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Jugend-Fischereischein Behörden-Ping-Pong trübt Angelfreuden für Opa und Enkel
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16. Februar 2025, 08:00 Uhr
Großvater Spiegler ist genervt. Mittlerweile hat der 63-jährige Angel-Enthusiast aus dem nordsächsischen Köhra eine Art Tagebuch angelegt - um seine Suche nach einem Fischereischein für seinen Enkel zu dokumentieren. Das Problem: Der Neunjährige lebt im fränkischen Thalmässing. Will er mit seinem Opa in Sachsen angeln, braucht er einen Jugend-Fischereischein. Die Suche nach einer Lösung war zunächst ein Fischen im Trüben. Nun gibt es zumindest Hoffnung.
- Ein Großvater kämpft darum, dass sein Enkel aus Bayern in Sachsen legal angeln darf.
- Der neunjährige Dean hat sich als großes Angeltalent entpuppt und könnte eine Familientradition fortsetzen.
- Das sächsische Umweltministerium strebt eine "zufriedenstellende Lösung" an.
Man kann Steffen Spiegler aus Köhra in Nordsachsen nicht nachsagen, dass er nicht alles probiert hat: Selbst den sächsischen Umweltminister Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) versuchte der 63-Jährige einmal an die Strippe zu bekommen. Denn er wollte für seinen Enkel Dean, einem großen Angeltalent, einen sächsischen Jugend-Fischereischein bekommen.
"Scharfe Landesgrenze zwischen Sachsen und Bayern"
Das Problem: Den Jugend-Fischereischein gibt es nur für Kinder mit Hauptwohnsitz in Sachsen. Der Neunjährige aber ist bei Spieglers Tochter in Bayern gemeldet. Dort wiederum wurde der Jugend-Fischereischein Anfang des Jahres abgeschafft. Deshalb bekam die Anfrage des engagierten Großvaters, der Angeln als Familientradition fortsetzen will, eine Absage: "Ich war erstaunt, dass die Landesgrenze zwischen Sachsen und Bayern dermaßen scharf ist", schildert Spiegler seine Reaktion.
Er blieb am Ball und bekam von einer Behörde den wohl nicht ganz ernstgemeinten Vorschlag, das Kind möge doch kurz den Hauptwohnsitz nach Sachsen verlegen und sich dann den Schein sichern. Danach könnte es wieder "umziehen" - und den Schein behalten.
Schwarzangeln keine Option: Kontrollen sind in Ordnung
Für den Rentner war das ebenso wenig eine Option wie Angeln durch die Hintertür: "Natürlich hätten wir die Möglichkeit, uns an irgendeinem kleinen Weiher zu verstecken, aber das ist illegal und das möchte ich nicht." Er wisse, dass es Kontrollen gibt: "Angefangen von der Fischereiaufsicht bis hin zur Polizei. Einige Naturschutzverbände machen das ebenfalls und ich finde das auch sehr in Ordnung, weil eine Ordnung am Gewässer herrschen muss."
Durchtelefonieren durch fränkische Fischereibehörden
Also sprach er weiter bei den Behörden vor: Nicht nur beim Umweltministerium, sondern auch beim Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Das Referat 76 ist für Fischerei zuständig. Doch das Gesetz ließe keine Genehmigung zu, wurde ihm mitgeteilt. Immerhin bekam er den Tipp, es doch einmal in Bayern zu probieren. Also telefonierte sich Steffen Spiegler in Franken von der obersten bis zur niedrigsten Fischereibehörde. Und landete im Einwohnermeldeamt Thalmässing in der Nähe von Nürnberg. Dort ist Dean gemeldet.
Großvater begeistert: "Er ist mit Neun besser als ich mit 16"
Beim Angeln habe sich der Junge schnell als großes Talent entpuppt, berichtet der immer noch verblüffte Opa Steffen: "Er hat keine fünf Minuten gebraucht, bis er das Auswerfen der Angel begriffen hat." Der erste Fang sei dann auch gleich ein größerer gewesen: "Eine riesige Lachsforelle. Ich habe ihm auch nicht geholfen. Als der Fisch raus war, da schlug sein Herz bei 180." Mittlerweile fing die Naturbegabung schon einen 63 Zentimeter langen Hecht. Den Vergleich mit dem Großvater muss der Enkel nicht scheuen, im Gegenteil: "Er hat mich weit überholt. Er ist jetzt neun Jahre alt und beherrscht das Angeln schon besser als ich mit 16."
