Stichwort Schulgeld Kleine Klassen, Ganztagsschule, Wartelisten: Zwei Dresdner Privatschulen im Porträt
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15. Januar 2023, 21:30 Uhr
Rund 85 Prozent der schulpflichtigen Kinder in Sachsen besuchen eine staatliche und damit kostenlose Schule. Die anderen lernen an Schulen in freier Trägerschaft, für die meist ein Schulgeld bezahlt werden muss. Vielen Eltern ist es das offenbar wert. MDR SACHSEN hat zwei Schulen in Dresden besucht und wollte wissen: Was kostet es? Und was bekommt man dafür?
Private Schulen in Sachsen verzeichnen seit Beginn der 1990er- Jahre steigende Anmeldezahlen. Lernten 1992/1993 etwas mehr als 4.000 Kinder an einer Schule in freier Trägerschaft, so waren es laut Statistischem Landesamt 2021/2022 schon knapp 78.000 Jungen und Mädchen. Um diesen offensichtlich vorhandenen Bedarf zu decken, wurden in den vergangenen 30 Jahren zahlreiche privat geführte Schulen eröffnet: 1992 bei 43 gestartet, sind es inzwischen mehr als 400.
IBB: Die Ranzen bleiben in der Schule
Zu diesen privaten Schulen gehört auch die IBB gGmbH Dresden, ein nach eigenen Angaben als Familienunternehmen geführter Verband aus Grundschule, Gymnasium und Oberschule, Berufsschule und Weiterbildungsschule.
Wenn man die Grundschule der IBB betritt, fällt der Blick zunächst auf viele bunte Ranzen, die geordnet in Regalen stecken. Ein IBB-Sprecher erklärt MDR SACHSEN: "Die Schulsachen bleiben in der Woche hier. Hausaufgaben werden am Nachmittag in der Schule erledigt." Der Abend gehöre damit den Familien.
Grundschulleiterin Lisanne Appel erläutert das dahinter stehende Konzept: "Die drei IBB-Schulen sind gebundene Ganztagsschulen. Die Kinder verlassen die Schule in der Regel gegen 16 Uhr und können Ganztagsangebote wie Sport, kreatives Arbeiten oder Musik wahrnehmen."
Wartelisten für die Grundschule
Für dieses Konzept mit Unterricht und Ganztagsbetreuung legen Eltern einen mittleren dreistelligen Betrag im Monat auf den Tisch. Mehr will die Schulleitung nicht öffentlich kommunizieren. Vielen Familien ist es das aber offensichtlich wert. Die Zahl der Bewerber sei steigend, heißt es von der IBB. Aktuell lernten auf dem Campus mit Grund-, Oberschule und Gymnasium rund 700 Schüler. Vor allem für die IBB-Grundschule gäbe es mittlerweile Wartelisten, sagt der Sprecher.
"Wir haben hier Eltern, denen die Bildung ihrer Kinder ganz besonders wichtig ist", berichtet die Leiterin der Ober- und Gymnasialstufe, Konstanze Maiwald, MDR SACHSEN. Manche würden für das Schulgeld sparen und sogar auf Urlaube verzichten. Laut Maiwald könne bei finanziellen Problemen der Eltern das Schulgeld auch erlassen oder reduziert werden.
Wir haben hier Eltern, denen die Bildung ihrer Kinder ganz besonders wichtig ist. Manche sparen für das Schulgeld ihren Urlaub ein.
Nicht allein das Geld entscheidet, auch Teamgeist gefragt
Was sie für ihr Geld bekommen, zeigt sich in der "Koala"-Klasse. Wie in allen Klassen der zweizügig geführten IBB, lernen auch bei den "Koalas" maximal 20 Kinder. Sie werden dabei von zwei Lehrerinnen unterrichtet. Während eine Lehrerin den Stoff an der Tafel erklärt, hat die zweite im Blick, ob alle mitkommen.
Im Gespräch mit MDR SACHSEN weisen Eltern von Grundschülern auf einen weiteren für sie wichtigen Punkt hin. Es gebe so gut wie keinen Unterrichtsausfall. "Es gab immer eine Vertretung, wenn mal ein Lehrer krank geworden ist."
Um sein Kind an der IBB unterzubringen, reicht es aber nicht, das Schulgeld zu finanzieren. Der Schule ist nach Aussage von Oberstufen-Leiterin Konstanze Maiwald ein "gutes Miteinander in der Klasse" extrem wichtig. Deshalb müssten alle Kinder ein mehrtägiges Kennenlernverfahren durchlaufen, bevor über ihre Aufnahme entschieden wird. "Für uns sind vor allem die Selbstständigkeit und sozialen Fähigkeiten der Kinder wichtig", sagt Maiwald. Die Lehrerschaft und auch Schüler hätten häufig einen internationalen Hintergrund, beispielsweise von Eltern, die in der nahen Uniklinik oder in der Forschung arbeiten.
Mit dem Wechsel in die fünfte Klasse erwerben die Eltern per Mietkauf ein Tablet für den Unterricht und die Hausaufgaben. "Wir haben den Digitalpakt der Bundesregierung bereits umgesetzt", so der Sprecher und verweist auf das vorhandene Schul-WLAN und digitale Tafeln in allen Klassenzimmern sowie auf "mehrere festangestellte IT-Administratoren".
