Bildung in Sachsen GEW-Chefin Uschi Kruse: "Jede zweite Schule in Sachsen geschlossen"

15. Juni 2023, 05:00 Uhr

Uschi Kruse gilt als das Urgestein der Gewerkschaftsarbeit für Bildung in Sachsen. Schulschließungen konnte sie dennoch nicht aufhalten. Als die Lehrerin für Deutsch und Geschichte begann, gab es in Sachsen 2.500 öffentliche Schulen - jetzt haben sind es nur noch etwa die Hälfte. Nun geht eine Ära zu Ende. Nach mehr als 30 Jahren verlässt die GEW-Vorsitzende auf dem Gewerkschaftstag in Leipzig die Bühne. Seit der Wende hatte sie sich in der GEW engagiert, zehn Jahre lang als Vorsitzende.

Wenn Uschi Kruse durch Sachsen fährt und die Ortsschilder rechts und links der Straßen sieht, denkt sie nicht an schöne Ausflugsziele, die sich vielleicht dahinter verbergen. Kruse denkt an Schulen, die in den Orten geschlossen wurden. "Als ich begonnen habe, Gewerkschaftsarbeit zu machen, hatten wir in Sachsen 2.500 öffentliche Schulen. Jetzt haben wir 1.387. Also fast jede zweite Schule ist in Sachsen geschlossen worden", erklärt Kruse.

Als ich begonnen habe, Gewerkschaftsarbeit zu machen, hatten wir in Sachsen 2.500 öffentliche Schulen. Jetzt haben wir 1.387. Also fast jede zweite Schule ist in Sachsen geschlossen worden.

Uschi Kruse Vorsitzende GEW

1990 GEW-Kreisverband Freiberg gegründet

Kruse hat diesen Prozess als Gewerkschafterin begleitet. Mit der Wende hatte Uschi Kruse angefangen, sich zu engagieren. Ausgehend von der Mitarbeit in einer Bürgerbewegung hat die Lehrerin im Frühsommer 1990 den GEW-Kreisverband in Freiberg mitgegründet, wurde hier Kreisvorsitzende. "Ich frage mich heute, woher ich überhaupt gewusst habe, wie so etwas geht? Man konnte ja nicht googeln, wie Gewerkschaftsarbeit funktioniert. Es gab nicht einmal ein Fax, über das Formulare verschickt werden konnten."

Wanrstreiks in Belrin
Wie bekommen Lehrerinnen und Lehrer endlich wieder mehr Wertschätzung? Wie gelingt Migration und Inklusion in der Schule? Wie können die Leseschwächen aufgeholt werden und was tun gegen Lehrermangel? Die Herausforderungen in der Bildung sind heute riesig. Bildrechte: imago images / snapshot

Jahrzehntelanger Personalabbau

Mehr als 20 Jahre lang hat Kruse als Gewerkschafterin versucht, den Personalabbau so sozial verträglich wie möglich zu gestalten. Harte Zeiten waren das, erinnert sich Uschi Kruse. Aber immerhin sei es gelungen, Lehrer und Lehrerinnen besser über die Wende zu retten als in vielen anderen Bereich. Nichtsdestotrotz seien damals Wunden geschlagen worden, die heute noch spürbar seien: "Bis 2010 sind Stellen abgebaut worden, sind Kollegen und Kolleginnen gezwungenermaßen in Teilzeit gewesen. Heute wundern wir uns, dass diese Generation, die damals gezwungen worden ist, jetzt sagt, dass sie kurz vor der Rente in Teilzeit bleiben will."

Bis 2010 sind Stellen abgebaut worden, sind Kollegen und Kolleginnen gezwungenermaßen in Teilzeit gewesen. Heute wundern wir uns, dass diese Generation, die damals gezwungen worden ist, jetzt sagt, dass sie kurz vor der Rente in Teilzeit bleiben will.

Heute ist Lehrermangel das große Thema

Denn mittlerweile sind die Herausforderungen im Bildungssystem ganz andere. Jetzt ist der Lehrermangel das große Thema. Das Kultusministerium prüft deshalb unter anderem, Lehrern Teilzeit nur noch in Ausnahmefällen zu genehmigen. Kruse weiß, dass sie ihrer Nachfolge an der GEW-Spitze ein gut gefülltes Hausaufgabenheft übergeben wird. Aber so sei das eben, einen Staffelstab übergebe man immer im Laufen und nicht im Stehen, zuckt die energiegeladene Kruse die Schultern.

Wir wollten zur Wende anders Schule machen, besser, gerechter. Aber wir hatten immer damit zu tun, dass wir entweder zu viel Lehrer hatten oder jetzt eben zu wenig Lehrer. Deshalb haben wir viel zu wenig darüber geredet, was Kindern und Jugendlichen zu Gute kommt.

Uschi Kruse Gewerkschafterin und Lehrerin

Allerdings bedauert sie, dass wieder Personalfragen im Bildungsbereich die Diskussion bestimmen. "Wir wollten zur Wende anders Schule machen, besser, gerechter. Aber wir hatten immer damit zu tun, dass wir entweder zu viele Lehrer hatten oder jetzt eben zu wenige Lehrer. Deshalb haben wir viel zu wenig darüber geredet, was Kindern und Jugendlichen zu Gute kommt."

Wegbegleiter von Uschi Kruse würden der Bildungs-Gewerkschafterin das allerdings nicht ins Zeugnis schreiben. Kultusminister Christian Piwarz beispielsweise sagt, dass Uschi Kruse jemand sei, der mit Herzblut für Bildung und ein gutes Bildungssystem in Sachsen gestritten habe: "Deswegen wird es ein Verlust sein, wenn Uschi Kruse nicht mehr GEW-Vorsitzende ist", erklärt Christian Piwarz, Kultusminister Sachsen (CDU).

Kultusminister Christian Piwarz
Kultusminister Christian Piwarz: "Es wird ein Verlust sein." Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

  • Die GEW hat in Sachsen derzeit rund 14.000 Mitglieder.
  • Ab Donnerstag findet in Leipzig der GEW-Gewerkschaftstag statt, zu dem rund 200 Delegierte erwartet werden.
  • Am Freitag soll der oder die neue Vorsitzende der GEW in Sachsen gewählt werden. Einziger Kandidat ist bislang Burkhard Naumann, der seit 2018 Referent für Tarif- und Beamtenpolitik bei der GEW in Sachsen ist.

Burkgard Naumann soll Nachfolger werden Kandidat für den neuen Vorsitz der GEW ist Burkhard Naumann. Naumann ist Referent für Tarif- und Beamtenpolitik bei der GEW Sachsen, seit 2010 arbeitet er ehrenamtlich für die Gewerkschaft. Beim Volksantrag zur Einführung der Gemeinschaftsschule in Sachsen fungierte er als Bündnissprecher. Die neue Spitze wird beim Gewerkschaftstag des Landesverbands am 16. Juni gewählt.

MDR (tomi)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 15. Juni 2023 | 10:00 Uhr

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