Gedenkveranstaltung in Markkleeberg Zur WM '98 brutal zusammengeschlagen - Gedenken an Nuno Lourenço
Hauptinhalt
04. Juli 2024, 15:44 Uhr
Es ist 26 Jahre her, dass der portugiesische Gastarbeiter Nuno Lourenço brutal von rechtsradikalen Schlägern in Markkleeberg zusammengeschlagen wurde. Er starb an den Folgen der Gewalttat. Jährlich erinnern Menschen daran. Jugendliche gestalten Sticker, Trikots und Comics, um das Gedächtnis an Lourenço wach zu halten. Für einen Historiker ist das Problem aktueller denn je. Er zieht Parallelen zu rassistischen Ausschreitungen bei der aktuellen Fußball-EM.
- Vor 26 Jahren wird der Gastarbeiter Nuno Lourenço brutal von rechtsradikalen Jugendlichen zusammengeschlagen.
- Mit jährlichen Gedenkveranstaltungen und einem Comic soll an das Opfer rassistischer Gewalt erinnert werden.
- Ein Historiker sieht im Fall von Lourenço Parallelen zu aktuellen rassistischen Vorfällen im Fußball.
Es ist der 4. Juli 1998. Es ist die Zeit der Fußball-Weltmeisterschaft. Der portugiesische Gastarbeiter Nuno Lourenço feiert an diesem Tag seinen Geburtstag. Gemeinsam mit vier Kollegen ist der Zimmermann auf dem Weg von Markkleeberg nach Böhlen. In Gaschwitz überfallen rechtsradikale Jugendliche die Gastarbeiter.
Die Angreifer geben später an, dass sie aus Wut und Enttäuschung gehandelt haben, weil die Deutsche-Fußballnationalmannschaft ihr Viertelfinalspiel gegen Kroatien verlor. Die Jugendlichen sperren Lourenço in einer Telefonzelle ein, als dieser gerade mit seiner Frau in Portugal telefonieren will. Sie schlagen brutal mit Eisenketten und Springerstiefeln auf ihn ein und verletzen ihn lebensgefährlich. Er stirbt ein halbes Jahr später mit 49 Jahren an den Folgen der Verletzung.
Täter erhalten geringe Gefängnisstrafen
Das Landgericht Leipzig wertet die Tat nicht als versuchten Totschlag, sondern als Körperverletzung mit Todesfolge. Der 21-jährige Haupttäter wird zu einer Jugendstrafe von vier Jahren Gefängnis verurteilt, die Mitangeklagten im Alter zwischen 15 und 20 Jahren erhalten Bewährungsstrafen und gemeinnützige Arbeitsstunden. Erst 2009 erkennt die Bundesregierung Nuno Lourenço als ein Opfer rechter Gewalt an.
Jährliche Gedenkveranstaltung an Gewalttat
Besonders dramatisch an dem Vorfall: die Gewalttat geschah an Lourenços Geburtstag, gestorben sei er an seinem Hochzeitstag, sagt Roberto Grellert-Al-Kassab. Der Geschichts- und Religionslehrer am Rudolf-Hildebrand-Gymnasium Markkleeberg gehört zu einer Gruppe aus Lehrern, Schülern, Künstlern und Historikern, die die Erinnerung an Lourenço unter anderem mit einer jährlichen Gedenkveranstaltung wachhalten wollen.
Jugendliche erinnern mit Comic an Lourenço
Dieses Jahr haben Jugendliche einen Comic gestaltet, der die Geschehnisse des 4. Juli 1998 wiederspiegelt. Bei einer Gedenkveranstaltung am Donnerstag wird dieser öffentlich gezeigt. Aus Sicht von Grellert-Al-Kassab ist die Gewalttat immer noch wenig bekannt. Er wolle bei den Jugendlichen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass solche Taten überall vorkommen: "Gewalt und Rassismus ist kein Thema, das woanders stattfindet, sondern direkt in der Heimatstadt."
Gewalt und Rassismus ist kein Thema, das woanders stattfindet, sondern direkt in der Heimatstadt.
Gleichberechtigung und Würde spielen für den Religionslehrer eine große Rolle: "Das soll nicht nur in der Theorie stattfinden, sondern auch sichtbar werden, indem man sich auch für andere Menschen einsetzt."
Religionslehrer fühlt sich selbst betroffen
Grellert-Al-Kassab fühlt sich aber auch selbst betroffen. Sein Schwiegervater ist gebürtiger Libanese. Dessen Name trage er bewusst in seinem Nachnamen, sagt Grellert-Al-Kassab. "Das Thema Rassismus ist für mich schon immer wichtig. Mein Schwiegervater könnte durch seine Migrationsgeschichte auch immer Opfer von rassistischen Übergriffen werden."
Historiker sieht Parallelen zu heutigem Rassismus
Auch Historiker Martin Baumert ist an dem Erinnerungsprojekt in Markkleeberg beteiligt und hat mit Jugendlichen etwa Sticker mit dem Konterfei von Lourenço gestaltet. Rassistisches Denken unter jungen Menschen sei aktueller denn je, meint Baumert und nennt das Urteil gegen die Neonazi-Gruppe "Knockout 51" als Beispiel, die den Mord von politischen Gegnern geplant hatten. Gerade im Osten Deutschlands werde das Thema Rassismus schnell relativiert, sagt er.
Der Fall von Nuno Lourenço hat einen ganz klaren Bezug zur Gegenwart.
Doch auch wegen der aktuellen EM sei der Fall aktuell. So hat es bereits mehrere rassistische Vorfälle gegeben, etwa bei österreichischen Fans oder einem türkischen Fußballspieler. "Der Fall von Nuno Lourenço hat einen ganz klaren Bezug zur Gegenwart", sagt der Historiker.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 04. Juli 2024 | 09:30 Uhr