Eine Frau sitzt auf einem Sofa und lächelt.
Gebrüll, Drohungen, Sticheleien - als Umgangsbegleiterin steht man mit einem Bein mitten im Familienkonflikt und soll die Wogen glätten. Marie-Luise Heidrich arbeitet beim Kinderschutzbund Nossen und übernimmt dort auch diese Aufgabe. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Streit ums Kind Umgangsbegleiterin: "Am häufigsten redet ein Elternteil schlecht über den Ex-Partner"

19. August 2023, 10:00 Uhr

Marie-Luise Heidrich hat Psychologie und Rechtspsychologie studiert und arbeitet beim Kinderschutzbund Nossen. Sie übernimmt auch im Landkreis Meißen die Aufgabe der Umgangsbegleitung. Wenn es getrennte Eltern nicht schaffen, sich über Kontakte zu ihren leiblichen Kindern zu einigen, kommt sie ins Spiel. MDR SACHSEN hat mit der 34-Jährigen über ihre Arbeit gesprochen.

Frau Heidrich, Sie sind Umgangsbegleiterin. Was heißt das genau?

Marie-Luise Heidrich: Ich komme ins Spiel, wenn es zwischen den getrennten Elternteilen Probleme gibt, wenn irgendetwas auffällig ist. Die Bandbreite ist riesengroß und von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Mein Auftrag ist, das Kind zu schützen.

Ich bin auch bei Situationen dabei, in denen Kinder den leiblichen Elternteil kennenlernen oder neu kennenlernen, weil lange kein Kontakt bestand. Umgangsbegleitung ist hier ein Angebot. Die Eltern können das auch ablehnen.

Begleiteter Umgang wird von Familiengerichten bei bestimmten Streitfällen vorgeschlagen. Wann zum Beispiel?

Wenn es zum Beispiel bei einem Elternteil Drogenproblematiken gibt oder Alkoholkonsum. Oder bei sehr jungen Eltern, wenn es vom Ex-Partner heißt: 'Ich traue ihm oder ihr nicht zu, adäquat mit dem Kind umzugehen.' Aber auch Streit zwischen Eltern, die ihren Konflikt auf die Kinder projizieren. Alles, wo es schwierig ist, dass die elterlichen Parteien von allein miteinander in Kontakt kommen.

Wie viele Fälle haben Sie pro Jahr?

Etwa zehn bis 30 Fälle.

Und wie alt sind die Kinder, um die es dabei geht?

Von Neugeborenen bis 16 Jahre alten Kindern. Zunehmend sind es tatsächlich junge Kinder und Babys, wo sich die Eltern gerade erst getrennt haben. Das ist ein in den letzten Jahren zunehmender Trend.

Wie läuft so ein begleiteter Umgang ab?

Auch das ist sehr unterschiedlich. Zuerst rufe ich die Eltern an und mache einen Termin aus, zum Beispiel bei uns im Haus. Ich sitze bei einem Treffen zwischen Elternteil und Kind dann mit im Raum, bin also explizit anwesend.

Bei anderen Umgängen gehe ich auch mal halb vor die Tür, so dass ich aber noch alles hören und sehen kann. Ich begleite auch Kinder zu Eltern, die im Gefängnis sitzen. In Haft ist dann zusätzlich noch die Sozialarbeiterin mit dabei.

Wie reagieren die Kinder auf Ihre Anwesenheit?

Die Kinder haben damit weniger ein Problem. Manchmal erkläre ich ihnen: 'Wenn irgendwas ist, kannst du zu mir kommen. Wenn du nicht weiterweißt, wie du Mama oder Papa was erzählen sollst.'

Gibt es Zwischenfälle - wo Sie eingreifen müssen?

Ja. Meistens geht es dabei tatsächlich um die Beeinflussung der Kinder. Das Allerhäufigste ist, dass das andere Elternteil schlecht geredet wird. Da greife ich dann ein, begrenze das Verhalten und versuche, es in andere Bahnen zu lenken. Wenn so etwas mehrfach vorkommt, wird es im Nachgang noch einmal besprochen. Im schlimmsten Fall wird der Umgang mit dem Elternteil beendet, weil es nicht tragbar ist.

Die positiven Fälle bekomme ich meistens nicht mit, weil ich vom Gericht keine Rückmeldung bekomme, wie das Ganze weitergegangen ist.

Was ist das Ziel der begleiteten Treffen?

Sinn und Zweck ist immer, den Kontakt zum Kind zu verselbstständigen, zum Beispiel als reguläre Wochenendumgänge. Meistens wird es nie wieder ein Wechselmodell, falls es das einmal gegeben hat. Es geht um Tagesumgänge.

Sind die begleiteten Umgänge auf einen Zeitraum begrenzt?

Ja. Die längsten Fälle für eine Umgangsbegleitung haben ein Jahr gedauert. Das ist ziemlich lang und meistens gibt es dann keine Veränderung mehr. So in einem viertel bis zum halben Jahr sollte sich schon etwas tun. Eine längere Begleitung ist dann nicht mehr gewinnbringend.

Wenn beide Eltern gewillt sind, den Umgang zu verselbstständigen, kriegt man das auch relativ zeitnah hin. Wenn Gründe gefunden werden, warum das schwierig ist, dann kommt es meistens wieder zu einer Gerichtsverhandlung.

Das heißt, Ihnen begegnen Kinder im Laufe der Zeit mehrmals?

Ja, das habe ich schon gehabt. Es ist aber eher selten.

Was brauchen Kinder in solch schwierigen Patchworkkonstellationen?

Ich finde, ein Kind braucht beide Elternteile. Weil es immer Verhaltensweisen von Vater und Mutter zeigt und gewisse Dinge gar nicht einordnen kann, wenn es sie nicht kennt. Warum bin ich denn so? Wo kommt es her?

Aber die Eltern dürfen, wenn es Streit gibt, den nicht auf dem Rücken der Kinder austragen. Umgang ist Umgang - unabhängig beispielsweise von finanziellen Geschichten oder Sorgerechtsstreitigkeiten. Kinder brauchen ein stabiles Umfeld. Das kann man durchaus als Eltern leisten.

 

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 20. August 2023 | 10:00 Uhr

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