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Podcast "Digital leben" Wie digital ist der Tod? Über Herrschaftswissen und Selbstbestimmtheit

06. Mai 2023, 08:54 Uhr

Natürlich: Der Tod ist analog. Aber weil unser Leben immer digitaler wird, passiert auch viel Digitales rund um das Sterben. Stefanie Oeft-Geffarth, Unternehmerin aus Halle, macht Dienstleistungen rund um Vorsorge, Überführung und Beerdigung digitaler. Ihr Ziel: Transparenz in der Branche und Menschen, die selbstbewusst über ihre Beerdigung entschieden können.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
Bildrechte: MDR/Viktoria Schackow

Eine Sterbebegleiterin und eine Unternehmerin sind zu Gast im Podcast "Digital leben". Die eine ist nah am Tod – die andere will ihn nicht an sich heranlassen. Dabei mischt Unternehmerin Stefanie Oeft-Geffarth aus Halle die Bestatterbranche mit ihren digitalen Lösungen auf.

Oeft-Geffarth hat mit Convela ein Unternehmen, das Trauernden digitale Lösungen anbietet. "Ich wollte eine Firma mit eigenen Produkten und das Thema hat mich herausgefordert." 2012 hat Convela zunächst Trauernadeln und Schleifen auf den Markt gebracht, dann kam ein 3D-gedruckter Ring, in dem die Silhouette des toten Menschen eingearbeitet ist.

Der rote Knopf zur automatischen Beerdigung

Mittlerweile geht Oeft-Geffarth bei Convela noch weiter: In der Corona-Pandemie entstand die Online-Trauerfeier. Sie hat einen digitalen Marktplatz für die Abschiedsbranche, eine Cloud-Lösung für Menschen, die ihre digitalen Hinterlassenschaften regeln wollen, und ein Gedenkseiten-Portal entwickelt. Außerdem arbeitet das Unternehmen an einer Überführungs-App und hat einen Vorsorge- und Abschiedsplaner, mit dem jeder die eigene Beerdigung und Bestattung selbst planen kann – Hinterbliebene können so entlastet werden. Ihr Ziel: "Im Idealfall ist alles vorher geregelt und jemand muss quasi nur den roten Knopf drücken und uns den Sterbefall melden."

Das Sterben selbst allerdings bleibt analog. Und Sterbende zu begleiten auch, sagt Ria Timm. Sie ist 21 Jahre alt, wohnt in Leipzig und ist Sterbebegleiterin. "Ich bin Ultra-Fan vom Digitalem und liebe Homeoffice. Aber ich bin fest überzeugt, dass Sterbebegleitung nur in Präsenz geht: die Stimme, die Berührung. Man spürt, ob ein anderer Mensch im Raum ist."

Aber Timm sagt auch, sie merke, dass das Handy für Menschen im Hospiz oder im Altenheim super wichtig sei. Gerade während der Corona-Pandemie. Damals sei ihr Opa zwei Wochen im Krankenhaus gewesen und dort gestorben. "Er hatte kein Handy. Wir konnten also keinen Kontakt zu ihm aufnehmen. Also das war wirklich nicht schön." Für Menschen in einem Hospiz oder im Altenheim sind Smartphone und Co. gut, um Kontakt mit Angehörigen und Freunden zu halten. "Denn viele Angehörige wohnen weit weg." Solche Technologien seien gut, um Kontakt zu halten und am Leben teilzuhaben.

Digital Abschiednehmen

Unternehmerin Stefanie Oeft-Geffarth glaubt, dass Menschen in Hospizen oder Altenheimen digital an Trauerfeiern teilnehmen können. Dann nämlich, wenn ein anderer Bewohner stirbt und sie körperlich nicht mehr in der Lage sind, zu einer Trauerfeier zu gehen. "So können sie auch Abschied nehmen, ohne dabei zu sein."

Eine Online-Trauerfeier ist erst einmal eine Videokonferenz mit Trauerredner, Gästen und vielleicht Musikern. Und dabei sieht Oeft-Geffarth sogar einen Vorteil: "Man blickt den Menschen ins Gesicht." Das hätte eine ganz andere Wirkung als klassische Trauerfeiern, bei denen man nur den Hinterkopf des Menschen sieht, der vor einem sitzt. "Diese Form des Verabschiedens in Hospize oder Altenheimen zu integrieren, hält bisher noch keiner für nötig. Das finde ich echt schade." Dabei sei es eine schöne und coole Idee von Gemeinschaft, sagt sie.

Das Rütteln birgt Brisanz

Mit ihren Ideen rüttelt Oeft-Geffarth am klassischen Geschäft der Bestatter. Das habe ihr bereits Morddrohungen eingebracht. Dabei will sie selbst gar nichts mit Trauernden oder Toten zu tun haben. Sie will gute Dienstleistungen vermitteln; Dienstleistungen, die Menschen informiert und über die sie selbstbewusst entscheiden.

Denn im Laufe unseres Lebens beschäftigen wir uns kaum mit dem Thema: "Es gibt niemanden, der uns sagt, was zu Vorsorge und Abschiedsplanung dazugehört", sagt die Convela-Chefin. Es sei eine Art Herrschaftswissen der Bestatter. Informationen und Wissen seien Macht, ergänzt Sterbebegleiterin Ria Timm. "Je früher man sich damit beschäftigt, desto mehr kann man sich Gedanken machen, ist mündiger und kann selbstbestimmt entscheiden."

