Wohnungswirtschaft Baustopp bei Vonovia führt erst 2024 zu Verknappung an Wohnraum

20. Februar 2023, 05:01 Uhr

Der Haus- und Wohnungsbau hat sich im Jahr 2022 stark verteuert. In der Folge haben große und kleine Bauträger ihre Neubauprojekte zurückgefahren oder ganz aufgegeben. Zuletzt kündigte der Wohnungsriese Vonovia an, 2023 keine Neubauprojekte zu starten. Vor allem in Berlin und Dresden. In der Elbmetropole legte auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft WiD Bauprojekte auf Eis. Betroffen sind aktuell hunderte Neubauwohnungen. Droht Dresden ein Wohnungsmangel? Ein Lagebild.

Geht man in Dresden durch die Stadt, merkt man nichts von einem Baustopp. Bauruinen sieht man keine und über fehlende Beschäftigung müssen sich aktuell auch die Handwerker nicht beklagen. Doch Dresdens Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Die Linke) ordnet das Bild der vielen Baustellen und der sich drehenden Kräne realistisch ein. Wie die Kommunalpolitikerin MDR Aktuell sagte, werde ein Großteil der Baumaßnahmen "möglichwerweise zeitlich verzögert abgeschlossen werden".

Bürgermeisterin sieht nur kurzfristig keinen Wohnungsmangel

Denn was sich bereits im Bau befindet, ist in der Regel wenig vom Anstieg der Materialkosten oder dem Anstieg der Kreditzinsen betroffen. Hier wurden Verträge langfristig abgeschlossen. Der Baustopp betrifft noch nicht gestartete Projekte. Laut Kaufmann, die auch Aufsichtsratsvorsitzende der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WiD ist, sei "eine kurzfristige Verknappung von Wohnraum aufgrund der aktuellen Situation nicht gegeben. Zumindest nicht im Jahr 2023". Demzufolge werde man aber "sehr wohl ab dem Jahr 2024 oder 2025" sehen, dass es "weniger Neubauten auf dem Markt gibt, weil diese Baumaßnahmen schlichtweg nicht gestartet wurden".

Eine kurzfristige Verknappung von Wohnraum ist aufgrund der aktuellen Situation nicht gegeben. Zumindest nicht im Jahr 2023. Wir werden aber ab dem Jahr 2024 oder 2025 sehen, dass es weniger Neubauten auf dem Markt gibt.

Dr. Kristin Kaufmann (Die Linke) Dresdner Bürgermeisterin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen

Vonovia kann neue Sozialwohnungen nicht mehr kostendeckend finanzieren

Vor allem Wohnungen mit niedriger Miete können aktuell nicht nachhaltig finanziert werden, rechnet Vonovia-Sprecher Matthias Wulff vor. Würden die Wohnungen zu den aktuellen Kosten gebaut werden, müsste demnach die Vonovia 20 Euro pro Quadratmeter Miete verlangen. Wann sich der Markt wieder beruhigt, kann Wulff nicht prognostizieren. Er beschreibt im Gespräch mit dem MDR die aktuelle Situation als "eine vielfältige Krise" mit einem "vielfältigen Gerüst von Gründen". Das mache die aktuelle Situation so schwierig.

Laut dem Vonovia-Sprecher lasse sich diese Krise "leider nicht mit einer Maßnahme" klären und auch nicht mit einem einzelnen Akteur wie der Vonovia oder der Wohnungswirtschaft insgesamt oder einer Stadt, dem Staat oder dem Bund, sagte Wulff. "Es müssen sich alle bewegen, es müssen sich alle zusammenfinden und sehen, was wir konkret machen können", so Wulff.

Dresdner Kommunalpolitiker fordert Abbau teurer Bürokratie für Bauwirtschaft

Die FDP-Fraktion im Dresdner Stadtrat setzt zur Lösung der Krise auf den freien Markt. Dieser habe in den letzten Jahren gute Lösungen gefunden, sagte Fraktionsmitglied Christoph Blödner, der im Ausschuss für Soziales und Wohnen sitzt. Blödner fordert, die Stadt müsse der Bauwirtschaft entgegenkommen. "Die Stadt sollte Verordnungen, die Kosten verursachen, streichen, zum Beispiel bei der Begrünung." Und sie müsse dort die Kosten zurückdrehen, wo sie es als Stadt beeinflussen könne.

So will nach einem Bericht der "Sächsischen Zeitung" die Stadt Dresden Bauherren unter Androhung von Strafgeldern von bis zu 100.000 Euro zur Dach- und Fassadenbegrünung verpflichten und legte dazu im Jahr 2022 eine Begrünungssatzung vor, über die der Stadtrat noch abstimmen muss. Wie die Zeitung weiter berichtete, haben Wohnungsbauunternehmen gegen diese Pläne protestiert.

Die Stadt sollte Verordnungen, die der Bauwirtschaft Kosten verursachen, streichen. Zum Beispiel bei der Begrünung.

Christoph Blödner (FDP) Stadtrat in Dresden und Mitglied im Ausschuss für Soziales und Wohnen

Wie der FDP-Stadtrat weiter fordert, müsse "so viel wie möglich gebaut werden". Auch wenn dies Leerstand bedeutet. "Je höher der Leerstand ist, desto mehr Wettbewerb gibt es und desto weniger steigen die Mietpreise", sagte Blödner. Die Stadt müsse bei den Kosten dort immer ein bisschen zurückdrehen muss, "damit mehr Investoren bauen wollen", so der Freidemokrat im Dresdner Stadtparlament.

Dem widerspricht die Dresdner Sozialbürgermeisterin. Bauen um jeden Preis löse nicht das Problem, sagte Kaufmann dem MDR. Neubauwohnungen aus den vergangenen drei Jahren stünden zu zwölf Prozent leer. Das sei viel, sagte Kaufmann. "Weil sich die Dresdnerinnen und Dresdner die dort geforderten Mieten nicht leisten können."

Wegen hoher Mieten für Neuverträge scheuen mehr Menschen einen Umzug

Zudem sank die innerstädtische Umzugsqoute, weil die Bestandsmieten niedriger seien als die Mieten bei neuen Verträgen. Laut Kaufmann ergeben sich daraus gravierende Konsequenzen für die Lebensqualität der Menschen. "Da man in der alten Wohnung verharrt, sich nicht verkleinert oder vergrößert, sondern einfach dort verweilt. Auch wenn es gegebenenfalls nicht bedarfsgerecht ist". Wie Kaufmann weiter sagt, brauche es Wohnungen, "die sich Azubis oder Studierende leisten" könnten. Vor allem, wenn Dresden Fachkräfte anziehen wolle. Und das sei eben nicht teurer Wohnraum, so Kaufmann.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 20. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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