Qualitätskontrolle Jeder zehnte Wein aus Sachsen fällt durch amtliche Prüfung
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17. Januar 2023, 14:55 Uhr
Faule Eier und alter Ziegenbock - beides bringt man eigentlich nicht mit Weingenuss in Verbindung. Die Mitglieder der Kommission zur Qualitätsweinprüfung in Sachsen wissen es besser. Sogenannter Böckser ist nämlich ein klassischer Weinfehler, der mit dazu geführt hat, dass 2022 fast jeder zehnte Sachsenwein keine amtliche Prüfnummer erhalten hat.
- 43 Sachsenweine konnten keine amtliche Prüfnummer für Qualitätswein erhalten.
- Manche Weine waren zu dünn, bitter oder muffig.
- Der Weinbauverband plädiert für mehr Erfahrungsaustausch zwischen den Winzern, um Weinfehler zu verhindern.
Im vergangenen Jahr ist fast jeder zehnte sächsische Weine durch die amtliche Qualitätsweinprüfung gefallen. Das teilte das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) auf Anfrage mit. Demnach hatten 37 Weinbaubetriebe insgesamt 455 Weine und Sekte zur Prüfung eingereicht. 79 Weine und ein Sekt erhielten die amtliche Prüfnummer erst nach mehreren Anläufen, während 43 Weine aus 17 Betrieben ganz durchfielen und gar keine Prüfnummer vom Amt erhalten haben. Das bedeutet aber auch, dass 20 Winzer und Kellereien einwandfreien Wein und Sekt hergestellt haben.
Wenn Fachleute die Rebsorte nicht erkennen können
Die häufigsten Ablehnungsgründe waren den Angaben zufolge Fehler im Geschmack oder beim Geruch. Die Prüfer, die laut Landesamt alle über eine entsprechende Qualifikation zur Beurteilung der Weine verfügen müssen, beschrieben manchen Rebensaft als bitter, dünn, muffig oder dumpf. In einigen Fällen war es den Prüfern nicht gelungen, die Rebsorte zu erkennen - diese steht bei sortenreinen Weinen aber auf dem Etikett und soll Käufern und Kennern deutlich machen, mit welchem typischen Geschmackserlebnis sie rechnen dürfen und bei welcher Gelegenheit oder zu welchem Essen sie die Flasche passenderweise öffnen.
Gewusst wie: Weinfehler lassen sich behandeln
Klassiker unter den Weinfehlern waren ferner untypische Alterungsnoten, die auf gestresste Reben im Weinberg hindeuten, sowie sogenannter Böckser - ein unangenehmes Aroma, das durch Schwefelverbindungen bei der Gärung entstehen kann. Der Geruch erinnert an den Gestank eines Ziegenbocks oder von faulen Eiern.
Durch kontinuierliche Gärkontrolle und frühzeitiges Eingreifen können Kellermeister Böckser behandeln. Die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg bei Heilbronn nennt beispielsweise das Belüften der Tanks als wirksame Methode im Frühstadium. Der Schwefelwasserstoff werde dabei vom Luftsauerstoff zu Schwefel und Wasser oxidiert. Auch eine Schwefelung oder die Behandlung mit Kupfersulfat würden gegen Böckser helfen. Was bei Weinfehlern zu tun ist, lernen Winzerinnen und Winzer in der Ausbildung.
Qualitätsweinprüfung - Sensorik Der von den Weinerzeugern eingereichte Wein wird von einer geschulten, unabhängigen Prüfungskommission verdeckt verkostet. Zunächst wird geprüft, ob der Wein typisch für die angegebene Rebsorte und Qualitätsstufe ist. Daneben werden auch Farbe und Klarheit des Weines überprüft. Anschließend werden die Kriterien Geruch, Geschmack und Harmonie anhand eines 5-Punkte-Bewertungsschemas beurteilt. Die Gesamtpunktzahl dividiert durch 3 ergibt dann die jeweilige Qualitätszahl. Ist die Qualitätszahl kleiner als 1,5 darf der Wein nicht als Qualitätswein verkauft werden. Vor der sensorischen Prüfung wird jeder Wein einer analystischen Prüfung in einem Fachlabor unterzogen. Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie
Jahrgang 2021 wegen nasser Witterung schwierig
Die meisten Weine bei der sächsischen Qualitätsweinprüfung 2022 stammten vom Jahrgang 2021, der vom nassen Sommer und Fäulnis reifer Trauben geprägt war. In den beiden Vorjahren lag die Ablehnungsquote deutlich niedriger. Abgelehnte Weine ohne amtliche Prüfnummer können noch als Land- oder Tafelweine vermarktet werden. Die Winzer erzielen dann meist jedoch geringere Erlöse als mit Qualitäts- oder Prädikatsweinen.
Jahr der Prüfung | Weinmenge | Anzahl der Weine und Sekte | Ablehnungsquote |
---|---|---|---|
2019 | 19.734 Hektoliter | 542 | 10,1 % |
2020 | 17.342 Hektoliter | 494 | 7,3 % |
2021 | 19.611 Hektoliter | 483 | 6,8 % |
2022 | 18.698 Hektoliter | 455 | 9,5 % |
Weinbauverband verweist auf Grenzfälle
Felix Hößelbarth vom Vorstand des Weinbauverbands Sachsens kann nicht sagen, wieso auch Weine mit offenbar groben Fehlern zur Qualitätsweinprüfung eingereicht werden. Er ist selbst einer der Prüfer und Weinbauchef im Radebeuler Stadtweingut Hoflößnitz. Da in der Qualitätsweinprüfung verdeckt verkostet wird, weiß Hößelbarth nicht, aus welchen Weingütern die abgelehnten Produkte stammen. Grundsätzlich will der Verbandschef auf Kollegenschelte verzichten. Der Verbandschef plädiert für mehr Erfahrungsaustausch zwischen den Winzern und gemeinsames Verkosten der Weine. Das könne Betriebsblindheit und daraus resultierende Fehlertöne vermeiden helfen.
Der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Önologie verweist darauf, dass es in der Sensorik durchaus Grenzfälle geben kann - hinsichtlich Aromatik oder beispielsweise der Farbe eines Blanc de Noir - eines Weiß ausgebauten Rotweins, der nicht auf der Maische lag und keine rötliche Farbe aufweisen darf. Dass Weine aus fachlicher Sicht abgelehnt werden, versteht Felix Hößelbarth auch als Qualitätskriterium für das Anbaugebiet. Immerhin würden so fehlerhafte Tropfen aussortiert und landen nicht nicht als Qualitätsweine auf dem Markt und können damit auch nicht dem Ruf der gesamten sächsischen Winzerschaft schaden. Wichtig ist dem Verbandschef noch der Hinweis darauf, dass bezogen auf die gesamte Menge der zur Qualitätsweinprüfung eingereichten Weine - 2022 waren das 18.698 Hektoliter - die Ablehungsquote nur bei 3,9 Prozent lag.
Und was auch noch zur Wahrheit gehört: Die Weinwelt unterliegt Trends und Moden. So gibt es seit Jahren eine wachsende Fangemeinde sogenannter Natur- oder Orangeweine, die oftmals unfiltriert auf den Markt kommen. Auch "Stinker" unter den Weinen lehnt diese Szene nicht grundsätzlich ab. Produzenten solcher Weine stellen diese aber nicht zu Qualitätsweinprüfung an, weiß Hößelbarth.
MDR (lam)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 16. Januar 2023 | 10:30 Uhr
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