Fragt man die Kinder und Jugendlichen, wie es ihnen an der IBB gefällt, so loben sie in erster Linie die kleinen Klassen. Die Lehrer könnten besser auf die Schüler eingehen, lobt die Zehntklässlerin Viktoria, die auch im Schülerrat mitarbeitet. Sie könne sich auch besser konzentrieren. Die gleichaltrige Mia, die von der Sportschule auf die IBB wechselte, schätzt zudem das Ganztagsangebot. "Ich bin bis 16 Uhr in der Schule und kann nachmittags zwischen mehreren Ganztagsangeboten wählen", freut sie sich.
Gesetz verbietet die Benachteiligung ärmerer Schulkinder
Doch können auch Kinder von Eltern, die jeden Euro zwei Mal umdrehen müssen, auf eine Privatschule wie der IBB gehen? Theoretisch ja. Laut sächsischem Kultusministerium erhalten freie Schulträger ausreichend staatliche Zuschüsse, so dass sie bei ähnlichen Konzepten wie an staatlichen Schulen eigentlich kein Schulgeld verlangen müssten.
Dennoch räume ihnen die Verfassung das Recht ein, Schulgeld zu erheben, so das Ministerium. Die Höhe des Schulgeldes dürfe nicht gegen das im Grundgesetz verankerte sogenannte "Sonderungsverbot" verstoßen. Manche Schulen wählten ein geringes Schulgeld, das für alle Eltern gleich hoch ist. Oft würden auch Geschwisterrabatte gewährt.
Was ist ein Sonderungsverbot für freie und private Schulen? Damit verbietet das sächsische Schulgesetz Ersatzschulen die Auswahl der Schülerin oder des Schülers nach den Besitzverhältnissen der Eltern. Das heißt, jedermann muss die Möglichkeit haben, die Schule in freier Trägerschaft zu besuchen. Das erhobene Schulgeld darf in seiner Höhe nicht dagegen verstoßen. www.schule.sachsen.de
Achten sollten Eltern darauf, ob die Schule in freier Trägerschaft staatlich genehmigt oder anerkannt ist. Denn das spielt bei den Abschlussprüfungen eine entscheidende Rolle.
Losverfahren an der Melli-Beese-Schule Dresden
Auch die Melli-Beese-Grund- und Oberschule Dresden ist eine staatlich anerkannte Schule. Sie gehört zur gemeinnützigen Gesellschaft Semper Bildungswerk mbH. Der Klassenteiler liegt hier bei 22 Kindern.
Laut Schulleiterin Silke Nebe lernen an der Grundschule aktuell 130 Kinder, an der Oberschule sind es 200 Schüler und Schülerinnen. Bewerbungen habe sie drei bis vier Mal so viele, so Silke Nebe. Wer aufgenommen wird, darüber entscheide nicht der Geldbeutel der Eltern, sondern ein Losverfahren. "Ich suche mir doch keine Kinder aus", betont Nebe. Sie sagt, die naturwissenschaftliche geprägte Schule, die ihren Namen übrigens der sächsischen Flugpionierin Melli Beese zu verdanken hat, bilde "den ganzen Querschnitt der Stadt Dresden ab".
200 Euro beträgt das Schulgeld pro Monat an der Grundschule, an der Oberschule sind es 210 Euro. Dazu komme an der Grundschule die städtische Hortgebühr. Laut der Stadt Dresden lagen die Elternbeiträge zuletzt je nach Dauer der Betreuung bei rund 79 Euro (fünf Stunden) bis 174 Euro im Monat (elf Stunden). Bedürftige Eltern könnten nach einem Gespräch statt Schulgeld auch Eigenleistungen erbringen, etwa als Ausflugsbegleiter, erklärte Nebe.
Eine Lehrkraft, die sich bewusst entscheidet, an einer freien Schule zu arbeiten, will nicht Beamter sein.
Und wie sieht es hier mit Lehrermangel und Ausfallstunden aus? Schulleiterin Nebe sagte, es gebe nur wenige Ausfallstunden und diese würden "fachgerecht vertreten". Die staatliche Lehrerverbeamtung habe ihrer Schule keine Nachteile gebracht. "Lehrer, die sich bewusst für ein freies Konzept entscheiden, wollen keine Beamten sein", ist Nebe überzeugt. Beamte könnten sich die Schulen nicht aussuchen und müssten dort einspringen, wo gerade Lehrer fehlen. Semper-Lehrkräfte erhielten dagegen Freistunden für Verwaltungsaufgaben und könnten spontan Klassenausflüge und Projekte planen. "Für diese flexible, familiäre Struktur zahlen die Eltern gern", ist die Schulleiterin überzeugt.
Schulkleidung, Wappen, Internat: Fünfstelliges Schulgeld für Klosterschule
Ein Blick über die sächsische Landesgrenze hinaus erinnert dann doch noch an englische Film-Internate. Im thüringischen Roßleben lernen 400 Jungen und Mädchen an der freien Klosterschule - einem ehrfürchtigen Gebäudekomplex, der seit dem 16. Jahrhundert als Internatsgymnasium dient. Die Schulkleidung ist mit Wappen verziert, es gibt eine Musikakademie und Gilden in den Bereichen Sport, Soziales, Umweltschutz und Kreativität.
Unter den Gymnasiasten sind auch elf Jungen und Mädchen aus Sachsen, wie die Schulleitung MDR SACHSEN mitteilt. Die Kosten für den Besuch der Klosterschule staffeln sich nach gewünschter Leistung - ob mit oder ohne Internatsbesuch. Das geht bei monatlich 200 Euro für die sogenannten Halbtagsschüler los und endet bei den voll versorgten Internatsschülern der Klassen 11 und 12, für die 2.350 Euro pro Monat fällig werden.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 10. Januar 2023 | 20:00 Uhr