Leipziger Neuseenland Freie Schifffahrt: Tourismus-Boom statt Motorboot-Ansturm?
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21. April 2023, 17:06 Uhr
Am Cospudener See gibt es heftige Proteste gegen die generelle Zulassung von Motorbooten. Kritiker befürchten lautes Motorengebrumme und die Verschmutzung der Freizeitoase. Der Umweltbund Ökolöwe Leipzig startete eine Petition, die knapp 11.000 Menschen unterschrieben haben. Landesdirektions-Chefin Regina Kraushaar will die Einwände prüfen.
- Die freie Fahrt von Booten jeglicher Art soll künftig den Flickenteppich an Einzelgenehmigungen auf Leipzigs Neuseenland ersetzen.
- Bei jedem See muss ein anderer Kompromiss zwischen Wassersportlern und Naturschutz gefunden werden.
- Die Angst vor einem Motorboot-Ansturm auf dem "Cossi" hält Landesdirektions-Chefin Regina Kraushaar für unbegründet.
Die Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, Regina Kraushaar, erwartet einen kräftigen Schub für den Tourismus, wenn in den kommenden Jahren auf den Seen des Leipziger Neuseenlandes die freie Schifffahrt erklärt wird. "Wir glauben, wenn jeder auf einen See kann, das es einen schönen Schub für den Tourismus geben kann. Das muss uns ja allen recht sein", sagte Kraushaar auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Hintergrund ist die Erklärung der Schiffbarkeit der Tagebauseen im Leipziger Süden per Allgemeinverfügung. "Das heißt, jedermann darf mit Schiffen und Booten auf dem Leipziger Seenland unterwegs sein. Die Seen sind dann für jedermann freigegeben" , erklärte Kraushaar.
Was bedeutet die Erklärung der "Schiffbarkeit" für das Leipziger Neuseenland? Mit dem Sächsischen Wassergesetz von 2013 hat der Freistaat Sachsen die Schiffbarkeit für die Tagebauseen im Leipziger Süden festgelegt, die die Landesdirektion Sachsen per Allgemeinverfügung umsetzt. Das heißt, das künftig Boote jeglichen Antriebs - ob Motor- oder Segelboot - auf den Seen fahren dürfen, die für "schiffbar" erklärt wurden. Aktuell ist eine Einzelgenehmigung notwendig, um auf den einzelnen Seen fahren zu können. Diese werden von den Landkreisen erteilt. Die Allgemeinverfügung zur Schiffbarkeit ersetzt diese Einzelgenehmigungen. Quelle: Landesdirektion Sachsen
Flickenteppich durch Einzelgenehmigungen
Aktuell gleicht das Leipziger Seenland für Seesportler und Bootstouristen noch einem Flickenteppich. Am Störmthaler, Zwenkauer und Hainer See ist etwa eine bestimmte Anzahl an Motorbooten zugelassen, am Cospudener See derzeit nur Boote mit Elektromotoren. Wer auf einen der Seen mit seinem Boot fahren will, braucht eine Einzelgenehmigung des zuständigen Landkreises. Das soll künftig wegfallen, wenn laut Sächsischen Wassergesetz Boote jeglicher Antriebsart - ob Segel- oder Motorboot - auf den Seen fahren können. Doch auch hier wird es Einschränkungen geben.
Seen unterschiedlich beurteilen
Bis ein See für "schiffbar" erklärt wird, durchlaufe das Gewässer einen längeren Prozess, in dem etwa die Interessen von Umweltverbänden, Seesportlern, Badetouristen und Anwohnern sowie Natur- und Lärmschutzgutachten abgewogen werden, erklärte Landesdirektions-Präsidentin Kraushaar. Dabei seien die Seen unterschiedlich zu betrachten, so Kraushaar: "Der Störmthaler, Cospudener und Zwenkauer See sind unterschiedlich. Wir prüfen genau, ob es dort etwa schützenswerte Tier- oder Pflanzenarten gibt."
Der Störmthaler, Cospudener und Zwenkauer See sind unterschiedlich. Wir prüfen genau, ob es dort etwa schützenswerte Tier- oder Pflanzenarten gibt.
