Neue Berechnung Dresden verschickt Grundsteuer-Bescheide - wo wird es teurer, wo billiger?
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07. Januar 2025, 10:11 Uhr
Weil sich die Werte seit 1935 nicht geändert hatten, kippte das Bundesverfassungsgericht 2018 die Grundsteuer. Es folgte eine Reform - in Dresden werden jetzt erstmalig Bescheide mit neuen Werten verschickt. Während in manchen Stadtteilen wie Loschwitz und Kleinzschachwitz die Grundsteuer um knapp ein Viertel steigt, sinkt sie teilweise bis zur Hälfte in Gorbitz und Prohlis.
- Die Stadt Dresden verschickt am 9. Januar rund 105.000 Grundsteuer-Bescheide.
- Der Amtsleiter des Steuer- und Stadtkassenamt Dresden bezeichnet die Reform als überfällig und "gerecht".
- Da die Grundsteuer umlagefähig ist, können auch Mieter von Erhöhungen betroffen sein oder von Senkungen profitieren.
Die Stadt Dresden verschickt am 9. Januar etwa 105.000 neue Grundsteuerbescheide. Das entspricht in etwa zwei Drittel aller Grundstückseigentümer. Die übrigen 55.000 Bescheide sollen bis Ende des Jahres folgen. Demnach steigt die Grundsteuer in manchen Stadtteilen deutlich, in anderen sinkt sie stark. Beispielsweise erhöht sich die Grundsteuer für Wohngebäude in Loschwitz und Kleinzschachwitz um etwa ein Viertel, in Rochwitz sogar um 37 Prozent. Demgegenüber sinkt sie in Prohlis um durchschnittlich 27 Prozent sowie in Gorbitz um 17 Prozent. Die Werte sinken auch in Klotzsche, Langebrück, Leuben, Zschernitz und vielen anderen Stadtteilen.
Gerechtigkeit als Ziel
"Ziel ist, die Grundsteuer in Dresden gerechter zu gestalten", erklärt Thomas Weihermüller. Er ist Amtsleiter des Steuer- und Stadtkassenamtes in Dresden. Selbst wenn Grundsteuer deutlich teurer wird, handle es sich in der Regel nicht um vierstellige Beträge. "Die Grundsteuer ist vom Volumen her eine im Vergleich eher geringe Steuer", erklärt Weihermüller.
Bisher Grundsteuer auf Basis von Werten aus dem Jahr 1935
Was als formaler Akt anmutet, ist das Ergebnis einer umfassenden Reform der Grundsteuer in ganz Deutschland. Im Jahr 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Werte für verfassungswidrig erklärt. Im Osten wurde die Grundsteuer bis dato auf Basis von Daten aus dem Jahr 1935 sowie im Westen aus dem Jahr 1964 berechnet. Das sollte sich ändern.
Zunächst legten die Finanzämter neue Grundstückswerte fest, unter anderem mit Bodenrichtwerten und Werten von Gebäuden. Es folgte ein Bescheid über einen Grundsteuermessbetrag. Auf dieser Basis haben die Kämmerer jetzt die neue Grundsteuer berechnet.
Grundsteuerhebesatz von 400 Prozent in Dresden
Für Dresden gilt Weihermüller zufolge für 2025 der vom Stadtrat verabschiedete Hebesatz von 400 Prozent. Das sei ein deutlich geringerer Satz als vor der Reform mit 600 Prozent. Die neue Grundsteuer setzt sich aus mehreren Posten zusammen. Es gibt den Grundsteuerwert und die Steuermesszahl, die sich nach der Art des Grundstücks richtet. Beide dieser Werte werden vom Finanzamt ermittelt und ergeben den sogenannten Grundsteuermessbetrag. Dieser wird mit dem Hebesatz der Stadt (400 Prozent = Faktor 4) multipliziert. Beispiel: Für eine Eigentumswohnung mit dem Messbetrag von 32,44 Euro fällt eine Jahresgrundsteuer von 138,76 Euro an.
Keine Mehreinnahmen für die Stadt
"Das Wichtige: Der Stadtrat in Dresden hat die neue Grundsteuer als aufkommensneutral festgesetzt. Die Summe aller Grundsteuern bleibt für die Stadt Dresden gleich", erklärt Weihermüller. "Bislang betrugen die Einnahmen aus der Grundsteuer in Dresden etwa 84 Millionen Euro. Das wird auch in Zukunft so bleiben." Für das Jahr 2026 soll laut Stadtratsvorlage der Verwaltung der Hebesatz weiter so bleiben.
