
Selbstversuch im Töpferdorf Von einer Reporterin, die auszog, das Töpfern zu lernen
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09. März 2025, 20:35 Uhr
Töpfern gehört zu den alten Kunsthandwerken und ist nach wie vor beliebt. In Sachsen gibt es heute noch knapp über 60 Töpfereien, die seit dem zweiten Märzwochenende langsam wieder aus dem Winterschlaf erwachen. Dazu gehört auch die Töpferei Gundula Müller in Kohren-Sahlis im Landkreis Leipzig. Müller betreibt das Familienunternehmen seit 35 Jahren. Am "20. Tag der offenen Töpferei" hat sie auch Gäste an die Drehscheibe gelassen, darunter MDR SACHSEN-Reporterin Sina Meißgeier.
Das letzte Mal, als ich Ton in der Hand hatte, war in meiner Kindheit. Damals habe ich mich an einer Untertasse versucht. Herausgekommen war ein braunes tellerartiges Gebilde mit dickem und unförmigem Rand.
Ich sitze also mit den wenigsten Erwartungen an diesem sonnigen Sonntag an der Töpferdrehscheibe von Gundula Müller. Mit ihrer ruhigen Stimme und in der Latzhose sieht man ihr schnell an: Hier steht ein sehr geduldiger Mensch, obwohl sie das vielleicht von sich selbst nicht immer behaupten würde. "Es kommt darauf an, langsam und ruhig zu arbeiten", erklärt sie. "Und das Gefühl zu entwickeln, wo ich wann und wie dolle drücken muss".
Wer kontrolliert den Tonklumpen?
Also, erstmal Hände nass machen, den Tonklumpen auf der Scheibe zentrieren und in die Grundform bringen. Schon da merke ich, dass ich nicht so richtig weiß, was ich eigentlich mache. "Du musst derjenige sein, der dem Ton sagt, was er machen soll" - allerdinge habe ich eher das Gefühl, dass der Ton mir sagt, wo's langgeht. "Das ist aber normal", beschwichtigt mich Gundula Müller.
Auch über die insgesamt fünf Lehrlinge, die die Meisterin in ihrer bisherigen Berufszeit angelernt hat, berichtet sie, dass es bei den jungen Frauen bis zu zwei Wochen gedauert hat, bis der Ton sozusagen die richtige Grundeinstellung hatte. "Und bis man etwas von einem Lehrling zum Verkauf hinstellen kann, das kann schonmal zwei Jahre dauern", so Müller weiter.
Es dreht sich, die Finger machen etwas
Vor mir dreht es sich also und ich halte eine Hand rein in mein entstehendes Becherchen, während die Außenseite meines rechten Zeigefingers draußen irgendwas macht. Dann fühlen sich die Hände trocken an und ich muss nachwässern. Meine eigentliche Handhaltung von eben habe ich bis dahin schon wieder vergessen. Gundula Müller greift beherzt ein und schiebt meine Hände an die richtigen Stellen. Dann soll ich nach außen und nach oben schieben.
Verharre ich gefühlt einen Moment zu lange an einer Stelle am Ton, fühlt es sich so an, als würde es dort ganz plötzlich sehr dünn werden. Ich bekomme ein wenig Panik: Es geht mir einfach nicht von der Hand und ich fühle keine Verbindung zum Ton. Zwischendurch halte ich ein kleines Schwämmchen auf die Töpferplatte und in mein kleines Kunstwerk hinein, denn dort muss das Wasser wiederum weg. An die Hände unbedingt, auf die Drehscheibe nicht - soviel habe ich dann doch verstanden.
Also, wenn mir mal jemand die Scheibe wegnimmt, dann wäre es echt schwierig.
Töpfern entspannt, aber ich bin unentspannt
Für andere mag es sich toll und irgendwie wirkmächtig anfühlen, aus einem Klumpen Material, das zuerst immer gleich aussieht, einen wirklich schönen Gebrauchs- oder Dekorationsgegenstand zu machen. Was an Töpfern entspannend sein soll, ist mir dagegen also eher unklar. Aber auch Gundula Müller gibt den Hobby-Töpferern Recht: "Es entspannt auch. Also, wenn mir mal jemand die Scheibe wegnimmt, dann wäre es echt schwierig".
Andere Gäste machen es besser
Auch Evelyn Roick aus Riesa versucht sich an der Drehscheibe. Tatsächlich töpfert sie seit einem Jahr in ihrer Freizeit. "Es ist doch anders, als wenn man es nur mit der Hand macht", sagte sie nach ihrem allerersten Versuch an der Drehscheibe. Sie hat bisher Blumenfiguren für den Garten gemacht, und eine große Eule, berichtet sie weiter und ist sichtlich glücklich über ihren Versuch. Bei ihr kann man wohl sagen: Mit dem Töpfern hat sie ein neues Hobby gefunden.
Nach ihrem Versuch berichtet Marlies Grimm aus Neumark im Vogtland: "Schön und interessant war es." Die Abläufe zu koordinieren und ein Gefühl zu entwickeln, was richtig und falsch sei, habe sie als Schwierigkeit empfunden. "Ich würde es noch öfter versuchen, wenn ich die Möglichkeit hätte", resümiert sie.
Da war das Loch im Boden
Meine letzte Herausforderung, die ich - soviel sei verraten - nicht meistere, ist es, mein Getöpfertes von der Drehscheibe herunterzubekommen. Mit den Daumen auf der mittlerweile stillstehenden Drehscheibe fahre mit dem vorgefertigten Draht unter meinem Machwerk lang.
Es fühlt sich an wie beim Torteschneiden, aber ich sehe: Irgendwas ist schiefgegangen. Beim Anheben sehe ich das Loch im Boden, doch ich weiß: Wenn ich in ein paar Wochen wiederkomme, wird aus meinem getöpfterten Unfall - dank Gundula und ihrem Mann Carsten Müller - ein kleines Kunstwerk mit der in Kohren-Sahlis geschichtsträchtigen altgelben Glasur entstanden sein.
Was passiert eigentlich nach dem Töpfern? Nachdem man mit den Händen oder mit der Töpferscheibe etwas hergestellt hat, muss es über mehrere Wochen trocknen. Dann erfolgt das erste Brennen im Ofen bei knapp 1.000 Grad Celsius über acht Stunden. Im Anschluss daran bekommen die Arbeiten ihre Glasur. Mit der Glasur erfolgt dann der zweite Brennvorgang. Je nach Glasur passiert dies bei unterschiedlich hohen Temperaturen.
Wer den Tag der offenen Töpferei verpasst hat, sollte sich das Wochenende 17./18. Mai 2025 vormerken. Dann findet der 30. Kohrener Töpfermarkt statt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 09. März 2025 | 19:00 Uhr