegen Vergewaltigung gestellt. Für Hampe ein klares Zeichen dafür, dass es einen großen Nachholbedarf gibt. "Untersuchungen gehen davon aus, dass 85 bis 95 Prozent der Vergewaltigungen eben noch nicht angezeigt werden."

Wir haben einen großen Nachholbedarf. Untersuchungen gehen davon aus, dass 85 bis 95 Prozent der Vergewaltigungen eben noch nicht angezeigt werden.

Susanne Hampe Opferschutzverein Bellis e. V.

Schlechte Erfahrungen beim Erstatten der Anzeige

"Ich interpretiere die Zahlen so, dass es zwar viele Fälle von sexualisierter Gewalt gibt, aber nur wenige dieser Fälle zur Anzeige gebracht werden", sagt Hampe weiter. Das wäre auch ihre Erfahrung aus den Beratungsstellen in Leipzig. Viele Betroffene hätten schlechte Erlebnisse bei der Polizei gehabt, wenn sie etwas zur Anzeige bringen wollten.

Studie zum Anzeigeverhalten (zum Ausklappen):

Das Sächsische Staatsministerium für Gleichstellung veröffentlichte 2023 die "Dunkelfeldstudie zur Viktimisierung von Frauen durch häusliche Gewalt, Stalking und sexualisierte Gewalt" (VisSa-Studie). Ergebnis war, dass Straftaten im Bereich der sexualisierten Gewalt nur selten zur Anzeige gebracht werden und es eine dementsprechend hohe Dunkelziffer gibt. In der Studie heißt es, die Anzeigequote liege je nach Tat zwischen vier und 13 Prozent.

  • Körperliche häusliche Gewalt bei vier Prozent
  • psychische häusliche Gewalt bei sieben Prozent
  • Vergewaltigungsversuch bei acht Prozent
  • Vergewaltigung bei neun Prozent
  • Stalking bei elf Prozent
  • partnerschaftliche Gewalt bei 13 Prozent


Quelle: Viktimisierungsstudie Sachsen 2023

Keine Werbung für Beratungsstellen

Nach Berechnungen des Europarats bräuchte es für eine so große Stadt wie Leipzig rund 40 Fachberatungsstellen für sexualisierte Gewalt, momentan gibt es drei. Susanne Hampe fasst es so zusammen: "Wir trauen uns gar nicht Werbung für unsere Beratung zu machen, weil wir jetzt schon am Limit laufen. Aber das ist natürlich kein Zustand."

Die angekündigte Schaffung neuer Beratungsstellen sind laut Hampe genau das, was es braucht. Natürlich würde sie sich freuen, wenn direkt mehr Kapazitäten freigemacht werden. Allerdings wisse sie auch, wie langsam die Mühlen der Bürokratie mahlen.

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