Kulturbüro Sachsen Extreme Rechte nutzt Umweltthemen für Propaganda

03. Mai 2023, 17:49 Uhr

Das Kulturbüro Sachsen beobachtet eine zunehmende Beschäftigung der extremen Rechten mit Umwelt- und Klimaschutz und warnt vor einem möglichen Missbrauch. Ihre neue Publikation "Sachsen rechts unten 2023" verdeutlicht die Instrumentalisierung der Klimadiskussion durch die Neonazi-Szene.

Die neu-rechte und rechtspopulistische Szene in Sachsen setzt immer stärker auf Öko- und Umweltthemen. Das zeigt die neue Publikation des Kulturbüros Sachsen unter dem Titel "Sachsen Rechts unten 2023" auf. Debatten über Klimawandel und Umweltschutz würden instrumentalisiert und mit dem ideologischen Selbstverständnis der extremen Rechten verknüpft, sagte Fachreferent Michael Nattke in Dresden.

Das Thema schlummere noch, habe aber Mobilisierungspotenzial und könne irgendwann entsprechend aufgewertet werden, ähnlich der Asylproteste oder Anti-Corona-Demonstrationen, sagte Nattke. Es sei ein weiterer "Ankerpunkt" für die extreme Rechte, um das politische System in Frage zu stellen. Dabei bestünden Anknüpfungspunkte bis tief ins bürgerliche Milieu, "das kann auch Relevanz für Wahlen haben".

Dresdner Zeitschrift "Die Kehre" fungiert als Aushängeschild

Nattke zufolge kam es mit der Gründung des neu-rechten Dresdner Magazins "Die Kehre - Zeitschrift für Naturschutz" im Mai 2020 zu einer Neuausrichtung der Szene im Freistaat bei dem Thema. "Sie möchte im Sinne der sogenannten metapolitischen Strategie der neuen Rechten die Klimadebatte vergiften", heißt es in einem der Beiträge des Kulturbüros über das Magazin. Herausgegeben wird "Die Kehre" demnach vom Oikos-Verlag, der seinen Sitz in einem Haus in Dresden-Reick hat. Das Haus gehöre dem Zahnarzt und AfD-Politiker Hans-Joachim Klaudius. "Im gleichen Haus ist ebenfalls der Sitz des neu-rechten Kampagnen-Netzwerkes Ein Prozent."

Die Organisation Ein Prozent in Halle (Saale) wurde vergangene Woche vom Verfassungsschutz ebenso als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wie das sogenannte Institut für Staatspolitik (IfS) des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek in Schnellroda in Sachsen-Anhalt, der die Zeitschrift "Die Sezession" herausgibt. Beide Zeitschriften verbinde ein "aufgeblähtes junges Männernetzwerk, [...] in welchem die eine Hand die andere wäscht und die gleiche völkisch-nationalistische Ideologie in unterschiedlichen Formaten und Kanälen wiederaufbereitet wird," heißt es im Artikel des Kulturbüros.

Das Netzwerk wird darin deshalb als "Scheinriese" bezeichnet. Die Bedrohung sei, dass Menschen diese "Scheinriesen" für real hielten "und ihre Positionen und Ideologie verharmlosen".

Anastasia-Szene in Sachsen: "Demokratiefeindliche Fabelwelt"

In einem anderen Artikel des Kulturbüros wird die "Anastasia"-Szene in Sachsen beschrieben. Als Siedlerbewegung erfülle sie eine Scharnierfunktion zwischen Ökologie, Esoterik und Reichsbürger-Ideologie. Zwar gebe es in Sachsen noch keine "Anastasia"-Siedlung und noch keine feste Organisationsstruktur, sagte Mitautor Markus Kemper. Es gebe aber entsprechende Bestrebungen.

Die Bewegung basiert auf einer 1996 bis 2010 auf Russisch erschienenen Buchreihe von Wladimir Megre über die fiktive Figur "Anastasia", die in der Natur lebt und sich selbst versorgt. Die völkische Komponente biete Anknüpfungspunkte für Siedlerinnen und Siedler und entwerfe "demokratiefeindliche Fabelwesen", sagte Kemper.

Eine Aktion dazu sei das "Kulturgutwochenende" auf "Schloss Ober-Neundorf" 2018 in Görlitz gewesen. Dort habe zum Beispiel ein Vortrag im Programm über die russische Waldschule in Tekos gestanden, die in einem der "Anastasia"-Bände als Ideal dargestellt werde. Auf der Veranstaltung sei auf einem Büchertisch zudem Literatur aus rechtsextremen Verlagen angeboten worden. In den "Anastasia"-Büchern sind Kemper zufolge Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit zu finden.

Rechte kämpfen um Gunst von Landwirten 

Solvejg Höppner von der Mobilen Beratung des Kulturbüros wies darauf hin, dass die extreme Rechte verstärkt Bauernproteste instrumentalisiere. Ein konservatives Weltbild und Formeln wie "Naturschutz ist Heimatschutz" böten dafür gute Anknüpfungspunkte. So trete die rechte Kleinstpartei "Freie Sachsen" als "Kümmerer" für die Interessen von Landwirten auf, um antidemokratische Ziele zu verfolgen.

Der Zuspruch zur AfD unter Bäuerinnen und Bauern sei zudem sehr hoch. So hätten bei den letzten Landtagswahlen 34 Prozent der Landwirte AfD gewählt, gefolgt von der CDU mit 33 Prozent.

Rechte Strömungen in der Klima-Diskussion

Beschrieben werden in einem weiteren Beitrag von "Sachsen rechts unten" auch "Ökofaschismus" und "Anti-Ökologismus". Der "Ökofaschismus" zielt demnach auf eine Rückbesinnung auf eine vermeintlich "natürliche Ordnung" ab. Es ist nach den Worten von Fachreferent Michael Nattke eine "quasi grün gewaschene nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie".

Dem gegenüber stehe ein wissenschaftsfeindlicher "Anti-Ökologismus", der den Klimawandel leugne, Umweltschutzmaßnamen als Jobkiller diffamiere und Verschwörungsmythen schüre. Beiden Ansätzen gemeinsam sei das Ziel eines antidemokratischen Systemwechsels. Feindbilder seien das politische Establishment, die Medien und die Grünen-Partei.

Die Publikation ist in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen und der Berliner Amadeu-Antonio-Stiftung entstanden.

MDR (kbe)/epd/kna

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Radioreport | 03. Mai 2023 | 18:00 Uhr

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