Bislang betrugen die Einnahmen aus der Grundsteuer in Dresden etwa 84 Millionen Euro. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
Reform überfällig
Weihemüller ist von der Reform überzeugt: "Ich bin mit dem Thema Grundsteuer seit 30 Jahren hier in Dresden befasst. Seit 30 Jahren kämpfen wir mit den kommunalen Spitzenverbänden für eine Grundsteuerreform. Allen war klar, dass die Grundsteuer auf Basis der Werte von 1935 sowie auf irgendwelchen Hilfskonstruktionen im Rahmen des Einigungsvertrages ungerecht ist." Weil die Beträge aber so niedrig waren, habe es sich lange Zeit für niemanden wirklich gelohnt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. "Als es dann doch so weit war, hat das Gericht das getan, was alle erwartet haben - nämlich die Grundsteuer kassiert."
Allen war klar, dass die Grundsteuer auf Basis der Werte von 1935 sowie auf irgendwelchen Hilfskonstruktionen im Rahmen des Einigungsvertrages ungerecht ist.
Grundsteuer kann an Mieterinnen und Mieter weitergegeben werden
Die Grundsteuer ist umlagefähig – sie kann also sowohl mit höheren als auch mit niedrigeren Beträgen an Mieter weitergegeben werden. "Das macht jedoch keine großen Summen aus", erklärt Weihermüller. "In der Regel liegt sie für eine Wohnung im gesamten Jahr irgendwo meist im niedrigen dreistelligen Bereich."
Keine Grundsteuer mehr für Pächter von DDR-Garagen
Pächter von DDR-Garagen und Gärten müssen in Zukunft die Grundsteuer nicht mehr direkt bezahlen. "Die Bescheide gehen an die Eigentümer", erklärt Weihermüller. Diese wiederum hätten die Möglichkeit, die Steuer auf die Pächter umzulegen. Dies sei jedoch Privatrecht und laufe nicht mehr über die Stadt.
Protest von Eigentümervereinigung "Haus und Grund"
Protest kommt von der Eigentümervereinigung Haus und Grund. "Die Reform ist in Teilen oder in Gänze verfassungswidrig und pure Augenwischerei", sagt Christian Rietschel, Vorsitzender "Haus und Grund Dresden" im Gespräch mit MDR SACHSEN. "Hier werden Bodenwerte und Mieten zugrunde gelegt, die abnorm und nicht nachvollziehbar sind." Vor allem Innenstadtgrundstücke seien betroffen. Zudem entstünden absurde Summen, wenn der Berechnung Bauland zugrunde gelegt wird, ohne dass Baurecht bestehe. Die Vereinigung "Haus und Grund" ist eine Interessenvertretung privater Grundstückseigentümer und Vermieter.
Hier werden Bodenwerte und Mieten zugrunde gelegt, die abnorm und nicht nachvollziehbar sind.
Vereinigung rät zum Widerspruch
Rietschel rät bei Zweifeln, die Grundlagenbescheide "nicht bestandskräftig werden zu lassen und Akteneinsicht zu beantragen". Der Zentralverband führe bereits ein Musterverfahren. Gestartet habe die Dresdner Vereinigung zudem eine Petition, um die Kosten für einen Gutachter zu decken. "Betroffene Eigentümer sollen sich kostenneutral zur Wehr setzen können", sagt Rietschel. Bislang habe es allerdings wenig Beteiligung gegeben.
Widerspruch beim Finanzamt möglich
Die Möglichkeit für einen Widerspruch bekräftigt auch Weihermüller von der Steuerkasse Dresden. "Wer nicht einverstanden ist, kann sich an sein Finanzamt wenden – für die Berechnungen sind ausschließlich die Finanzämter zuständig", sagt Weihermüller. Er stellt aber auch klar: "Wer schon Einspruch erhoben hat, muss trotzdem erst einmal bezahlen." Korrigiere das Finanzamt die Steuer, würde der entsprechende Betrag zurückerstattet. "Die Steuern sind auch zu bezahlen, wenn Rechtsstreitigkeiten bestehen", erklärt Weihermüller weiter." Auch hier werde im Nachhinein korrigiert.
Personal aufgestockt – trotzdem Wartezeiten
Weihermüller zufolge kann man sich mit Fragen zum Hebesatz auch an die Stadt Dresden wenden. Allerdings müsse man mit langen Wartezeiten rechnen - "auch wenn extra Personal aufgestockt" worden sei. "Wir rechnen mit etwa 5.000 Einsprüchen bei den aktuellen Bescheiden", sagt Enrico Blechschmidt, Abteilungsleiter Grundstücksaufgaben bei der Stadt Dresden. Bei den übrigen Bescheiden, die im Laufe des Jahres erfolgen sollen, liefen bereits Einsprüche oder es gebe Unklarheiten bei dem eventuellen Tod eines Eigentümers und entsprechen Erbangelegenheiten.
Nächste Werte im Jahr 2029
Das nächste Mal sollen die Grundsteuerwerte im Jahr 2029 festgestellt werden. So will es das Bundesverfassungsgericht. Es soll nicht wieder 90 Jahre dauern, bis die Steuern angepasst werden.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 06. Januar 2025 | 19:00 Uhr