Nach "Tag X" Protest-Wochenende in Leipzig: Anwohner kritisieren Verhalten von Polizei

05. Juni 2023, 19:43 Uhr

Der Leipziger Süden ist während der Proteste rund um den "Tag X" nach dem Urteil im Fall Lina E. am vergangenen Wochenende zum Pulverfass geworden. Steine und Glasflaschen flogen, Barrikaden aus Sperrmüll brannten. Davon sind am Montag nur einzelne Spuren zu sehen. Die Polizei muss einen besonderen Zwischenfall aufarbeiten.

Der Platz ist sauber gekehrt, nur die Mülleimer quellen über. Eine einzelne abgebrannte Mülltonne und Brandspuren auf den anliegenden Straßen am Wiedebachplatz lassen am Montag erahnen, dass hier am vergangenen Wochenende, bei den Protesten nach dem Urteil von Lina E., Glasflaschen auf Polizisten flogen und Barrikaden brannten.

Eine junge Frau mit schwarzen, langen Haaren und einem braunen Mischlingshund an der Leine läuft durch den Park und sagt relativ gelassen: "Das gehört eben zu Connewitz." Sie habe sich am Wochenende in ihren Kleingarten verzogen, um Ruhe zu haben.

Vor einem Tattoostudio direkt am Wiedebachplatz kommt eine andere Anwohnerin vorbei. Sie und ihre Kolleginnen hatten ihren Laden an der Ecke Karl-Liebknecht-Straße und Kurt-Eisner-Straße extra früher geschlossen, um nicht in den Demonstrationszug zu geraten. Doch gerade als sie gehen wollten, seien sie in eine Gruppe Demonstrierender geraten und von der Polizei eingekesselt worden. Die Polizeibeamten wollten sie erst nicht gehen lassen, erklärt die 30-Jährige. Nur weil der Hund einer Freundin dabei war, haben sie den Bereich verlassen dürfen, sagt sie: "Hätten wir den Hund nicht dabei gehabt, wären wir nicht raus gelassen worden."

Sie habe öfters beobachtet, dass die Polizei auch Leute festgehalten habe, die nur zufällig in die Demo-Gruppen geraten seien. "Ich empfand die Situation allgemein mega angespannt. Es war eine sehr aggressive Stimmung."

Valentin und Katharina Schwarzbach spazieren am Montag mit ihren beiden kleinen Kindern am Heinrich-Schütz-Platz vorbei. Lange habe die Familie im südlichen Leipzig gelebt und einige Demos miterlebt. "Aber so viel Polizei haben wir noch nicht gesehen. Leipzig war sehr aufgeladen", sagt Valentin. Die Familie war am Wochenende zu Besuch bei Freunden nur wenige Hundert Meter vom Heinrich-Schütz-Platz. In diesem Bereich sei eine Demo-Gruppe am vergangenem Wochenende durch Polizisten eingekesselt worden, sagt Katharina: "Es ist beeindruckend, wie gut die Demonstranten abgeschirmt wurden."

Kritik an Polizei: Glasflaschen in Park zerstört

Kritik am Vorgehen von Polizisten am Wiedebachplatz am vergangenen Freitagabend gab es auch in den Sozialen Netzwerken. Auf der Webseite Reddit ist ein Video geteilt worden, auf dem Polizisten Flaschen auf der Wiese des Parks zerbrechen. Die Polizisten sind trotz Dunkelheit deutlich an ihren Uniformen zu erkennen. Der Videofilmer und weitere Männer weisen die Polizeibeamten in aggressiven Unterton darauf hin, dass "Kinder und Hunde im Park lang rennen." Einzelne Polizisten erklären, dass sie die Glasflaschen zerstören, um nicht damit beworfen zu werden.

Die Polizei spricht schließlich nach weiteren Beleidigungen durch die Personen einen Platzverweis für den Park aus. "Wenn ihr nochmal drüben seid, geht ihr heute ins Gewahrsam", sagt einer der Polizisten. Die Männer entfernen sich daraufhin von dem Platz. Auf Anfrage von MDR SACHSEN bestätigt die Polizei Leipzig, dass Polizeibeamte Glasflaschen am Wiedebachplatz zerstört haben. "Eine andere Lösung wäre besser gewesen", hieß es dazu aus der Pressestelle. Das Ordnungsamt sei alarmiert worden, um die Glasscherben auf den Wiesen zu beseitigen. Weitere Angaben, warum die Polizisten etwa die Flaschen nicht aufsammelten und ob die Androhung des Gewahrsams verhältnismäßig war, machte die Polizei bisher nicht. Der genaue Hergang wird laut Polizei noch ermittelt.

Müllabfuhr im Dauereinsatz

Bereits im Vorfeld der Proteste am Wochenende seien Glascontainer aus Connewitz abtransportiert worden, damit sie den Demonstrierenden nicht als Barrikaden dienen, teilt die Stadtreinigung Leipzig mit. Von Freitag bis Sonntag sei die Müllabfuhr in Tag- und Nachtschichten im Dauereinsatz gewesen, um abgebrannte Abfälle und Barrikaden etwa aus Sperrmüll zu beseitigen. Durch das Stadtfest, das RB-Spiel oder das Grönemeyer-Konzert sei zusätzlich Müll angefallen. Eine Ausnahmesituation nicht nur für die Polizei, sondern auch die Müllabfuhr, sagt Sprecherin Susanne Zohl: "Das ist nicht mit Silvester vergleichbar. Silvester betrifft nur eine Nacht. Dieses Wochenende umfasste mehrere Tage und Nächte sowie mehrere Veranstaltungen."

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 05. Juni 2023 | 19:00 Uhr

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