Gewichte und Berge Extrem-Radsportler trainiert in Willingen für Tour nach Marokko
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16. Juli 2023, 15:51 Uhr
Sport dürfte sich für viele bei den aktuellen Temperaturen auf das Plantschen im See oder im Schwimmbad beschränken. Ganz anders hält es der Leipziger Extrem-Hobbysportler Lars Uhlemann. Vor seiner im August anstehenden Radtour von Leipzig nach Marrakesch trainiert er vor und nach der Arbeit. Und treibt dabei den Schwierigkeitsgrad noch künstlich nach oben. Kein Wunder, in Afrika erwartet ihn beim "Endspurt" der 3.500 km langen Tour ein hartes Pflaster. Wird Lars Uhlemann dabei zum "MacGyver"?
- Bevor Lars Uhlemann morgens die Windräder von Willingen erklimmt und abends ins Hotel kommt, reißt er auf seinem Rad Kilometer um Kilometer ab. Die Hitze hilft ihm sogar.
- Die Reifen hat er am Nordkap getestet. Halten sie auch in der Wüste?
- Die größte Gefahr lauert für den Solo-Fahrer in Afrika. Dann droht ihm die Rolle eines Einzelkämpfers.
Die aktuelle Hitze gefällt Lars Uhlemann: Der Leipziger Extrem-Radsportler kann so seine nächste Tour noch besser simulieren. Im August geht es für den 39-Jährigen von Leipzig über Paris, Madrid und Gibraltar bis nach Marrakesch in Marokko. 3.500 Kilometer hat er sich vorgenommen. Nur 30 Tage Zeit plant er ein, mehr gibt sein Jahresurlaub nicht her.
Die Vorbereitung steigt gerade im hessischen Wintersport-Ort Willingen. Da, wo sonst die Weltcup-Skispringer die Schanze herunter fliegen, arbeitet Lars Uhlemann in seinem Beruf an Windkraftanlagen. Bei seinem Training nutzt er die Topographie der hessischen Gemeinde, die sich auf 550 Meter Höhe im Rothaargebirge befindet.
Kein Radfahren light
Den Betriebsbus auf dem Weg zum Windrad morgens und zurück zum Hotel abends verlässt er jeweils vorzeitig: "Vor der Arbeit komme ich so auf zehn bis zwölf Kilometer, nach der Arbeit auf 30 bis 47." Das sei sein Abendrekord. Der Clou: Einfaches Radfahren reicht dem Sachsen nicht. Er nutze ein schweres Mountainbike, Zusatzgepäck von drei bis vier Kilogramm - und auch noch schwarze Klamotten. Der "Men in Black" Uhlemann will so die auf ihn zukommende "Anstrengung simulieren. Das ist eine Kopfsache. Wenn ich quasi übertrainiert bin, dann fällt es mir real auf der Tour leichter."
Bergauf kommt Uhlemann mächtig ins Schwitzen
Beim Training in Willingen überwinde er jeden Tag 400 bis 500 Höhenmeter. Die aktuellen Temperaturen sind für ihn "so lange man eine normale Geschwindigkeit hat, in Ordnung". Dann helfe der Fahrtwind, bergauf aber "merkt man es. Dann schwitzt man wie Sau, dann bist Du am Ende wie frischgeduscht."
Die Eckdaten der Tour habe Uhlemann, der auch schon von Hamburg zum Nordkap gefahren ist, vor zwei Monaten festgelegt. Start ist am Leipziger Marktplatz am 12. August. Im Schnitt muss er pro Tag rund 120 Kilometer zurücklegen. Zum Vergleich: Auf der 15. Etappe der Tour de France am Sonntag sind es 179 Kilometer.
Nun geht es für Lars Uhlemann an die Details. Sein Rennrad ist gerade in der Werkstatt. Spezielle Klamotten, enganliegend bei Regen und Wind, müssen besorgt werden. Die Seife sei pH-neutral, damit er keine Flüsse verschmutzt. Kopfschmerztabellen habe er bestellt, auch Kohle-, Magnesium- und Kalziumtabletten werden geliefert. Kalzium nehme er wegen möglicher Krämpfe. Der Sonnenschutzfakor seiner Sonnencreme beträgt 50+.
Reifen funktionierten am Nordkap
Bei den vorgesehenen Reifen muss er ein bisschen experimentieren: "Es sind die gleichen Reifen wie auf der Tour von Hamburg bis zum Nordkap. Da haben sie gehalten. Wie sie bei großer Hitze sind, kann ich noch nicht sagen." Zwei oder drei Schläuche wird er ab dem 12. August, wenn er auf dem Leipziger Marktplatz startet, auch im Gepäck haben.
Alle zwei Tage will er sich bei Eltern und Freunden melden
Ganz ohne sei sein Solo-Ritt von Leipzig nach Afrika ohnehin nicht. Wie wappnet er sich gegen Notfälle? "Ich melde mich alle zwei Tage bei meinen Eltern und Kumpels. Sonst geht über meine Fahrrad-Navi-App eine Warnung heraus. Die erkennt auch, wenn ich abrupt stoppe und verschickt eine Notfallnachricht an eine Nummer, die ich angegeben habe." Anhand von GPS-Daten wird sein Standort mitgeteilt. Dann kann die Polizei benachrichtigt werden.
"Da nützt Dir dann auch keine App"
Der ehemalige Leichtathlet und sächsische Mannschaftsmeister im Bogenschießen gibt zu, dass es aber auch Grenzen gibt: "Wenn Du alleine fährst, dann ist da schon eine reale Gefahr, da nützt Dir dann auch keine App."
"Afrika ist die gefährlichste Strecke"
In Afrika legt Lars Uhlemann noch einmal satte 600 Kilometer bis nach Marrakesch zurück. Die Stadt liegt nicht am Atlantik, sondern im Südwesten. Bis zu 35,2 Grad heiß kann es laut Wetteraufzeichnungen dort im August werden. Vor diesem Abschnitt habe er den größten Respekt: "Afrika ist schon die gefährlichste Strecke. Wenn die Menschen dort kein Englisch sprechen und ich muss in einem Notfall zum nächsten Dorf, dann wird man zum Einzelkämpfer, dann bist du wie ein kleiner MacGyver." Angus MacGyver war der Held einer US-Serie, beschrieben wurde er als eine Mischung aus Abenteurer, Geheimagent und Nothelfer mit viel Erfindungsgeist, um unkonventionelle Lösungen zu schaffen. Drücken wir Lars Uhlemann die Daumen, dass er sich in Marokko nicht als Improvisationskünstler zeigen muss.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. Mai 2023 | 19:00 Uhr