Kompromiss zwischen Wassersport und Naturschutz
Auch künftig werden Schutzbereiche auf den Seen angepasst werden, sagte der Abteilungsleiter für Umweltfragen der Landesdirektion, Uwe Svarovsky. Ein Beispiel: der Berzdorfer See bei Görlitz, bei dem Segelsportler auf eine Abänderung der Schutzzone drängten. "Die Leute wollen auf die Seen. Der Nutzungsdruck ist hoch", erklärte Svarovsky.
Die Leute wollen auf die Seen. Der Nutzungsdruck ist hoch.
Zum Schutz von Flora und Fauna sind laut Svarovsky deswegen entsprechende Beschränkungen auf Grundlage des europäischen Natur- und Artenschutzes Teil der Allgemeinverfügung für die Schiffbarkeit. Manche Seebereiche wie beim Cospudener See seien demnach generell oder an bestimmten Tages- oder Jahreszeiten für den Wassertourismus tabu, um Brutzeiten etwa des Sterntauchers zu schützen.
Sperrbereiche bei häufigen Unfällen
Damit es auch künftig an den Bade- und Freizeitoasen sicher ist, kann die Schiffbarkeit eingeschränkt werden, so der Abteilungsleiter Infrastruktur bei der Landesdirektion, Godehard Kamps. "Wenn es zwingend notwendig ist, wird es temporäre Beschränkungen geben." So seien Sperrungen bestimmter Seebereiche möglich, wenn dort etwa häufiger Unfälle passieren. Speedboote seien Kamps zufolge weiterhin gänzlich verboten.
Wenn es zwingend notwendig ist, wird es temporäre Beschränkungen geben.
Cospudener See: Motorboot-Ansturm nicht zu befürchten
Gerade am Cospudener See wird durch die bevorstehende Erklärung der Schiffbarkeit ein Ansturm der Motorboote befürchtet. Regina Kraushaar sieht die Landesdirektion dabei in einer "Sandwich-Position". "Es gibt einen breiten Bevölkerungswillen, dass es nicht zu einem Motorbooteinsatz auf dem Cospudener See kommt. Damit müssen wir uns auseinandersetzen", so Kraushaar.
Es gibt einen breiten Bevölkerungswillen, dass es nicht zu einem Motorbooteinsatz auf dem Cospudener See kommt. Damit müssen wir uns auseinandersetzen.
Die gesetzlichen Vorgaben sehen jedoch laut Kraushaar nicht vor, Motorboote auszuschließen. Doch Befürchtungen eines Motorboot-Ansturms seien unbegründet, sagte die Behörden-Chefin. Auch bei freier Schifffahrt gebe es nur begrenzte Liegeplätze in den Seehäfen. Außerdem kämen Wassersportler und Bootstouristen nur dorthin, wo ein nicht zu großer Betrieb auf den Seen zu erwarten ist. Da würde der "Wohlfühlfaktor" regulierend wirken, so Kraushaar. Ein See mit zu viel Verkehr sei auch für Bootsbesitzer nicht attraktiv.
Freie Fahrt teilweise erst in kommenden Jahren
Und wann haben dann also die Bötchen freie Fahrt? Die Landesdirektion Sachsen plant, die Erklärung der Schiffbarkeit für den Cospudener See noch im Jahr 2023 zu erlassen. Dazu Kraushaar: "Wir haben sehr viele Einwendungen von Bürgern, Naturschutz- oder Seglerverbänden. Wir werden das prüfen, um dann zu entscheiden, wie wir weiter machen."
Das Verfahren für den Zwenkauer See sei in Arbeit, diejenigen für den Störmthaler und Markkleeberger See noch nicht. "Die Seen werden jetzt schon mit Einzel- und Ausnahmegenehmigungen mit Schiffen oder Booten genutzt. In den nächsten Jahren wird ein See nach dem anderen dazu kommen, die von jedem genutzt werden können", so Kraushaar.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 21. April 2023 | 16:30 Uhr