Lausitz Forscher sehen Gallium-Schatz in Giftschlamm
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08. Februar 2024, 18:19 Uhr
Forscher der Bergakademie Freiberg sehen im ostsächsischen Lauta die Chance, in großem Stil das Metall Gallium zu gewinnen. Wie Projekt-Initiator Martin Bertau MDR AKTUELL sagte, ist der wertvolle Rohstoff für die Chip-Produktion in giftigen Rückständen aus der jahrzehntelangen Aluminium-Produktion in der Lausitzer Gemeinde enthalten. Mit dem Gallium aus der Schlammhalde ließe sich die sächsische Hightech-Industrie auf Jahre hinaus versorgen.
- Bei Lauta gibt es jede Menge Rotschlamm, ein giftiges Abfallprodukt der dortigen Aluminiumherstellung – doch aus Rotschlamm lassen sich Stoffe wie Gallium gewinnen.
- Schätzungen zufolge enthält die Halde das Fünffache der weltweiten Gallium-Produktion, doch zunächst braucht es ein Pilotprojekt.
- Rotschlamm als Ganzes lässt sich sogar als haltbarer Baustoff verwenden.
Sylvio Piatke ist in die Natur gefahren. Der Mitarbeiter der Stadt Lauta stapft durch ein Wäldchen. Hinter Kiefern und Birken versteckt liegt ein See. Doch die Idylle trügt: "Hier wurden zwei Millionen Kubikmeter Rotschlamm eingespült."
Das Wasser im See sei so hautverträglich wie Seifenlauge. Es enthalte Reste der ehemaligen Aluminiumproduktion. Das Areal ist eingezäunt. Schilder mahnen: Lebensgefahr! Doch die Gemeinde hofft, dass der giftige See zur Rohstoffquelle werden kann. "Wir sind ein rohstoffarmes Land und Rotschlamm in seiner Urform ist eigentlich ein Rohstoff, der weiter zu verarbeiten geht. In diesem Rotschlamm sind Stoffe enthalten wie Gallium, was sehr wichtig ist für die Chipproduktion. Aber Rotschlamm selber lässt sich auch als Feststoff sehr gut verarbeiten. Und als Baustoff."
Die Galliumgewinnung hat viele Vorteile für den Standort Sachsen
Lauta hat viel von diesem Rotschlamm. Das Aluminiumwerk in der Stadt produzierte mehr als 70 Jahre. Zur Wiedervereinigung machte es dicht, doch der Abfall der Produktion blieb. Nicht nur im See liegt Rotschlamm. An die Stadt grenzen Halden an, unter denen die Altlast schlummert.
Auf die Idee, sie nutzbar zu machen und daraus vor allem Gallium zu gewinnen, kam Martin Bertau. Er ist Professor an der Bergakademie Freiberg. "Also allein für Sachsen kann man sagen, wenn man sich dort die Rotschlammhalde in Lauta anguckt, dann sind das ungefähr 2.500 Tonnen Gallium, was da verbuddelt und verborgen liegt. Das entspricht ungefähr dem Fünffachen der Weltjahresproduktion. Das heißt, wir können die sächsische Hightech-Industrie damit auf Jahre mit eigenen Rohstoffen versorgen, sind nicht mehr abhängig vom Weltmarkt."
Derzeit ist China nahezu der einzige Gallium-Lieferant weltweit. Einer der größten Gallium-Käufer weltweit sitzt in Sachsen. Die Freiberger Compound Materials macht aus dem Metall Wafer für die Chipindustrie. Insofern würde die Gewinnung des Rohstoffs gut nach Lauta passen.
Trotzdem ist Bürgermeister Frank Lehmann vorsichtig. Für das Projekt sei ein langer Atem nötig. "Die erste wesentliche Stellschraube ist die, erstmal eine funktionsfähige Pilotanlage hingesetzt zu bekommen und dann ordentlich dort die Erkenntnisse zu gewinnen: Jawohl, man könnte es auch höher skalieren, also in einem größeren Maßstab aufzuziehen. Und dann kann man nur hoffen, dass sich entsprechende Partner aus der Wirtschaft finden, die dann zusammen mit der Wissenschaft das Ganze ein Stück größer angehen können."
Der Bürgermeister hofft, gleich zwei Probleme zu lösen: Eine Gallium-Produktion würde Jobs in die Lausitz bringen. Und man könnte die Altlasten loswerden.
Rotschlamm kann sogar als Baustoff verwendet werden
Sylvio Piatke schlendert über eine Halde am Stadtrand. Der Hügel besteht aus rotbraunem getrockneten Schlamm – der auch noch anderweitig genutzt werden könnte. "Der ist jetzt leicht bröselig. Wenn ich den jetzt zusammenpresse, hat er eine hohe Dichte. Und im speziellen thermischen Verfahren kann ich daraus unter hohen Druck ein Geo-Polymer erzeugen. Das heißt, das ist ein für über 100 Jahre vorgesehener Baustoff."
Bauen mit Altlasten klingt nicht überzeugend. Doch Martin Bertau von der Bergakademie Freiberg bestätigt, dass der Rotschlamm auch als Baustoff eingesetzt werden könnte, wenn das Gallium extrahiert wurde. Nach Behandlung sei das Material unbedenklich. Es brauche nur jemanden, der das kühne Rohstoffprojekt angeht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 08. Februar 2024 | 06:16 Uhr