Kritik an der Bestattungsbranche

Bislang wird aus dem Herrschaftswissen vor allem Profit geschlagen. Das ärgert Oeft-Geffarth sehr: "Das scheinbare Hoheitswissen wird zur Gewinnmaximierung genutzt." Das führt dazu, dass Mensch nur gesagt kriegen, dass etwas nicht geht. "Typische Sprüchen sind dann: Aber ihre Mutter ist doch mehr wert. Das können wir so nicht machen. Da gucken doch alle."

Im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "Digital leben" sprechen die beiden auch über einer Folge von Jan Böhmermanns "ZDF Magazin Royal". Darin sagt Böhmermann,

    • dass Bestatter und auch Überführungsdienste in Deutschland nur einen Gewerbeschein und keine besondere Ausbildung brauchen,
    • dass die Krankenkassen bis 2004 einen Teil der Beerdigungskosten übernommen haben,
    • dass Tote in Deutschland auf dem Friedhof beerdigt werden müssen,
    • dass es viele strenge Regeln gibt, aber rund um das Bestattungswesen nicht so genau hingeschaut wird.

Ria Timm sagt, dass sie schockiert war, dass Leichname ohne das Wissen der Hinterbliebenen auch in weit entfernte Ausbildungszentren transportiert werden dürfen. "Laut Vertrag durfte der Bestatter das. Aber das ist trotzdem nicht richtig." Oeft-Geffarth sagt, die Sendung sei viel zu brav gewesen und digitale Lösungen können Transparenz schaffen. "Nicht umsonst wird der Bestatter gern als Aasgeier an der Hintertür von Krankenhäusern gezeigt. Es gib da einen dreckigen Wettbewerb."

Digital leben

Roboterfigur mit Aufschrift KI
Bildrechte: picture alliance / CHROMORANGE | Christian Ohde
1 min

MDR SACHSEN-ANHALT Fr 06.12.2024 12:47Uhr 00:25 min

https://www.mdr.de/mdr-sachsen-anhalt/podcast/digital/audio-2811338.html

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Uber für Verstorbene

Die Chefin von Convela aus Halle will auch aufklären: "Wenn jemand im Krankenhaus stirbt, bezahlt dafür niemand mehr und das Bett muss schnell frei werden." So entsteht Druck, den oder die Tote schnell aus Krankenhäusern zu schaffen und zu bestatten. Nur: Für den Transport ins Krematorium zum Beispiel muss kein Bestatter engagiert werden. "Das kann ein Überführungsdienst machen. Auch er braucht nur einen Gewerbeschein", sagt Oeft-Geffarth.

Ihre Idee ist deshalb eine Art Uber für Verstorbene: Eine digitale Lösung, bei der die Hinterbliebenen immer wissen, wo der Leichnam ist. "Es geht natürlich um eine gewisse Qualität, aber eben auch im ein Tracking, um einen Prozess, letztendlich um eine Art Logistikkette." Den "Prozess Bestattung" kann Oeft-Geffarth so für Kosten ab 1.000 Euro vermitteln.

Das Lebensende planen. Nur wie?

Wie wollen Menschen beerdigt werden, was ist ihnen dabei wichtig, was nicht? Wie können überforderte Hinterbliebene entlastet werden? Der deutsche Gesetzgeber will, dass solche Fragen geklärt werden. Das Konzept dahinter nennt sich "Advanced Care Planning" – also eine Art vorausschauende Vorsorgeplanung für das Lebensende, die im Gesundheitswesen verankert werden soll.

Die gesetzliche Grundlage dafür hat das Hospiz- und Palliativgesetz 2015 geschaffen. Nur: "Wie es umgesetzt werden soll, weiß niemand. Es gibt auch keine Standards. Und es weiß auch niemand, wie und wo diese Informationen gespeichert werden und wer sie wie abrufen kann und darf", sagt Stefanie Oeft-Geffarth. Technisch könnte das beispielsweise eine Cloud wie die ihres ihre Unternehmens lösen. Mit der Uni Halle hätte sie dazu eine Forschungskooperation, sagt Oeft-Geffarth.

Digitale Lösungen rütteln immer an herkömmlichen Dingen. Sie zeigen Probleme in Strukturen auf oder stellen infrage, wie wir leben – und womöglich auch, wie wir sterben oder was nach dem Tod mit unseren Überresten geschieht. Sterbebegleiterin Ria Timm hat zum Beispiel unwürdige Situationen in Altenheimen erleben. Dort ginge es oft um Effizienz. "Aber Sterben funktioniert nicht schnell und effizient." Für die 21-Jährige steht fest: "Ich habe erlebt, wie im Hospiz, wie auf einer Palliativmedizin und im Altenheim gestorben wird. Ganz ehrlich: Wenn ich es verhindern kann, werde ich verhindern, dass ich in einem Altenheim sterbe."

Mehr zum Thema: Digitalisierung in Sachsen-Anhalt

MDR (Marcel Roth)

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