Thalmässing könnte an Sachsen einen Antrag stellen
Bei Deans Einwohnermeldeamt in Thalmässing bekam der Großvater zu hören, dass eventuell die Möglichkeit eines Antrages zur "Ermächtigung für die Erteilung eines Jugendfischereischeins“ für ein bayrisches Kind durch die sächsischen Behörden bestünde. Er recherchierte den Kontakt zum Sächsischen Umweltministerium und gab die Daten nach Thalmässing weiter. Wenn die Rechtsabteilung des Umweltministeriums damit einverstanden wäre, dann könnte der Antrag weiter zum zuständigen Landesamt gehen Derzeit ist noch kein Schreiben in Dresden eingetroffen, da die Mitarbeiterin in Thalmässing gerade auch noch mit der Bundestagswahl beschäftigt ist.
Angelverband: "Verfahrene Situation"
Christian Kötter, der Geschäftsführer des Anglerverbands Sachsen, spricht von einer "verfahrenen Situation". Er hoffe, dass es "irgendwie zu einer Lösung kommt". Sein Verband hat den Angaben nach in Sachsen fast 50.000 Mitglieder, darunter sind 5.000 bis 6.000 Jugendliche. Die Regelung im Freistaat finde er "eigentlich gut. Ab neun Jahren kann man diesen jungen Fischereischein beantragen. Der gilt bis 16. Im ersten Jahr muss man unter Begleitung eines Erwachsenen, der den Fischereischein hat, angeln". Ist der Jugendliche seit einem Jahr Mitglied in einem Verein, gehe es auch ohne Erwachsenen.
Umweltministerum schlägt Opa und Enkel kommerzielle Angelteiche vor
Zwischen den Bundesländern gebe es "Unterschiede", sagt Christian Kötter. "Das Problem ist seit Jahresbeginn neu, weil die Bayern eine Vereinfachung vorgenommen haben. Aber dies führt im Endeffekt dazu, dass dann ein bayerisches Kind in Sachsen nicht mehr angeln kann." Das Umweltministerium (SMUL) in Dresden schrieb MDR SACHSEN: "Die Jugendfischereischeine von Personen aus allen anderen Bundesländern werden in Sachsen anerkannt. Somit ist die Fischereiausübung, zum Beispiel im Urlaub in Sachsen, für diesen Personenkreis möglich." Das SMUL schlägt im Fall von Dean den Gang zu kommerziell betriebenen Angelteichen vor: "In Sachsen gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, an bewirtschafteten Anlagen den Fischfang mit der Handangel auch ohne Fischereischein auszuüben."
Abschaffung des Jugendscheins ist in Sachsen nicht geplant
Über eine Abschaffung des Jugend-Fischereischeins denke man nicht nach: "Im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern, die den Jugendfischereischein gerade abschaffen oder bereits abgeschafft haben, dürfen Jugendliche im Freistaat Sachsen auch ohne Begleitung eines erwachsenen Fischereischeininhabers die Fischerei ausüben, wenn sie einen Jugendfischereischein besitzen und seit mindestens einem Jahr Mitglied in einem Angelverein sind. Der Jugendfischereischein ist der hierbei notwendige Nachweis, um die Identität eines angelnden Jugendlichen bei einer Kontrolle durch die Fischereiaufsicht feststellen zu können."
Der Schein soll zum 10. Geburtstag da sein
Ach so: Umweltminister von Breitenbuch hatte für Steffen Spiegler spontan keine Zeit. Immerhin brachte sein Ministerium zumindest Reformbedarf zum Ausdruck: "Die sächsische Fischereiverwaltung wird im Dialog mit den Bundesländern, in denen der Jugendfischereischein abgeschafft wird/wurde, eruieren, ob und wie bei zukünftigen Gesetzesanpassungen eine zufriedenstellende Lösung erreicht werden kann." Vielleicht hilft eine Art Freiangel-Abkommen zwischen Sachsen und Bayern. Steffen Spiegler jedenfalls wird vorerst nicht lockerlassen. Sein Ziel ist klar: "Dean wird am 14. März zehn. Es wäre hervorragend, wenn das Ding auf dem Geburtstagstisch liegen würde."
MDR (cke/koh)