Kriminalstatistik 2022 Mehr Straftaten in Sachsen, aber unter "Vor-Pandemie-Niveau"
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21. März 2023, 13:38 Uhr
Unter anderem Reise- und Ausgangsbeschränkungen hatten 2020 und 2021 für sinkende Fallzahlen in der Kriminalstatistik gesorgt. Anfang 2022 fielen zahlreiche Maßnahmen wieder weg, wodurch sich auch das Kriminalitätsgeschehen weitgehend "normalisierte". Dennoch hatte die Polizei im vergangenen Jahr weniger Straftaten erfasst als 2019, also dem Jahr vor der Corona-Pandemie.
- Die Gewaltkriminalität liegt wieder auf "Vor-Corona-Niveau", aber die Zahl der Wohnungseinbrüche hat sich seit 2016 mehr als halbiert.
- Die Straftaten gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte sind erneut gestiegen, es werden aber nicht nur Gewalttaten erfasst.
- Laut Statistik gibt es einen enormen Anstieg bei politisch motivierten Straftaten, die die Polizei keiner etablierten Kategorie zuordnen kann.
Für den sächsischen Innenminister Armin Schuster (CDU) war die Vorstellung einer polizeilichen Kriminalstatistik am Dienstag eine Premiere. Noch im Vorjahr hatte sein Amtsvorgänger Roland Wöller (CDU) die Zahlen für Sachsen präsentiert und dabei immer wieder die Corona-Pandemie als Hauptursache für gesunkene Fallzahlen benannt, statt diese als eigenen Erfolg zu verbuchen. Insofern wäre es unredlich, nun wieder steigende Fallzahlen der Polizei oder dem aktuell zuständigen Innenminister anzulasten: Überwiegend geht es wohl um "Normalisierungseffekte" nach dem Wegfall zahlreicher Beschränkungen.
Mehr Straftaten, vier von fünf Tatverdächtigen sind Deutsche
Die Zahl der erfassten Straftaten insgesamt ohne ausländerrechtliche Verstöße (unerlaubte Einreise und/oder Aufenthalt) ist 2022 um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Verglichen mit 2019 allerdings gab es einen Rückgang um 5,2 Prozent, was den langfristigen Trend rückläufiger Fallzahlen bestätigt. Von den 87.215 im vergangenen Jahr ermittelten Tatverdächtigen hatten 19.905 keine deutsche Staatsangehörigkeit, also 22,8 Prozent (Vorjahr: 21 Prozent).
Wer als nichtdeutscher Tatverdächtiger ermittelt wurde, muss aber keine Meldeadresse in Sachsen oder Deutschland haben. Auch Touristen, Pendler oder Durchreisende fallen in diese Kategorie. Daher vermeidet die Polizei auch bundesweit grundsätzlich Vergleiche des Anteils nichtdeutscher Tatverdächtiger mit dem Anteil von Ausländern, die hier gemeldet sind. Denn eine etwaige "Überproportionalität" ist statistisch nicht seriös darstellbar.
Gewalt wieder auf "Vor-Corona-Niveau", relativ wenige Wohnungseinbrüche
Zu den Straftaten, die auch das Sicherheitsgefühl jener beeinflussen, die nicht unmittelbar Opfer dieser Delikte wurden, gehören vor allem die Gewaltkriminalität und Wohnungseinbrüche. Zur Gewaltkriminalität gehören neben Tötungsdelikten beispielsweise Vergewaltigung, schwere und gefährliche Körperverletzungen sowie Raub. Diese Straftaten sind gegenüber 2021 um 13,5 Prozent gestiegen. Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl dieser Delikte allerdings nur leicht angestiegen (um 2,9 Prozent).
Die Zahl der Wohnungseinbruchdiebstähle ist gegenüber dem Vorjahr um 5,7 Prozent gestiegen, liegt aber 55,4 Prozent unter dem Zehn-Jahres-Hoch von 2016. Also weniger als die Hälfte.
Erneuter Anstieg bei Straftaten gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte
Die Silvesterkrawalle in Berlin hatten die Diskussion über Straftaten gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte erneut befeuert. Anders als viele andere Deliktarten waren diese in Sachsen schon während der Corona-Pandemie gestiegen, was aber wohl auch durch die erhöhte Kontrollintensität zu erklären ist, unter anderem bei nicht angemeldeten Versammlungen. Sperrt sich eine Person gegen eine Diensthandlung, ohne die Beamten körperlich zu attackieren, kann das als "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" angezeigt und erfasst werden.
In der am Dienstag vorgestellten Polizeilichen Kriminalstatistik zählen diese Widerstandsdelikte nicht als Gewalttaten. Anders bei entsprechenden Sonderauswertungen (beispielsweise der Silvesternacht in Berlin) und der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität: Dort gelten auch diese Delikte als "Gewalttaten" gegen Polizeibeamte.
Politisch motivierte Kriminalität: für die Polizei kaum noch zuzuordnen
Straftaten, bei denen die Polizei zu Beginn der Ermittlungen von einer politischen Motivation ausgeht, sind im vergangenen Jahr deutlich um 31,9 Prozent auf 6.327 Fälle gestiegen (2021: 4.796). Dieser Anstieg entfällt nahezu vollständig auf Delikte, die von der Polizei zwar als politisch motiviert erfasst, aber keiner Kategorie zugeordnet werden. Sie sind also beispielsweise nicht rechts- oder linksmotiviert.
Etwa drei Viertel (74,4 Prozent) dieser "nicht zuzuordnenden" Fälle standen demnach im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Als Beispiel werden Anschläge gegen Impfzentren, vor allem aber Verstöße gegen das Versammlungsgesetz genannt. Für den extremistischen Teil solcher Delikte hatte der Verfassungsschutz den Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingeführt. In der polizeilichen Statistik zur politisch motivierten Kriminalität aber gibt es diese Kategorie noch nicht.
Was verstehen man unter "ausländischer Ideologie"?
Die "ausländische Ideologie" ist eine Kategorie im Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK). Laut Bundeskriminalamt werden ihr Straftaten zugerechnet, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine aus dem Ausland stammende Ideologie entscheidend für die Tatbegehung war. Wichtig dabei ist: Es geht ausdrücklich nicht um religiöse Einflüsse. Kriminalität mit ausländischer Ideologie sind den Angaben zufolge darauf gerichtet, Verhältnisse und Entwicklungen im In- und Ausland zu beeinflussen.
Auch wenn aus dem Ausland heraus Verhältnisse und Entwicklungen in Deutschland beeinflusst werden sollen, zählen diese Fälle zur politisch motivierten Kriminalität ausländischer Ideologie. Dabei ist egal, welche Staatsangehörigkeit der Täter oder die Täterin hat.
Straftaten der Hasskriminalität sind deutlich gestiegen
Innerhalb der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität werden auch Straftaten mit rassistischem oder antisemitischen Hintergrund erfasst, Angriffe auf Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung gehören ebenfalls dazu. Die Zahl solcher Delikte, bei denen die Polizei derartige Motive vermutet oder erkannt und festgehalten hat, sind 2022 in Sachsen um 29,7 Prozent auf 861 Fälle gestiegen.
MDR (ali)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. März 2023 | 19:00 Uhr
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